"Im Restaurant hat mir dann Frau Haderthauer das Du angeboten"

Der Dreifach-Mörder Roland S. sitzt im Bezirkskrankenhaus ein und hat dort für die Haderthauers Modellautos gebastelt – angeblich als Therapie. Im AZ-Interview sagt er: „Tatsächlich ging es in erster Linie um ein Geschäft“
Helmut Reister |
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Beim Wein in privater Umgebung: Roland S. früher mit Hubert Haderthauer.
Helmut Reister Beim Wein in privater Umgebung: Roland S. früher mit Hubert Haderthauer.

Der Dreifach-Mörder Roland S. sitzt seit 1988 im Bezirkskrankenhaus ein und hat dort für die Haderthauers Modellautos gebastelt – angeblich aus Therapiegründen. Im AZ-Interview sagt er: „Tatsächlich ging es in erster Linie um ein Geschäft“

Bei den fragwürdigen Geschäften, die Ex-Staatskanzlei-Chefin Christine Haderthauer und ihren Mann Hubert so schwer in Bedrängnis brachten, spielt Dreifach-Mörder Roland S. eine Schlüsselrolle. Der seit 1988 in der Psychiatrie untergebrachte Straftäter konstruierte und baute im Auftrag des Ehepaares die edlen Modellautos, die auf dem Sammlermarkt hohe Erlöse erzielten.

Gegen Christine, die im Zuge dieser Affäre als Ministerin zurücktreten musste und ihren Mann Hubert Haderthauer, Landgerichtsarzt in Ingolstadt, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Betrugsverdacht und Steuerhinterziehung. Die Hintergründe der Geschäfte werden auch von einem Untersuchungsausschuss des Landtags durchleuchtet. Dort soll Roland S am Freitag aussagen. Der AZ erzählte er vorab, wie die Geschäfte aus seiner Sicht abliefen.

AZ: Herr S., am Freitag müssen Sie im Landtag vor dem Untersuchungsausschuss aussagen. Sind Sie nervös?

ROLAND S.: Gespannt bin ich. Ich weiß ja nicht, was da für ein Rummel auf mich zukommt. Und öffentliche Auftritte bin ich nach der langen Zeit im BKH (Bezirkskrankenhaus, d. Red.) nicht gewohnt. Vor den Fragen habe ich keine Angst. Ich erzähle nur das, was ich weiß.

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Müssen die Haderthauers jetzt zittern?

Ob sie wegen mir zittern müssen, kann ich nicht sagen. Ich kenne ja nur einen Teil der ganzen Affäre. Ich weiß nur, unter welchen Bedingungen die Autos produziert wurden.

Die Bedingungen, speziell im Bezirkskrankenhaus Ansbach, waren so abenteuerlich, dass es zu Streitigkeiten zwischen Personal und Ärzteschaft kam, dass der Bezirk Krisenmanagement betreiben musste, dass die Wellen bis in die Ministerien schlugen und der Automodellbau nach Straubing verlegt wurde.

Also, ich bin über die internen Verwaltungsvorgänge bestimmt nicht informiert worden. Und die Bedingungen habe ich weder veranlasst noch in irgendeiner Weise beeinflusst. Wie hätte ich das als Insasse der Forensik auch beeinflussen können? Die Produktion der Autos wurde von höchster Stelle beschlossen und von mir nur umgesetzt. Dagegen hatte ich freilich nichts. Das war besser als Tütenkleben.

Ihr geniales handwerkliches Geschick war die Grundvoraussetzung. Ohne Sie hätte es den Bau der Modellautos, gar nicht gegeben.

So ganz stimmt das auch wieder nicht. Klar, ohne mich wären die Autos nicht gebaut worden. Aber ohne Herrn Haderthauer auch nicht. Daraus hat er ja auch kein großes Geheimnis gemacht. Ohne mich geht hier nichts, hat er gesagt.

Ist das ungewöhnlich? Herr Haderthauer war ja Ihr Arzt und muss aus medizinischer Sicht überzeugt davon sein, dass diese Art von Arbeitstherapie auch das Richtige für Sie und die anderen Patienten ist.

So ist es vielleicht dargestellt worden, wenn Besuchergruppen, die bis aus Japan kamen, in den Produktionsräumen herumgeführt wurden. Aber tatsächlich ging es in erster Linie um ein Geschäft. Da muss man nicht lange herumreden.

War es für Sie auch ein Geschäft?

Ich habe in Ansbach monatlich zwischen 150 und 200 D-Mark dafür bekommen, später in Straubing 250 Euro. Das ist selbst in der geschlossenen Abteilung des Bezirkskrankenhauses nicht so besonders viel. Und schon gar nichts im Vergleich dazu, was die Oldtimer-Modelle auf dem freien Markt erzielt haben.

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Das Ehepaar Haderthauer, das an maßgeblicher Stelle die Geschäfte betrieben hat, stellt das aber ganz anders dar. Da ist von sozialem Engagement, riesigen Investitionen und lächerlichen Gewinnen die Rede.

Also, ich war ja nicht der Buchhalter der Haderthauers und kann nicht sagen, was unter dem Strich herausgekommen ist. Aber man muss ja nur die Zahl der Autos und hernehmen und sich die Erlöse bei den Auktionen anschauen. Ein Auto wurde für 130 000 Dollar versteigert, viele andere für 20 000 oder noch mehr Euro. Die Produktionskosten selbst machten nur einen Bruchteil davon aus. Da kann man nur Gewinn machen. Von großen Investitionen weiß ich nichts. Die größte Einzelinvestition war meiner Erinnerung nach eine Drehbank aus Fernost. Die hat nicht einmal 5000 D-Mark gekostet. Einige andere Maschinen waren meines Wissens nach dem BKH von einigen Firmen gespendet worden.

Die Frage ist aber, wie hoch der Gewinn war. Das ist auch von der Zahl der produzierten Autos abhängig. Wie viele waren es denn? Herr Haderthauer hat eine Zahl von etwa 60 bis 70 genannt.

Ich weiß nicht, wie er auf diese Zahl kommt. Wir haben in Ansbach und Straubing 134 Stück produziert, die in der ganzen Welt verkauft wurden. Einzelne Exemplare hat Herr Haderthauer persönlich bis nach Kalifornien und einige andere Länder transportiert. Schlecht können die Geschäfte bei so einem Aufwand nicht gelaufen sein.

Die Geschäfte wurden im Bezirkskrankenhaus gemacht, aber nicht von der Klinik selbst, sondern von der Firma „Sapor Modelltechnik“. Ab 1990, als die Produktion in Schwung kam, gehörte sie drei Personen: Fritz Sager, Roger Ponton und Christine Haderthauer. Wo kommt denn jetzt plötzlich Christine Haderthauer, die Frau Ihres Arztes, ins Spiel?

Ich denke, dass das mit einem Interessenskonflikt zusammen hängt. Herr Haderthauer war ja auf der einen Seite Arzt im BKH und für die Arbeitstherapie zuständig. Wenn er dann gleichzeitig eine Firma betreibt, die Geschäfte mit dem BKH betreibt, ist das schwer unter den Hut zu bringen. Er würde ja dann sozusagen Geschäfte mit sich selbst machen. Das hat er ja in Gesprächen auch offen eingeräumt. Das kann ich so nicht machen, hat er gesagt.

Also war Christine Haderthauer nur eine Strohfrau?

Die Frage müssen andere Leute beantworten. Ich weiß nicht, was hinter den Kulissen der Firma genau lief, wer welchen Einfluss hatte und was Christine Haderthauer im Einzelnen gemacht hat. In Besprechungen war die Rede davon, dass sich Christine Haderthauer um organisatorische Dinge kümmert. Damit habe ich mich aber auch nicht so genau beschäftigt. Für mich war zwangsläufig Herr Haderthauer der entscheidende Ansprechpartner.

Wussten Sie, dass die Frau Ihres Arztes in die Gesellschaft eingestiegen ist?

Ich habe es im Gewerberegisterauszug gesehen. Den habe ich bekommen, damit ich die Lieferanten überzeugen konnte, wieder Material zur Produktion der Autos auf Rechnung zu liefern, nachdem die Vorgängerfirma pleite gegangen war. Da tauchte der Name Christine Haderthauer als Geschäftsführerin für Sapor GbR auf.

Hatten Sie mir ihr persönlich zu tun?

In Ansbach habe ich sie ein paar Mal im BKH gesehen. Sie war damals in einem Anwaltsbüro beschäftigt und kam, so viel ich weiß, zur rechtlichen Betreuung einiger Insassen. Aber ich habe sie auch persönlich kennengelernt.

Das streitet sie allerdings ab.

Das kann schon sein. Trotzdem ist es so. Sie hat mir ja bei dieser Gelegenheit sogar das Du angeboten. Es war in den ersten Januartagen des neuen Jahrtausends, eine zusammengelegte Neujahrs- und Geburtstagsfeier. Herr Haderthauer hat am 24. Dezember Geburtstag, ich am 31.

Und wo hat die Party stattgefunden?

Party war es keine. Ich wurde von einer Begleitperson zu den Haderthauers nach Ingolstadt gebracht. Ich weiß noch, dass vor ihrem Haus Schnee lag. Nach einer kurzen Begrüßung sind wir dann gemeinsam zum Essen in ein Restaurant gefahren. Bei dieser Gelegenheit hat mir Frau Haderthauer das Du angeboten. Ihr Mann hatte das schon Jahre vorher gemacht.

Eigentlich hätten Sie zu diesem Zeitpunkt in der geschlossenen Abteilung des Bezirkskrankenhauses sitzen müssen.

Das kann man auch anders sehen. Ich bin ja nicht ausgerissen, der Ausgang war genehmigt.

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Ihnen wurden erstaunliche Freizügigkeiten und Lockerungen gewährt. Sie durften sogar ein Wochenende in einer Jagdhütte in Frankreich verbringen. Das Haus im Wald gehörte Roger Ponton, dem Geschäftspartner der Haderthauers. Wer hat das genehmigt? Herr Haderthauer?

Wer das letztendlich formal innerhalb der Klinik genehmigt hat, weiß ich nicht. Zu dem Zeitpunkt hatte Herr Haderthauer das BKH Ansbach ja schon verlassen und war Landgerichtsarzt in Ingolstadt und hat nur die Geschäfte weiterbetrieben. Aber ich gehe davon aus, dass er an der Entscheidung maßgeblich mitbeteiligt war. Irgendjemand muss das ja auch angeregt haben.

Was hätte er für einen Grund haben können?

Wahrscheinlich wollte er mich dadurch motivieren.

Weil er von Ihnen hinsichtlich der Autoproduktion abhängig war?

Wenn man es so sehen will, dann muss man aber auch dazu sagen, dass ich als Insasse der Forensik auch von ihm abhängig war. Und im Endeffekt saß er am längeren Hebel. Meine Möglichkeiten sind ja etwas begrenzt.

Um die Autoproduktion aufrecht zu erhalten, ist man Ihnen mit Lockerungen aber sehr weit entgegen gekommen. Es gab ja nicht nur den Kurzurlaub in Frankreich. Sie durften auch das BKH auch häfig übers Wochen-ende verlassen, Sie haben Einkaufsfahrten unternommen und Museen besucht, Sie waren auf diversen Messen, manchmal auch mehrere Tage am Stück. Alles im Dienste der Firma „Sapor Modelltechnik“.

Zunächst einmal: Ich war nie alleine unterwegs, immer war eine Begleitperson dabei. Und da erwähne ich schon auch, dass es nie irgendwelche Probleme gegeben hat. Ich hätte bei verschiedenen Gelegenheiten leicht abhauen können, auch aus der Klinik. Aber das war kein Thema. Dass ich selbst keine Einwendungen gegen die Freizügigkeiten hatte, dürfte nachvollziehbar sein. Die Forensik in Ansbach ist nicht unbedingt ein Wellness-Hotel. Über Jahre hinweg schliefen 32 Patienten in einem einzigen Raum, ohne Zwischenwände.

Trotzdem stellte die Modellauto-Produktion die Abläufe im BKH auf den Kopf. Das führte dazu, dass der Modellbau im Jahr 2000 nach Straubing verlegt wurde. Sie sind mit umgezogen und haben sich dadurch bei der Unterbringung verschlechtert. Der Hochsicherheitstrakt in Straubing ist mit der geschlossenen Abteilung in Ansbach nicht zu vergleichen. War Ihnen klar, dass die großen Freizügigkeiten nicht mehr stattfinden werden?

Mit kam es vor allem darauf an, dass ich weiter Autos bauen konnte. Was wäre denn für mich die Alternative gewesen? Da fällt mir wenig ein.

Ihren Schilderungen zufolge bestand aus medizinischer Sicht also keine Veranlassung, Sie von Ansbach nach Straubing zu verlegen?

Der Grund war die Weiterführung der Produktion. Ich habe mir ja während meiner Unterbringung in Ansbach nicht das Geringste zu Schulden kommen lassen. Ganz im Gegenteil. Mein Verhalten hat sicher auch eine Rolle dabei gespielt, dass ich Lockerungen erhielt. Aus ärztlicher Sicht wäre ich nur dann nach Straubing verlegt worden, wenn es zu massiven Verhaltensstörungen oder ähnlichen Auffälligkeiten gekommen wäre.

Inzwischen wurde das Modellbau-Projekt beendet. Wie geht es mit Ihnen weiter?

Ich habe inzwischen eine Therapie bekommen und abgeschlossen. Wie es mit mir genau weitergeht, ist noch nicht ganz klar. Ich hoffe, dass ich zunächst einmal aus Straubing wegkomme und wieder in ein anderes Bezirkskrankenhaus verlegt werde, vielleicht zurück nach Ansbach.

Ein erster Schritt zur Entlassung?

So weit will ich im Moment nicht voraus denken. Ich sitze seit fast 30 Jahren im Bezirkskrankenhaus, da erspare ich mir solche Überlegungen.

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