Im Banne des Buketts

Wer in München nach Wein-Bars sucht, findet überraschend Genuss-Orte zwischen Technologie und Gemütlichkeit.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Illustration
dpa Illustration

MÜNCHEN - Wer in München nach Wein-Bars sucht, findet überraschend Genuss-Orte zwischen Technologie und Gemütlichkeit.

Ein Blick in die „Gelben Seiten“: Zwischen „Webereien“ und „Weiterbildung“ gibt es keine Überschrift „Wein-Bars“, nur die Rubrik „Wein und Sekt“ – darunter alles vom Spirituosen-Großhandel bis zu Jacques’ Wein-Depot. Die Wein-Lexika schweigen zu diesem Thema. Einfacher ist es, herauszufinden, was eine Weinbar nicht ist: ein Esslokal, das auch guten Wein hat. Ein Weinladen, in dem man probieren kann. Eine Bar, in der man auch Wein auf der Karte findet.

Die Suche nach dem Rest bringt Plätze hervor, die jenseits des Schicki-Micki-Getues grundverschiedene Leute zusammenbringen. Zunächst aber geht es nicht um Riesling und Spätburgunder, sondern um Stickstoff und „Enomatic“. Wie hält man den Wein in einer angebrochenen Flasche frisch? Das ist die Frage.

Die GaribaldiBar

Am aktuellsten ist dabei die GaribaldiBar. Unter www.garibaldibar.de erfährt der Weintrinker tages-, minuten-, ja sekundengenau, wann sein Lieblingswein geöffnet wurde und wie viel noch in der Flasche ist. Damit eine angebrochene Flasche über Nacht nicht ihr Leben aushaucht, kommt Stickstoff ins Spiel. Mit dem geruchs- und geschmacklosen Gas „belegt“ Sommelier Peter Horvath seine 21 offen ausgeschenkten Weine. Damit ist die Oxidation gestoppt, der Tropfen bleibt maximal frisch.

Beim vorzüglichen weißen „Roero Arneis 2008“ von Bruno Giacosa aus dem Piemont (0,1l für 6,80 Euro) wird Stickstoff aber nicht oft nötig sein. Die italienischen Weine stehen in der eher nüchternen GaribaldiBar im Vordergrund. Aber der Anteil der Nicht-Italiener ist schon auf 30 Prozent gestiegen. Punkten kann die Schwabinger Wein-Bar auch mit einer kleinen italienischen Speisekarte.

Vinobel im Glockenbachviertel

Ein Wohnzimmer mit Wein ist das Vinobel im Glockenbachviertel. „Bons vins, bons amis“ – „gute Weine, gute Freunde“, so betextet Chef Cyril Marguerit seine Bar. Genauso wirkt sie auch: Man kennt sich, und wenn es sein muss, räumt auch mal der Stammgast die alten Gläser von einem frei gewordenen Tisch ab. Der Wein ist preiswert (0,1l ab 2,40 Euro) und zu über zwei Dritteln französisch. Die sehr kleine Speisekarte beginnt bei Flammkuchen (klein 3,90, groß 7,10 Euro) und endet bei Schokoladenkuchen (3,50 Euro).

Walter und Benjamin

Zu den Säulenheiligen in der Münchner Wein-Szene gehört auch Walter und Benjamin. Die Wein-Bar besticht durch eine durchdachte Auswahl an 30 offenen Weinen (0,1l von 3 bis 8,50 Euro) auf hohem Niveau. Der Geschmackskompass schlägt in Richtung Frankreich aus. Neben Klassikern versuchen Helga Zimmermann-Hedewig und ihr Mann Walter den Kunden auch Weine aus weniger bekannten Gebieten wie Kampanien oder dem katalanischen Montsant nahezubringen. Gerühmt wird das Besitzer-Ehepaar für seine Burgunder-Auswahl. Die gibt es allerdings nur flaschenweise zum Essen. Mit der Fischsuppe (8 Euro) und der Hühnerbrust, dem Fenchel-Risotto und der karamellisierten Zitrone (16 Euro) gerät diese Wein-Bar schon in Augenhöhe mit sehr guten Ess-Lokalen. Ach ja: Die Besitzer schwören auf Argon-Gas zur Flaschen-Konservierung.

Die Ilanga Wine Bar

Ein Erlebnis der besonderen Art diesbezüglich beschert der Besuch in der Ilanga Wine Bar. Dass es dort ausschließlich südafrikanische Weine gibt und dicke braune Ledersessel, gepaart mit dem Charme einer Safari-Lodge im Erdgeschoss eines eigentlich trostlosen Geschäftshauses, ist Nebensache. Die Attraktion heißt „Enomatic“.

Dieses Gerät stellt wohl den Höhepunkt der technischen Entwicklung in Sachen „Konservierung von offenen Weinflaschen“ dar. Insgesamt 16 offene Flaschen stehen in diesem verschlossenen Kühl-Tresor eingeklemmt hinter Glas – ständig konserviert mit Stickstoff. Für diese Tropfen braucht der Gast eine Ilanga-Kreditkarte, auf der er einen bestimmten Geldbetrag gespeichert hat. Die Karte wird in den „Enomatic“-Schrank eingeführt. Nun kann der entscheiden, ob er 20 Milliliter (entspricht etwa einem Schluck, 0,80 bis 4 Euro), 50 oder gar 100 Milliliter trinken möchte. Schon sprudelt aus dem Schrank – optisch zwischen Geldautomat und Kantinen-Cola-Spender – das uralte, sinnliche Getränk.

Herbert Stiglmaier

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.