„Ich würde mein letztes Hemd für meine Söhne geben“

Ludwig Alber war früher mal Kapuzinermönch und arbeitete als Krankenpfleger – heute ist der 57-Jährige erwerbsunfähig.
von  Julia Lenders
Ludwig Alber und sein Sohn Benignus.
Ludwig Alber und sein Sohn Benignus.

Ludwig Alber war früher mal Kapuzinermönch und arbeitete als Krankenpfleger – heute ist der 57-Jährige erwerbsunfähig.

Weilheim - Ludwig Albers Geschichte beginnt mit einer Kuh. Er ist 20 Jahre alt, lebt im Landkreis Altötting und arbeitet als Schreiner. Dann ist da plötzlich dieses Vieh – mitten auf der Straße, auf der Alber mit seinem Motorrad fährt.

Nach dem Zusammenstoß ist alles anders. Nicht etwa, weil der junge Mann so schwer verletzt worden wäre. Aber er kommt ins Grübeln. „Ich habe den Sinn des Lebens gesucht.“

Nach dem Unfall tritt Ludwig Alber, der zuvor nie gläubig gewesen war, ins Kloster ein. Er wird ein Kapuzinermönch. Der Ordensbruder lebt in Altötting, Laufen sowie Eichstätt und arbeitet als Pförtner, Obdachlosen-Betreuer und Mesner. Doch nach einiger Zeit beschleichen ihn Zweifel, ob dieses Leben wirklich seine Zukunft ist. „Es gab keinen Nachwuchs mehr, nur eine Überalterung“, erzählt Alber. Daran sei jegliche Gemeinschaft zugrunde gegangen.

Nach 13 Jahren zieht er einen Schlussstrich – und tritt aus. Ein Schritt, der für ihn mit großen Gewissensbissen verbunden ist. Deshalb klopft Alber, der sich fortan mit einer Tätigkeit im Hol- und Bringdienst einer Klinik über Wasser hält, immer wieder an die Pforten anderer Klöster und bittet um Aufnahme. Doch er findet keinen Ort, an dem er bleiben will und kann.

Eine Ausbildung zum Krankenpfleger markiert für Alber schließlich den Start in ein neues, ganz anderes Leben. Dabei lernt er seine Frau kennen. Sie bekommen zwei Söhne: Erasmus und Benignus.

Alber hockt neben seinem Küchentisch und seine Lebensgeschichte sprudelt nur so aus ihm heraus. Auf dem Tisch hat er Fotos ausgebreitet. Von der Zeit, als die Buben noch klein waren. Von Ausflügen mit seinen Söhnen in die Berge. „Ich liebe die Kinder“, sagt der Vater. Dann hält er kurz inne und sein Blick wird traurig.

Die Familie hat schlimme Zeiten hinter sich. Die Ehe von Ludwig Alber scheitert – und zugleich wird er krank und kränker. Alle Gelenke schmerzen, ein Infekt jagt den nächsten, er bekommt eine Herzmuskelentzündung. Zuerst wissen die Ärzte nicht, was ihm fehlt. Irgendwann steht die Diagnose fest: Borreliose. Ein Zeckenbiss am Bauchnabel hat ihn gebrechlich werden lassen.

Hinzu kommen massive Bandscheiben-Probleme. Irgendwann kann er kaum mehr gehen, hält nur noch mit Schmerzmitteln durch. „Ich darf auf einem Bio-Friedhof gar nicht mehr begraben werden“, scherzt er. Erst eine OP bringt vor Kurzem Linderung. Jetzt quälen ihn die Schmerzen nur noch nachts.

Wegen all seiner Erkrankungen muss Alber vor gut vier Jahren aufhören zu arbeiten. Seinem Job – zuletzt war er neun Jahre als Altenpfleger angestellt – wird er nie mehr nachgehen können. Der inzwischen 57-Jährige ist erwerbsunfähig und lebt in Weilheim von einer kleinen Rente in Höhe von 761,67 Euro.

Das Geld reicht hinten und vorne nicht, geht doch schon die Hälfte für die Miete drauf. Der Kontoauszug vom 19. November, der ebenfalls auf dem Tisch liegt, zeigt ein alarmierend niedriges Guthaben von 60 Euro. „Das Schlimmste sind die Ängste, wie’s weitergeht“, sagt Herr Alber. Er hofft, noch einen neuen, körperlich nicht belastenden Job zu finden.

Für sich selbst brauche er nichts. „Ich habe im Orden gelernt, arm zu leben.“ Seine kaputte Brille hat er kürzlich mit Sekundenkleber gerichtet, auf eigentlich nötige Zahnarztbesuche verzichtet er auch – nur um den Kindern trotz Mini-Rente etwas bieten zu können.

Der Ältere, Erasmus (14), kommt jedes zweite Wochenende, der Jüngere, Benignus (11), ist oft beim Papa. „Mir fehlt hier nichts“, sagt er. Erst vor ein paar Wochen investierte Ludwig Alber mühsam ersparte 15 Euro in einen Hamster für den Buben.

Auch für den Elfjährigen waren die vergangenen Jahre hart, deshalb wollte sein Vater ihm eine Freude bereiten. „Er hätte eigentlich gerne einen Hund gehabt“, sagt Alber. „Aber der wäre zu teuer gewesen.“

Jetzt steht Weihnachten vor der Tür und Herr Alber würde seinen Söhnen gerne etwas schenken. Beide sind bei den Pfadfindern und wünschen sich eine Camping-Ausrüstung. Ein Wunsch, den ihnen ihr Vater zu gerne erfüllen würde. Wenn er denn irgend könnte. „Ich würde mein letztes Hemd für die zwei geben.“

 

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