„Ich will etwas tun“
Am Freitag endet der „Lauf gegen die Kälte“ von Liedermacher Heinz Ratz in München. Seit Ende Januar ist der Musiker unterwegs durch Deutschland, um auf die oft sehr verzweifelte Lage der Obdachlosen in Deutschland aufmerksam machen.
„Ich glaube, er ist ein verzweifelt Hoffender, der sich ins Absurde rettet, der noch grinst, wenn ihm das Wasser bis zum Hals steht, weil ihm da die besten Verse einfallen. Und er wäre nicht so kämpferisch, wenn er nicht voller Hoffnung wäre auf eine gerechtere Welt, er würde sich nicht so einmischen, wenn ihm der Zustand unserer Gesellschaft egal wäre, auch und gerade weil er das ohne Zeigefinger macht.“ Das schrieb Liedermacher Konstantin Wecker im vergangenen Jahr in einem Artikel der Musikzeitschrift „Folker“ über seinen Kollegen Heinz Ratz.
Und der bestätigt diese Zeilen derzeit mit einer außergewöhnlichen Aktion. Seit Ende Januar ist der Musiker unterwegs durch Deutschland. Zu Fuß auf einem „Lauf gegen die Kälte“. Endstation ist heute in München. Mit seinem Lauf will Heinz Ratz auf die oft sehr verzweifelte Lage der Obdachlosen in Deutschland aufmerksam machen. „Eigentlich wollte ich das schon im vergangenen machen, aber dann bin ich an Krebs erkrankt“, sagt er im AZ-Interview.
Doch seine Krankheit gab dann letztendlich den Anstoß, seine Idee auch in die Tat umzusetzen. „Im Nachdenken über mich wuchs eine Unzufriedenheit darüber, dass ich als kritischer Künstler zwar zunehmend Applaus und Lob bekomme, aber eigentlich nichts Konkretes bewirke – während unzählige Menschen in sozialen Berufen ohne jeden Applaus und völlig unterbezahlt täglich für eine menschlichere Welt arbeiten“, sagt Ratz. „Also will ich etwas tun gegen die immer härte Gangart, in die unserer materiell orientierten Gesellschaft herrscht, gegen Sozialabbau, gegen die zerstörerische Raffgier.“
Blick auf die einzelnen Schicksale
Und er will den Blick auf die einzelnen Schicksale lenken, die hinter jedem einzelnen Menschen stehen. „In jedem Leben kann es eine Anzahl von tragischen Momenten geben, die einen jeden aus dem scheinbar sicheren Leben heraus- und in eine verzweifelte Lage wie Wohnungslosigkeit hinein katapultieren können. Kein Mensch friert, oder erfriert sogar aus Lust daran oder aus Faulheit – und doch geschieht es immer wieder, auch in Deutschland. Und deshalb verdienen diejenigen, die sich dieser Menschen annehmen wie Wohnungsloseninitiativen Anerkennung und benötigen in den Zeiten wachsender Armut zunehmend Unterstützung“, sagt Ratz.
Er weiß, wovon er spricht. Er selbst lebte einmal über ein Jahr auf der Straße. „Da kamen damals viele Sachen zusammen. Ich wurde beim Zivildienst ausgemustert, war unglücklich in ein drogensüchtiges Mädchen verliebt und verlor völlig den Faden. Plötzlich fand ich mich auf der Straße wieder.“ Aber Ratz schaffte den Weg zurück. „Das lag vor allem an der Unterstützung einer guten Freundin, die mir sehr geholfen hat.“ Jetzt will er selbst denen helfen, die dazu nicht in der Lage sind. Am 24. Januar startet Heinz Ratz seinen Lauf in Dortmund, nachdem er in Kiel und Hamburg zwei Konzerte gegeben hatte.
Auch in den Städten, auf denen er während seinem Lauf Station machte, gab der Künstler mit seinem Liedermacher-Projekt Strom und Wasser, jeden Abend ein Konzert. Oftmals mit Gastmusikern wie Götz Widmann oder Christina Lux. Eintritt verlangt er dabei bewusst nicht, sondern setzt auf die Spendenbereitschaft der Besucher. „Ich wollte, dass jeder zu den Konzerten kommen kann, eben auch Obdachlose und Leute, die sich einen Eintritt einfach nicht leisten können“, sagt Ratz. „Und ich machte die Erfahrung, dass meistens die, die wenig haben, gerne spendeten, wie Hartz 4-Empfänger und Studenten, denen das Thema nahe geht.“
Unterstützung seitens der Städte war unterschiedlich
Die Unterstützung seitens der Städte, durch die sein Lauf führte, war unterschiedlich. „Einige haben viel gemacht, auch die Medien dort, einige gar nichts“, sagt Ratz. „Ganz toll war es in Bochum, Karlsruhe und vor allem in Lorsch.“ In die hessische Kleinstadt musste er ausweichen, weil er in Mannheim keine Spielstätte gefunden hatte. In insgesamt 25 Städten gastierte Heinz Ratz. Auf den einzelnen Etappen schlossen sich auch immer wieder Leute an, die in auf seinem Lauf begleiteten. „Manchmal waren wir nur zwei, manchmal über 30, das hing auch vom Wetter ab“, erzählt Ratz. „Aber wir hatten eigentlich Glück und viel Sonne.“ Dafür musste er mit anderen Schwierigkeiten kämpfen. „Ich hatte während dem Lauf eine Bronchitis, eine Knochenhautentzündung und eine Magen-Darm-Grippe.“
Trotzdem konnte er fast die gesamte Strecke, die er sich vorgenommen hatte, auch zu Fuß zurücklegen. Am Freitag, den 22. Februar, startet Heinz Ratz zur letzten kurzen Strecke von Dachau nach München. Wer mitlaufen möchte, sollte um 13 Uhr am Rathaus in der Konrad-Adenauer-Straße sein. Am Abend um 20 Uhr steht dann das letzte Konzert in der Münchner Freiheizhalle auf dem Programm. Mit dabei sind neben Heinz Ratz und seinem Projekt Strom und Wasser auch der Liedermacher Götz Widmann und als Special Guest der Deutsch-Rocker Stoppok. Auch zu diesem Konzert ist der Eintritt natürlich frei. Heinz Ratz hofft natürlich auf zahlreiche Besucher und viele Spenden.
Georg Kleesattel
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