"Ich möchte nur meine Franzi zurück!"

Eine schwer kranke Münchnerin (72) hat ihren Hund in vermeintlich gute Hände gegeben – und bekommt ihn nun nicht wieder.
von  Natalie Kettinger
Franzi, die fünfjährige Rauhaardackel-Hündin, wird von ihrer Besitzerin schmerzlich vermisst.
Franzi, die fünfjährige Rauhaardackel-Hündin, wird von ihrer Besitzerin schmerzlich vermisst. © privat

München -  Rauhaardackel Franzi ist Renate Lerchenbergers Ein und Alles, ihr „kleiner Sonnenschein“, der Freude in das Leben der krebskranken Münchnerin bringt. „Meine Mutter hängt an dem Hund wie an einem Kind“, sagt Sohn Thomas (47). Umso härter trifft es die 72-Jährige, dass die Hundesitterin, die Franzi während Renate Lerchenbergers letzten Krankenhausaufenthalts gehütet hat, sie jetzt nicht mehr herausrückt.

„Sie behauptet, sie liebt den Hund und gibt ihn deshalb nicht her“, sagt Renate Lerchenberger traurig.

Ihre Stimme zittert, als sie weiterspricht: „Ich hätte meinen Hund so gerne wieder. Meine Franzi, das ist so ein richtiger Dackel – mit so einem richtigen Dackelkopf.“ Renate Lerchenberger, die früher mehrere Großkantinen in München bewirtete, hatte schon immer ein großes Herz für Vierbeiner.

Als der Tierschutzverein einen Ferienplatz für die Hunde einer Frau aus dem Kreis Dachau suchte, war die Münchnern zur Stelle. Als bei ihr Brustkrebs diagnostiziert wurde und sie ins Krankenhaus musste, bat sie im Winter ihrerseits die Tierfreundin aus Dachau um Hilfe. „Damals lief alles perfekt. Sie hat Franzi geholt, gut versorgt und wieder gebracht“, erzählt Thomas Lerchenberger. Diesmal nicht.

Seit Montag wartet Renate Lerchenberger nun schon sehnsüchtig auf ihren Hund. „Sie sitzt nur noch auf dem Sofa, weint und ruft nach ihrer Franzi“, sagt Thomas Lerchenberger. „Franzi ist der einzige Grund, der sie noch regelmäßig aufstehen lässt. Der Hund ist eine Art Therapie für sie.“ Der Geschäftsmann aus Darmstadt möchte seine Mutter demnächst zu sich holen – natürlich mit ihrer geliebten Franzi.

Deshalb hat er die Hundesitterin wegen Unterschlagung angezeigt. Das Problem: „Wir können da nicht einfach hinfahren und der Beschuldigten den Hund wegnehmen. Da sind uns nach dem Gesetz Grenzen gesetzt“, sagt ein Sprecher der Münchner Polizei.

Tiere gelten rein rechtlich als Sachen. Werden sie unterschlagen, ist das juristisch noch kein Grund, in eine fremde Wohnung einzudringen. Vielmehr muss die Gegenseite die Möglichkeit haben, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Dann wird der Fall der Staatsanwaltschaft übergeben – und dann droht nicht selten ein langwieriger Rechtsstreit.

„Das kann zwei bis drei Monate dauern“, sagt Thomas Lerchenberger. Doch seiner Mutter läuft die Zeit davon. Der Krebs hat Metastasen gebildet. „Deshalb wäre ich ja schon zufrieden, wenn diese Frau – bis der Rechtsstreit geklärt ist – ein bis zwei Mal pro Woche mit Franzi zu meiner Mutter kommen würde. So könnten sich die beiden wenigstens sehen.“

Doch die Dachauerin zeigt wenig Verhandlungsbereitschaft. „Frau Lerchenberger hat mir den Hund überlassen“, behauptet sie im Gespräch mit der AZ.

Das bestreitet Renate Lerchenberger vehement. Und auch in ihrem Umfeld bezweifelt man diese Version. „Es gibt eine ganz klare Abmachung, dass der Hund zu ihrem Sohn kommt, wenn sie einmal nicht mehr ist. Deshalb hat sich Renate ja auch einen Dackel ausgesucht – weil das die Lieblingsrasse vom Thomas ist“, sagt etwa Hundebesitzer Severin Daniel, der Renate Lerchenberger und Franzi oft zum Spazierengehen abholt.

Franzis Tierärztin Tina Hölscher bestätigt ebenfalls: „Frau Lerchenberger hat immer gesagt, dass der Hund zum Sohn kommt, wenn ihr etwas zustößt.“ Bei einem Praxisbesuch vor knapp vier Wochen sprachen die beiden zuletzt über das Thema. „Das war kurz bevor Frau Lerchenberger wieder ins Krankenhaus musste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie seitdem ihre Meinung geändert hat“, sagt die Tiermedizinerin.

In seiner Verzweiflung hat Thomas Lerchenberger jetzt auch den Münchner Tierschutzverein eingeschaltet. Zwei Mal rückten die Tierschutzinspektoren am Donnerstag nach Dachau aus und klingelten an der Tür der Hundesitterin. Niemand öffnete. „Ich habe meiner Mutter auf dem Krankenbett versprochen, dass ich ihr die Franzi wiederbringe“, sagt Thomas Lerchenberger niedergeschlagen. „Aber ich weiß einfach nicht, was ich noch tun soll.“

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