„Ich habe ständig Angst...“

„... was mir als nächstes passiert“: Das bewegende Schicksal einer 64-Jährigen.
von  Christian Pfaffinger
Magdalena T. in ihrer Küche: Schwere Krankheiten trieben sie in die Armut.
Magdalena T. in ihrer Küche: Schwere Krankheiten trieben sie in die Armut. © Daniel von Loeper

München - Für Magdalena T. war das Jahr 2012 eine einzige Katastrophe. Zwei Schlaganfälle hatte sie damals, zweimal wurde sie operiert und dazu brach sie sich noch mehrere Knochen. Aber wenn es bloß das wäre.

An manchen Tagen kann die 64-Jährige nun gar nicht mehr aufstehen. Magdalena T. hat Jahre hinter sich, in denen sich ein Unglück an das nächste reihte. Immer mehr Krankheiten trieben sie in die Armut, aus der sie nicht wieder herauskam. Ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, wurde sie zum Sozialfall.

Dabei war ihr Leben einmal so schön, als sie 1962 nach München kam. „Ich war mit meinen Eltern aus Jugoslawien eingewandert und wohnte in Moosach“, erzählt sie. „Dort habe ich eine Ausbildung zur Verkäuferin gemacht und in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet.“ Die Arbeit macht ihr Spaß, das Leben in München gefällt ihr. Dann erkrankt sie an Tuberkulose.

Sie kann sich langsam von der Krankheit erholen. Kurz darauf verliebt sie sich, heiratet und gründet eine Familie. Insgesamt fünf Kinder bringt sie zur Welt. Aber die Ehe bricht schließlich wieder auseinander.

Magdalena T. steht nach der Scheidung alleine da, sie ist arm und braucht Sozialhilfe. Aufgeben will sie aber nicht. Sie beginnt, als Putzfrau zu arbeiten. Zuerst in einer Bank, später am Hauptbahnhof, wo sie die Toiletten reinigt, und schließlich an einem Münchner Gymnasium. Zu der Zeit setzen ihr neue Beschwerden zu: Bandscheibenprobleme und Rheuma. Doch sie beißt sich durch.

Dann geht es Schlag auf Schlag. 2001 muss sie in die Klinik, das Rheuma ist stärker geworden. „Seither werde ich mehrmals pro Jahr behandelt“, sagt sie. „Ich nehme viele Medikamente, aber vor allem bei nasskaltem Wetter halte ich es kaum aus.“ Etwa sechs Jahre später passiert das nächste Unglück. „Ich bin nachts aufgewacht und bekam keine Luft mehr, hatte Schweißausbrüche.“ Magdalena T. hat einen Herzinfarkt. Sie überlebt, fühlt sich aber danach noch schwächer.

Ein Jahr später, 2008, wird sie operiert. Die Ärzte entfernen bösartiges Gewebe aus der Lunge. „Dabei haben sie auch einen Nerv erwischt“, sagt Magdalena T. „Seither ist mein linker Oberarm taub.“

Dann kommt das Jahr 2012, das katastrophale Jahr. Im August ist sie gerade wegen des Rheumas auf Reha. „Ich lag in einem Wasserbett, das mich massieren sollte. Aber das war zu stark eingestellt. Ich hab einen schrecklichen Schmerz gespürt.“ Das Wasserbett „massierte“ sie so heftig, dass zwei Rückenwirbel brachen.

Magdalena T. kommt in eine andere Klinik, wo sie behandelt wird. Dort steht sie eines Tages im Bad ihres Zimmers, als sie zu zittern beginnt. „Ich wollte mich noch festhalten, den Schwesternruf drücken oder mich hinsetzen – aber das ging alles nicht mehr, ich konnte nicht mal mehr richtig sprechen.“ Von da an weiß sie nichts mehr.

Als sie aufwacht, sagen ihr die Ärzte, was passiert ist: Sie hatte einen Schlaganfall. Beim Sturz hat sie sich außerdem zwei Rippen gebrochen.

Bereits zwei Tage später, während sie mit ihrer Tochter telefoniert, erleidet sie einen zweiten Schlaganfall. Dann folgen auch noch Operationen.

„Ich lebe“, sagt Magdalena T. heute, „aber es geht mir schlecht.“ Teilweise kann sie nicht aus dem Bett aufstehen. „Früher war ich so sportlich, jetzt habe ich mit mancher Treppe Probleme und kann oft nur liegen“, sagt sie. „Und das mit 64, wo andere noch herumrennen wie die Jungen.“ Zwar gehe sie manchmal spazieren, mit ihrer Tochter oder einem ihrer Söhne, aber auch das ist schwer für sie.

Aus der Armut ist sie nicht mehr herausgekommen. Sie lebt von Sozialhilfe und einer mageren Rente. Ihre Wohnung teilt sie sich mit einem Untermieter. Ihr Geld reicht gerade für das tägliche Leben. Wenn etwas kaputt ist, braucht sie Hilfe.

„Mein Staubsauger geht nicht mehr, und ich kann mir keinen neuen leisten“, sagt sie. Außerdem ist ihr alter Herd zum Teil kaputt. Und auch für ein Pflegenotruf-Armband, das nur etwa 90 Euro kostet, fehlt ihr das Geld. Das Armband würde ihr helfen, sich weniger Sorgen zu machen. „Ich habe ständig Angst, was mir als nächstes passiert.“

Am liebsten, sagt sie, würde sie ja wieder arbeiten. Daheim ist es ihr oft langweilig. Dass das aber nicht mehr geht, weiß sie. Deshalb hofft sie, dass sie wenigstens nicht schon bald wieder ins Krankenhaus muss. „So schnell will ich Sie hier nicht mehr sehen!“, hat ein Arzt zuletzt im Spaß zu ihr gesagt. Sie hofft, dass sie ihm den Gefallen tun kann.

 

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