Interview

"Ich bin dann weg, da ist ein Funkloch": Bayerns Digitalminister Fabian Mehring spricht Klartext

Die AZ hat mit dem neuen bayerischen Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) über Behördengänge im Netz, unbeliebte Funkmasten und Gendern gesprochen.
Heidi Geyer, Markus Lohmüller |
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Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) in München beim AZ-Interview.
Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) in München beim AZ-Interview. © Foto: Daniel von Loeper

München - Mit seinen 34 Jahren zählt Fabian Mehring (Freie Wähler) zu den jüngeren Vertretern im Bayerischen Landtag. Seit 2018 sitzt er im Parlament, wurde im November desselben Jahres außerdem zum Parlamentarischen Geschäftsführer seiner Partei bestimmt.

Nach der Landtagswahl im Oktober folgt nun der nächste Karriereschritt für den gebürtigen Augsburger: Fortan leitet Fabian Mehring als Digitalminister die Geschicke des Freistaats entscheidend mit. Was er in seiner Amtszeit vorhat, verrät der frischgebackene Staatsminister im AZ-Interview.

AZ: Herr Mehring, mit 34 Jahren zählen Sie zu den sogenannten Digital Natives, also zu einer Generation, die mit digitalen Medien aufgewachsen ist. Gehört das in Bayern mittlerweile zum Stellenprofil eines Digitalministers?
FABIAN MEHRING: Tatsächlich herrscht in der gesamten Branche, für die wir als Ministerium verantwortlich sind, als auch im Haus selbst eine ganz besondere Machermentalität vor, die gut zur Dynamik eines jungen Politikers in Spitzenverantwortung passt. Alle sind sehr hands-on, extrem motiviert und wollen mit hohem Tempo etwas bewegen. Das entspricht auch meiner Art, Politik zu machen. Diese Stimmung will ich aufnehmen, um möglichst viel Drive für ein modernes, digitales Bayern zu erzeugen.

Von einem Drive bei der Digitalisierung in Bayern merkt man wenig, wenn man als Bürger für viele Dienstleistungen der Verwaltung immer noch aufs Amt muss.
Im bundesweiten Vergleich ist Bayern bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung schon jetzt die Nummer eins. Das zeigt das "Dashboard" des Bundes, welches die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes dokumentiert. Das Wehklagen, das man hier und da einmal wahrnimmt, ist realistisch eingeordnet also ein Klagen auf vergleichsweise hohem Niveau. Trotzdem geht freilich auch mir vieles zu langsam, sodass ich überall dort noch mehr Fahrt aufnehmen will, wo aktuell noch Luft nach oben ist.

Fabian Mehring: "Künftig soll niemand mehr persönlich auf ein Amt müssen, um etwas zu beantragen"

Wie kann das gelingen?
Meine Amtsvorgängerin Judith Gerlach hat eine ganze Reihe an Dingen erfolgreich aufs Gleis gesetzt, die ich jetzt zum Wirken bringen will. Ein Beispiel ist das Programm "Digitales Rathaus". Dabei geht es mir darum, mehr Dienste unserer bayerischen Kommunen digital anzubieten, damit die Berührungsflächen zwischen Bürger und Staat zu verbessern und durch kluge Digitalisierung Bürokratie wegzuräumen. Künftig soll etwa niemand mehr persönlich auf ein Amt müssen, um etwas zu beantragen, sondern per Push-Nachricht aufs Handy mit allen relevanten Informationen versorgt werden. Im Moment nehmen 86,5 Prozent der bayerischen Kommunen an unserem Programm hierfür teil. Das ist ein sensationeller Wert. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir in Bayern als erstes und einziges Bundesland schnell erhebliche Fortschritte auf dem Weg zu einer weitestgehend digitalen Verwaltung machen werden.

Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) in München beim AZ-Interview.
Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) in München beim AZ-Interview. © Foto: Daniel von Loeper

Sie haben bereits angekündigt, einen Schwerpunkt bei der Digitalisierung des ländlichen Raums setzen zu wollen. Was darf man da erwarten?
Ich bin zwar ein Digital Native, aber auch ein Dorfbub – aufgewachsen in einem 800-Seelen-Dörfchen. Deshalb verstehe ich mich immer auch als Stimme des ländlichen Raumes. Natürlich wollen wir in Bayern beim Thema Hightech und Spitzendigitalisierung weiterhin die bundesweite Führungsrolle übernehmen. Zeitgleich ist es mir ein Herzensanliegen, dass spürbare Alltagsdigitalisierung bei den Menschen in allen Regionen des Freistaats ankommt. Im Jahr 2023 muss der Zugang zum Digitalen, etwa Mobilfunk und Internet, eine Selbstverständlichkeit werden.

Gerade bei den genannten Beispielen hapert es aber noch oft.
Wenn Sie heute in einem Baugebiet ein Haus bauen, dann kriegen Sie in Bayern selbstverständlich einen Wasseranschluss und einen Stromanschluss. Genauso muss es in Zukunft Standard sein, dass es schnelles Internet und Handyempfang gibt. Ich weiß, dass das nicht in der alleinigen Zuständigkeit meines Hauses liegt, aber das muss unser gemeinsames Ziel sein. Als bayerischer Digitalminister sehe ich mich nicht allein in der Zuständigkeit für die Tech-Szene, sondern für 13 Millionen Menschen, die hier leben.

Digitalminister Mehring: "Ich will ein Digitalministerium 2.0 entwickeln"

Die Freien Wähler wollen Mobilfunklöcher schließen und auch Bahnstrecken mit Mobilfunk ausstatten. Zugleich wehren sich gerade im ländlichen Raum viele Menschen gegen Funkmasten. Geht das eine ohne das andere?
Ich will die Menschen mitnehmen und überzeugen. Hubert Aiwanger und ich werden dazu in engem Schulterschluss arbeiten. Wir müssen es als Flächenland Bayern schaffen, die PS der Digitalisierung auf die Straße zu kriegen, sodass davon auch der ländliche Raum profitiert. Ich will meinem Gesprächspartner auf der Fahrt aus der Bezirkshauptstadt Augsburg in die Landeshauptstadt München nicht mehr sagen müssen: "Ich bin dann jetzt weg, da ist ein Funkloch."

Für das Glasfasernetz ist in Bayern weiterhin das Finanzministerium zuständig, für das Mobilfunknetz das Wirtschaftsministerium. Wirklich viel Einfluss haben Sie als Digitalminister also nicht.
Das sehe ich anders. Mit der Digitalisierung ist mein Haus für ein Querschnittsthema zuständig, das in alle Lebensbereiche hineinwirkt. Schon als Parlamentarischer Geschäftsführer meiner Regierungsfraktion im Landtag war es meine Aufgabe, Politik mit allen Ministerien zu koordinieren. Meine Netzwerke der letzten fünf Jahre in alle Häuser hinein werde ich jetzt für meine neue Aufgabe nutzen. Für mich ist nicht entscheidend, wie viele Köpfe in unserem Ministerium sitzen oder wie viel Steuergeld von Haushaltsstellen dieses Ministeriums ausgeben wird. Für mich ist die Bedeutung unserer Aufgabe entscheidend – was das angeht, haben wir eine der bedeutendsten Aufgaben, die es im Moment in der bayerischen Politik gibt.

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Trotzdem wurde während der Koalitionsverhandlungen viel darüber spekuliert, ob das Digitalministerium nicht vielleicht aufgelöst wird und seine wenigen Kompetenzen einem anderen Ressort zugeschlagen werden.
In den Verhandlungen habe ich keinen einzigen Zeitpunkt erlebt, zu dem der Fortbestand des Digitalministeriums in Gefahr gewesen wäre. Als Mitglied des Kernteams der Freien Wähler war ich bei allen zentralen Entscheidungen dabei. Wir sollten nicht vergessen: Unser Haus ist auch ein Baby von Markus Söder. Mit der Hightech-Agenda und der Gründung des ersten und bislang einzigen Digitalministeriums in Deutschland hat er große Weitsicht bewiesen. Ich bin ihm dafür sehr dankbar und mir deshalb sicher, dass er gerade unser Ministerium besonders unterstützen wird. Über den neuen Koalitionsvertrag erhält unser Haus jetzt einen ganzen Rucksack voller neuer Aufgaben und Kompetenzen. Mit diesem Rückenwind will ich ein Digitalministerium 2.0 entwickeln, mit dem wir beim Masterthema der Digitalisierung bundesweit vorangehen.

Kaum vereidigt, nahmen Sie in der vergangenen Woche bereits an der ersten Sitzung der neu errichteten Digitalministerkonferenz der Länder teil. Was erhoffen Sie sich von dieser Institution?
Die Digitalministerkonferenz ist ein Meilenstein für die Digitalpolitik in Deutschland. Digitalisierung bekommt jetzt auch bundespolitisch das Gewicht, das sie als Masterthema unserer Zeit verdient. Wir sind jetzt auf Augenhöhe mit einer Wirtschafts-, einer Finanz- oder einer Innenministerkonferenz. Das ist die Flughöhe, die wir brauchen, um bundesweit wirklich etwas bewegen zu können.

Bayerns neuer Digitalminister: "Viele Menschen würden sehr gerne in Deutschland leben"

Der Freistaat hat federführend für alle Bundesländer eine Kampagne zur Anwerbung von IT-Fachkräften im öffentlichen Dienst entwickelt. Was kann man sich darunter vorstellen?
Auf unseren bayerischen Vorschlag setzt der Bund bei der Anwerbung von IT-Fachkräften für Deutschland sehr breit an und geht dabei weit über die Hochglanzbroschüren vergangener Tage hinaus. Es soll eine Social-Media-Kampagne in allen denkbaren Sprachen geben, eine Landingpage im digitalen Bereich und parallel dazu eine Roadshow, unter anderem an Universitäten und Hochschulen. Damit wollen wir die Werbetrommel für eine spannende Branche und unseren exzellenten Standort rühren. Daran werde ich mich auch als Minister persönlich beteiligen, weil der Wettbewerb um die besten Köpfe ein wesentlicher Erfolgsfaktor auf den Märkten von morgen sein wird.

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Bei der Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland gibt es ja gerade im IT-Bereich die Problematik, dass viele Menschen nicht nach Deutschland kommen wollen, wegen der Fremdenfeindlichkeit. Wie wollen Sie sich diesem Thema stellen?
Diese Wahrnehmung teile ich nicht. Wo immer ich im Ausland unterwegs bin, ist mein Eindruck: Verdammt viele Menschen würden sehr gerne in Deutschland leben. Und wenn ich in Deutschland unterwegs bin, habe ich den Eindruck, dass unheimlich viele Menschen gerne in Bayern leben würden. Lebensqualität, Wohlstand und Rechtsstaatlichkeit in unserer Heimat sind ein wichtiger Trumpf beim Werben um Fachkräfte auf der ganzen Welt und ein wichtiger, positiver Standortfaktor.

Freie-Wähler-Minister Mehring:  "Ich gendere, ohne dafür Sternchen zu verwenden"

Wir müssen noch über das wichtige Thema Gendern sprechen. Wie werden Sie das in Ihrem Ministerium handhaben?
Ich handhabe es so, dass ich gendere, ohne dafür Sternchen zu verwenden. Meine Mails beginnen einfach mit: "Liebe Kolleginnen und Kollegen".

Nicht immer, in Ihrer Dissertation gendern Sie mit Sternchen!
Stimmt, das war so Vorgabe bei uns am Lehrstuhl. Für die Frage einer wirklichen Gleichberechtigung, die in meiner Generation zum Glück endlich zu einer Selbstverständlichkeit wird, ist aber nicht entscheidend, wie viele Sternchen in einer E-Mail stehen. Es geht darum, dass Gleichberechtigung konkret in Alltag und Berufsleben gelebt wird. Umso mehr freut es mich, dass die knapp 200 Mitarbeiter meines Ministeriums ziemlich genau zur Hälfte weiblich sind - und das in einem technischen Ressort.

Die Chancen scheinen bei den Freien Wählern nicht so gut zu sein. Es sind nur sieben von 37 Abgeordneten Frauen. Im Kabinett sieht es, gemeinsam mit der CSU, auch nicht besser aus mit vier von 14 Kabinettsmitgliedern. Wie kommt das?
Wir Freie Wähler sind diesbezüglich besser aufgestellt als andere Parteien im Landtag. Die Parlamente sind dabei allerdings ein Spezialfall. Denn: Über die Frage, wer Mitglied des Landtags wird, entscheiden zu Recht die bayerischen Wählerinnen und Wähler. Für mich ist es ein berechtigter Vorwurf, wenn beispielsweise Wahllisten von Parteien nicht so gestaltet sind, dass Frauen und Männer auf prominenten Plätzen zur Wahl stehen. Wenn das der Fall ist, und das haben wir als Freie Wähler in meinem Verantwortungsbereich geschafft, haben jedoch die Wähler das Wort. Danach haben Parteien nicht das Recht, den Souverän in seiner Wahlentscheidung zu bevormunden. Wie viele Frauen im Landtag sitzen, entscheiden also nicht die Parteien, sondern die Menschen in Bayern. Grundsätzlich glaube ich: Es gibt längst keine Partei mehr, die bei einer engagierten und talentierten Kandidatin nein sagt, weil sie weiblich ist. Im Gegenteil: Parteien freuen sich sogar besonders über talentierte Frauen.

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