Hygiene-Skandal schlimmer: Ungeziefer bei Müller
München - Das täglich Brot gibt es weiterhin, auch an Tag Eins nach dem Hygiene-Skandal. Die 165 Münchner Filialen von Müller-Brot sind voll – mit Kunden und Ware. Frauen und Männer beißen in Croissants und Sandwiches, in der Ablage stapeln sich Brezn, Süßes, Snacks und Semmeln, und auf den Regalen hinterm Verkaufstresen liegen massige Brotlaibe aller Sorten.
Wie kann das sein, wenn Müller-Brot doch gar keine Brote mehr produzieren darf?
Seit Montag ist die Zentralbäckerei in Neufahrn (Kreis Freising) geschlossen – auf Anraten der Lebensmittelkontrolle des Landratsamts (AZ berichtete).
Jetzt wurden weitere Details zu den Mängeln bekannt: Die Prüfer haben „Schädlinge in erheblichem Umfang in den Betriebsräumen und starke Verschmutzungen bei den für die Lebensmittelherstellung eingesetzten Geräten“ festgestellt. Die Folge: ein sofortiger Produktionsstopp.
Welche Ungeziefer das sind, will das Landratsamt noch nicht sagen – nach AZ-Informationen sollen darunter auch Mehlwürmer sein.
Jetzt müssen rund 500 Mitarbeiter das Werk blitzeblank putzen – Müller-Brot steht in seiner Not aber nicht alleine da. Anfang der Woche ging ein Hilfeschrei an die Konkurrenten: Bitte, gebt uns Brot! Das Flehen wurde erhört – und zwar von einem anderen bekannten Bäcker: „Müller-Brot hat uns am Dienstag gefragt, ob wir ihnen Brot liefern können“, sagt Hofpfisterei-Marketingleiter Friedbert Förster.
Daher also die vollen Regale – in der Müller-Brot-Filiale im Sperrengeschoss am Sendlinger Tor laufe der Verkauf wie immer, heißt es. Die meisten Kunden in der Schlange wissen nicht, dass sie Backwaren der Konkurrenz kaufen. Ein entsprechendes Schild gibt es wie auch in anderen Filialen nicht. Auf den Laiben wurden auch die Brotmarken entfernt.
„Amtshilfe“ nennt Friedbert Förster diese Unterstützung. „Sie können auch Solidarität dazu sagen.“ „Stellen Sie sich vor, bei uns brennt’s. Dann könnten wir plötzlich nicht mehr backen und wären froh, wenn man uns kurzfristig helfen würde.“
Mehr Aufwand bedeute die Hilfe sowieso nicht: „Es betrifft ja nur das Mühlbach-Segment“, sagt Förster. Konkret: Die Hofpfisterei liefert – wohlgemerkt zum Einkaufspreis – die zwei Kilo schweren Sauerteigbrote der Marken „Bauern Hell“, „Sonnenblumenkernbrot“ und Weizenlaib aus.
Roggen- und Vollkornbrote kämen von „woanders“, sagt Förster, ebenso die Semmeln und die Brezn, die die Hofpfisterei gar nicht selber backe. „Ich denke mal, sie haben auch andere Firmen gefragt.“
Ob das so ist – und welche Firmen da noch mithelfen – wollte Müller-Brot nicht sagen. Ein Sprecher: „Wir arbeiten mit Partnerunternehmen zusammen. Namen kann ich in diesem Zusammenhang aber leider nicht nennen.“
Beim früheren Besitzer des Unternehmens, der Familie Müller, herrscht Entsetzen über die Vorkommnisse. Evi Müller, die Tochter des Firmengründers, weist darauf hin, dass ihre Familie nicht mehr Gesellschafter ist. „Mein Vater hätte die Bäckerei nie verkauft, wenn er gewusst hätte, wie schlecht die Firma geführt wird.“