Hygiene-Pranger: Darum werden kaum noch Verstöße gemeldet
München - Der „Hygiene-Pranger“ ist eigentlich ein Erfolg: Seit 1. September 2012 wurde er etwa 535 000 Mal besucht – das sind mehr als 2700 Zugriffe am Tag. Die Webseite auf dem Internet-Auftritt des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) Hygiene-Verstöße in Gaststätten nennt er vieles beim Namen. Auch die Wirte.
Jetzt gibt’s kaum noch was zu sehen. Im März tröpfelten drei Fälle rein – zwei aus Freising, einer aus Nürnberg. Der Tiefpunkt, seit es die „Ekel-Liste“ gibt: Im Oktober 2012 ging es richtig los, da waren es 29 Verstöße. Im November stieg die Zahl auf 40 – der Höchstwert. Dann ging’s bergab: 26 Einträge waren es im Dezember. 14 im Januar. Vier im Februar. Und jetzt drei. Was ist da los? Sind alle so reinlich geworden?
Der Hygiene-Pranger – eine Erfolgsgeschichte, die nicht weitergeschrieben wird. Er liegt de facto auf Eis. Das ist nicht nur bei uns in Bayern so: Die Stadt Trier (Rheinland-Pfalz) hat ihre Ekel-Liste vor kurzem vom Netz genommen. Anfang März hatte schon das Land Baden-Württemberg seinen Pranger auf Geheiß des Verbraucherschutzministeriums eingestellt. Auch das Münchner Kreisverwaltungsreferat stellt nach der Klage eines Wirts seit Anfang Januar nichts mehr auf die Seite. Der letzte Eintrag stammt vom 13. Dezember (AZ berichtete).
Die Wirte waren von Anfang an gegen die Liste: „In Deutschland gilt immer noch die Unschuldsvermutung. Geplant ist hier aber, jemanden an den Pranger zu stellen“, sagte Frank-Ulrich John, Sprecher des Gaststättenverbands Dehoga, vor dem Start im August 2012 in der AZ. Gastronomen würden „auf bloßen Verdacht hin“ als Schmutzfinken dargestellt. Hauptkritikpunkt: Schon kleinste Verstöße ab 350 Euro Geldstrafe würden publik gemacht – da gab sogar KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle zu: „Die sind rasch verhängt.“
In ganz Deutschland klagten betroffene Wirte gegen die Liste – und bekamen Recht. KVR-Sprecherin Daniela Schlegel kann sich jedenfalls an kein einziges Urteil pro Pranger erinnern. Das erkläre auch, warum Landratsämter und kreisfreie Städte keine Verstöße mehr publik machen: „Warum sollen Behörden das weitergeben, wenn überall Gerichte dagegen entscheiden?“
Die Richter haben am Paragraphen 40, Absatz 1a, des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches allerhand zu meckern: Einige halten Regelungen für rechtswidrig. Andere haben sogar erhebliche Zweifel, ob es mit dem EU-Recht und dem Grundgesetz konform ist. Eine Entscheidung eines höchsten Gerichts gibt es noch nicht.
Das Bayerische Umweltministerium sieht keinen Grund, zu handeln. Pläne, ihn wie in Baden-Württemberg einzustellen, gebe es nicht, sagt Sprecher Thomas Marzahn auf AZ-Anfrage. Was der Grund dafür sein könnte, dass Behörden so gut wie keine Verstöße mehr melden, will er nicht kommentieren. „Das ist Spekulation.“
Das KVR wartet weiter ab. Der Verwaltungsgerichtshof in München werde in einem Fall „in den nächsten Tagen entscheiden“, sagt Sprecherin Daniela Schlegel.
Vielleicht tut sich dann was. Bis dahin heißt es für die Verbraucher in Bayern: Klicken Sie weiter – es gibt hier nichts zu sehen.