Hungerlohn vom Subunternehmer
MÜNCHEN - Fünf Euro netto – für dieses mickrige Gehalt schufteten Bauarbeiter auf der ADAC-Baustelle oder beim Skyline Tower München.
Es müssen Szenen wie aus einem Krimi gewesen sein, die sich am Flughafen abspielten: Im letzten Moment verhinderte die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls (FKS), dass zwei türkische Bauarbeiter in ihr Heimatland zurückflogen – ohne vorher auszupacken über ihre miese Bezahlung auf Münchner Prestige-Baustellen. Das türkische Unternehmen, für das die Männer gearbeitet hatten, wollte die beiden offenkundig loswerden. Deswegen ließ es die Bauarbeiter sogar zum Flughafen begleiten. Doch der Zoll fing sie kurz vor dem Abflug ab. Das brachte den „Durchbruch“ bei den Ermittlungen, heißt es beim Hauptzollamt München.
Im Visier der Fahnder: Zwei türkische Subunternehmer – spezialisiert auf Betonstahl und Eisenflechtarbeiten– und ein deutscher Bauunternehmer. Die Tatvorwürfe: Sozialbetrug und Lohndumping im großen Stil. Die Tatorte: Die ADAC-Baustelle, der "Skyline Tower" in München und andere Baustellen in Bayern.
Bauarbeiter packten aus - und erzählten von drastischen Mindestlohn-Verstößen
Die Ermittlungen gegen die Firmen hatte der Zoll bereits 2008 aufgenommen. Doch erst jetzt gelang es, zahlreiche Bauarbeiter zu vernehmen. Sie alle hatten für eines der verdächtigten Subunternehmen gearbeitet. Sie alle berichteten von krassen Verstößen gegen die gültige Mindestlohn-Regelung. Eigentlich hätten sie neun Euro netto bekommen müssen, so FKS-Chef René Matschke. „Stattdessen sind wohl maximal fünf Euro bezahlt worden.“ Vor einigen Jahren soll die Firma ihre Angestellten sogar mit nur 3,50 Euro abgespeist haben...
Auch gegen den deutschen Auftraggeber wird ermittelt: „Wir gehen davon aus, dass er wusste, dass mit dem Geld, das er an die Subunternehmer bezahlt, keine Mindestlöhne drin sind.“ Das renommierte Unternehmen hat zum Beispiel auch beim Terminal 2 am Flughafen mitgearbeitet.
Die FKS berichtet, dass die beiden türkischen Firmen in den vergangenen fünf Jahren Aufträge im Wert von fast 40 Millionen Euro von ihrem Auftraggeber erhielten – und zwar im Rahmen von Werkverträgen. Genau durch diese Verträge wurde die FKS aufmerksam auf die Firmen. Denn: Eigentlich gibt es einen Richtsatz, wie viel an einen Subunternehmer für seine Leistung bezahlt wird. „Dieser Normalsatz war um etwa 30 Prozent unterschritten“, so Matschke.
Die Münchner Baufirma weist die Vorwürfe von sich. Sie gibt an, dass mittlerweile eines der Vertragsverhältnisse gekündigt worden sei – das andere einvernehmlich gelöst.
Die Bauarbeiter sind mittlerweile wieder in der Türkei
70 türkische Bauarbeiter sind mittlerweile wieder in der in ihrer Heimat. Seit den Ermittlungen waren ihre Löhne offenbar noch mickriger geworden. Die Rede ist von 400 bis 600 Euro Einkommen – weil die Firma, bei der sie arbeiteten, nicht mehr liquide war. Irgendwann einmal war ihnen versprochen worden, dass sie in Deutschland 1500 Euro verdienen würden. Das berichtet Oguz Lüle vom Kulturzentrum Wörthhof, der sich um die Männer kümmerte. „Sie waren sehr hoffnungslos.“ Doch einige wollen kämpfen. Eine Anwältin vertritt 24 der Männer. Sie fordert rückwirkend den Netto-Mindestlohn. Nicht nur vom Subunternehmer. Sondern vor allem vom deutschen Auftraggeber.
Julia Lenders
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