Hubertus Anrä: Neonazis im Visier

Computerkriminalität, Neonazis - wem Münchens neuer Polizeipräsident Hubertus Anrä bald alles Feuer machen will
AZ: Herr Andrä, fühlen Sie sich schon heimisch im Präsidium?
HUBERTUS ANDRÄ: Ich finde problemlos morgens zum Schreibtisch und abends auch wieder aus dem Präsidium. Ich bin hier sehr warmherzig aufgenommen worden. Mir gefällt’s sehr gut.
AZ: Was haben Sie aus ihrem Büro entfernt?
HUBERTUS ANDRÄ: Nichts, ich lasse alles wie es ist.
AZ: Was haben Sie mitgebracht?
HUBERTUS ANDRÄ: Einen Berg Akten aus dem Ministerium.
AZ: München ist die sicherste Stadt Deutschlands, da muss man nicht viel tun als Präsident, stimmt’s?
HUBERTUS ANDRÄ Genau deshalb wollte ich ja den Posten (lacht). Nein. Damit München sicher bleibt, muss man viel tun. Andernfalls wären die Vorschusslorbeeren schnell dahin.
AZ: Wie lang sind Sie im Büro?
HUBERTUS ANDRÄ: Von 8.30 Uhr bis 20 Uhr ist keine Seltenheit.
AZ: Was sagt die Gewerkschaft dazu?
HUBERTUS ANDRÄ: Das weiß die nicht.
AZ: Was packen Sie als erstes an?
HUBERTUS ANDRÄ: Momentan befinde ich mich in der Orientierungsphase. Wo nachjustiert werden muss, wird sich zeigen. Insgesamt ist die Polizeiarbeit in der Stadt sehr erfolgreich.
AZ: Internetkriminalität hat hohe Zuwachsraten – wird das ein Schwerpunkt?
HUBERTUS ANDRÄ: Mit Sicherheit ist das ein Topthema. Computer sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Das macht es den Tätern leicht. Sie können aus dem Verborgenen agieren, ohne dem Opfer persönlich gegenüber treten zu müssen. Die Wege im Netz lassen sich verschleiern, und man kann die Straftaten von weit entfernt begehen, was die Ermittlungen zusätzlich erschwert.
AZ: Wie machen das Ihre Kollegen mit den älteren Computern im Präsidium?
HUBERTUS ANDRÄ: Die Spezialisten bei uns haben das nötige Equipment. Das ist ein ständiges Wettrüsten. Wir haben eine sehr gute EDV-Ausrüstung, und nicht jede kleine Dienststelle braucht die neueste Technik.
AZ: Ein weiteres Thema sind die Vorwürfe gegen einen Beamten der PI 21, der eine gefesselte Frau geschlagen hat. Wie geht es da weiter?
HUBERTUS ANDRÄ: Der Prozess gegen den Beamten beginnt nächste Woche. Da muss man das Urteil abwarten. Generell muss unser Ziel sein, Konflikte verbal zu lösen. Darauf wird bei Aus- und Fortbildung der Beamten viel Zeit verwendet. Das schließt aber nicht gänzlich aus, dass ein Beamter in einer Situation über das hinausgeht, was rechtlich zulässig ist.
AZ: Auch im Fall aus der Au?
HUBERTUS ANDRÄ: Der Sachverhalt muss lückenlos aufgeklärt werden, mit den entsprechenden strafrechtlich- und dienstrechtlichen Konsequenzen. Wir sind uns bewusst, dass auch ein Einzelfall den Ruf der Polizei schädigen kann.
AZ: Wäre es demnach nicht an der Zeit, sich bei der geschlagenen Frau zu entschuldigen?
HUBERTUS ANDRÄ: Wir warten das Gerichtsverfahren ab, dann werden wir entscheiden, was weiter zu tun ist.
AZ: In den Medien wurde das Präsidium und Ihr Vorgänger heftig kritisiert.
HUBERTUS ANDRÄ: Da sind ein paar Schlagzeilen und Berichte dabei, die mit dem Pressekodex nicht vereinbar sind. Wenn man die Beamten als Prügel-Polizisten bezeichnet, wird das der Thematik nicht gerecht.
AZ: Aber der Polizist hat nie bestritten, dass er zugeschlagen hat.
HUBERTUS ANDRÄ: Man darf einen bedauerlichen Einzelfall nicht verallgemeinern. Wir haben täglich über 1000 Einsätze. Da kann man nicht so tun, als sei die Münchner Polizei eine prügelnde Polizei.
AZ: Wie reagieren Ihre Leute auf solche Vorwürfe?
HUBERTUS ANDRÄ: Es gibt Fälle, in denen Polizisten bereits beschimpft wurden und man ihnen unterstellt: „Bist auch einer von der Prügel-Truppe.“ Das sind Dinge, die einem Polizisten an die Nieren gehen.
AZ: Berichte über Polizeigewalt gab es auch in Berlin und Hamburg. Was läuft schief zwischen Bürger und Polizei?
HUBERTUS ANDRÄ: Das Miteinander ist komplizierter und schwieriger geworden. Das ist ein Phänomen, dass man mittlerweile nicht nur in Großstädten, sondern auch auf dem Land beobachten kann.
AZ: Stichwort Opferschutz, was könnte die Polizei besser machen?
HUBERTUS ANDRÄ: Gerade bei Kapitaldelikten muss man dem Opfer erklären, warum die Polizei bei den Ermittlungen so vorgeht, warum es beispielsweise notwendig ist, das persönliche Umfeld abzuklären oder eine DNA-Probe zu nehmen. Ein wesentlicher Punkt ist, dass man sich als Polizist die Opfersituation bewusst macht und versucht, sein eigenes Vorgehen zu erklären.
AZ: Die tödliche Messerattacke auf einen Ingenieur an der Isar hat die Münchner besonders bewegt, die Unruhe im dortigen Viertel ist groß.
HUBERTUS ANDRÄ: Solche Verbrechen sind selbst bei noch so großer Polizeipräsenz nicht zu verhindern. Wir setzen alles daran, derartige Straftaten aufzuklären. Da ist momentan sehr viel Personal und auch sehr viel Technik im Einsatz.
AZ: Was uns zum Thema Vorratsdatenspeicherung führt. Beneiden Sie die Amerikaner um ihre Möglichkeiten, würden Sie gerne bei der NSA anrufen?
HUBERTUS ANDRÄ: Das wäre der falsche Weg. Selbstverständlich dürfen wir bei alltäglichen Dingen nicht die Erkenntnisse ausländischer Dienste nützen. Bei der Nutzung der Vorratsdatenspeicherung muss es um konkrete Straftaten gehen. Darüber hinaus sind richterliche Beschlüsse notwendig. Allgemein bestimmt das Parlament, welche Befugnisse die Polizei hat. Wenn dadurch Sicherheitslücken entstehen, muss die Verantwortung dafür der Gesetzgeber tragen. Das muss man aber auch ehrlich eingestehen, dass die persönliche Freiheit von Daten manchen wichtiger ist als der Sicherheitsaspekt.
AZ: In München haben wir eine auffällig aktive rechte Szene. Wie wollen Sie mit dem Problem umgehen?
HUBERTUS ANDRÄ: Ein wichtiger Schritt ist, dass der NSU-Prozess störungsfrei stattfinden kann. Deshalb sind wir mit großem Personaleinsatz engagiert. Die Angehörigen haben ein Recht darauf, die Hintergründe der Mordserie zu erfahren, warum Vater, Bruder, Ehemann erschossen wurden.
AZ: Und die örtliche Szene?
HUBERTUS ANDRÄ: Da ist die Marschroute klar. Wir kümmern uns um die Szene, insbesondere um die Führungsköpfe. Wir werden den Druck entsprechend erhöhen. Sie sollen wissen, dass wir sie kennen und wissen, wer zur Szene gehört.
AZ: Fünf kurze Fragen zum Schluss.
Sie waren im Innenministerium und sind jetzt wieder im Polizeidienst. Was gefällt Ihnen besser?
HUBERTUS ANDRÄ: Die Zeit im Ministerium war toll. Ich war bei Auslandsdienstreisen dabei, durfte eine Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht verfolgen. Jetzt macht es mir mehr Spaß, als Polizist die Luft auf Münchens Straßen zu schnuppern. Deshalb bin ich froh, dass ich den Job als Polizeipräsident bekommen habe.
AZ: Wann haben Sie zuletzt geschossen und mit welchem Ergebnis?
HUBERTUS ANDRÄ: Vor etwa eineinhalb Jahren war ich zuletzt auf der Schießbahn. Mit dem Ergebnis war ich zufrieden. Und ihr Ausbilder? Der war es auch.
AZ: Was an Ihrer Ausrüstung würden Sie gerne wegwerfen?
HUBERTUS ANDRÄ: Die Jeans – die macht eine unmögliche Figur.
AZ: Welche technische Neuerung der letzten Jahre würden Sie gerne verschwinden lassen?
HUBERTUS ANDRÄ: Smartphones. Ständig wird man mit einer Fülle von Nachrichten überschwemmt. Vieles aus dieser Informationsflut ist schlicht unnütz und überflüssig.
AZ: Wen würden Sie gerne persönlich festnehmen?
HUBERTUS ANDRÄ: Einen der Hintermänner der Enkeltrickbetrüger-Banden. Die nützen die Gutgläubigkeit von Senioren schamlos aus und verschwinden oft mit den Ersparnissen eines ganzen Lebens.
AZ: Und privat?
HUBERTUS ANDRÄ: Da hab ich keinen im Visier, noch komme ich mit allen in der Stadt gut aus.