Hoteldieb: Reue nach 40 Jahren

Päckchen aus Übersee: In den 60er Jahren hat ein Gast des Hotels „Vier Jahreszeiten” eine lederne Schreibmappe mitgehen lassen – und sie jetzt zurück geschickt: „I am sorry”
MÜNCHEN Manche Diebe sind stolz auf ihre Gaunereien, manche verdrängen sie, manche plagt ihr schlechtes Gewissen Jahre lang. Vielleicht war das ja auch bei diesem reuigen Sünder der Fall: Ein Herr aus Amerika hat jetzt eine Schreibmappe zurückgeschickt, die er vor mehr als vier Jahrzehnten im Münchner „Vier Jahreszeiten” hat mitgehen lassen.
Das Päckchen aus Übersee war an niemand Konkreten adressiert und landete deshalb bei der Warenannahme des Luxushotels. Ein Mitarbeiter öffnete das Kuvert und zog eine Schreibmappe heraus, wie sie in den 60er Jahren in sämtlichen Zimmern ausgelegen hatte: ein grüner Umschlag mit Luftpost-Briefpapier und Postkarten, auf denen das berühmte Hotel an der Maximilianstraße zu sehen ist. „Auf der Mappe war mit Tesa ein handgeschriebenes Zettelchen befestigt”, erzählt Pressesprecherin Carolin Grove. Die Aufschrift: „I stole this 40 years ago. I am sorry.” Zu Deutsch: „Ich habe das vor 40 Jahren gestohlen. Es tut mir leid.”
Auf dem Kuvert sind als Absender ein Name und eine Adresse aus Paducah in Kentucky vermerkt. „Aber ich konnte den Betreffenden weder über die Auslandsauskunft noch über das Internet finden”, sagt Carolin Grove.
Otto Walterspiel (85), dessen Familie das „Vier Jahreszeiten” bis 1970 gehörte, ist gerührt: „Es kommt in jedem Hotel vor, dass jemand etwas aus Versehen einpackt und es dann zurückschickt – aber so etwas...” Walterspiels Vater Otto und sein Onkel Alfred hatten das Hotel 1926 gekauft. Nach ihnen führten zwei von Alfreds Söhnen die noble Adresse. „Zu ihrer Zeit muss der Herr wohl Gast gewesen sein”, sagt Otto Walterspiel – und erzählt mit einem Augenzwinkern, dass die Versicherung des Hotels in den frühen Jahren vor allem für Strümpfe aufkommen musste: „Es haben sich damals unglaublich viele Damen ihre Seidenstrümpfe an den Hotelstühlen zerrissen.”
Seitdem hat sich übrigens wenig geändert. Bis heute verschwinden aus dem „Vier Jahreszeiten” jährlich tausende Kugelschreiber, bis zu 300 Bademäntel und 20 bis 30 Briefmappen. Ganz oben auf der Liste der begehrtesten Diebesgüter standen einst die Porzellan-Aschenbecher mit dem Logo des Hotels – 500 Stück davon wurden jedes Jahr geklaut.
Erst als das Rauchen in den meisten Zimmern verboten wurde, ging die Zahl deutlich zurück.