Hospizverein-Leiterin: Niemand soll alleine sterben
München - Als Leiterin des Hospizdienstes Dasein bin ich mit Krankheit, Sterben und dem Tod vertraut – auch vor der Corona-Krise. Wir betreuen Menschen, deren Leben zu Ende geht und begleiten sie, lindern Symptome und sprechen Trost zu. Durch Corona haben sich weder die Nöte noch die Bedürfnisse der Sterbenden verändert.
Aber unsere Arbeitsweise mussten wir anpassen. Unser Team aus Ärzten und Pflegern ist immer noch 24 Stunden erreichbar und versorgt Patienten.
Menschen in Pflegeheimen sind noch einsamer
Absprachen sind komplizierter. Normalerweise haben wir jeden Tag eine Besprechung, bei der sich unsere Mitarbeiter auf den neuesten Stand bringen. Das ist in Zeiten von Corona nicht möglich. Videokonferenzen können den Austausch nur unzureichend ersetzen.
Schwieriger ist es für unsere ehrenamtlichen Hospizbegleiter. Sie unterstützen Patienten bei Besorgungen, sitzen bei ihnen, nehmen sich Zeit für Gespräche und hören sich Ängste und Sorgen an. Seit Corona sind die Menschen in Pflegeheimen noch einsamer, da keiner zu Besuch kommen darf – auch nicht unsere Ehrenamtlichen.
Niemand soll wegen Corona einsam sterben
Aktiv sind sie noch bei alleinstehenden Patienten, die zu Hause leben. Wir sind froh, dass hier zusammen mit dem Gesundheitsministerium eine Lösung gefunden wurde. Viele ältere Menschen haben keine Angehörigen, niemanden der sich – über das Medizinische hinaus – um sie kümmert. Hier dürfen ehrenamtliche Hospizbegleiterinnen trotz der Kontaktbeschränkungen in Ausnahmefällen weiter zu den schwer kranken Menschen nach Hause kommen.
Niemand soll wegen Corona einsam sterben. Wir lassen unsere Patienten nicht allein. Zugleich müssen wir darauf achten, dass wir uns nicht anstecken. Schutzkleidung wäre eine große Hilfe – doch es gibt keine. Auch wir als medizinischer Dienst leiden unter dem Mangel. Doch deswegen unsere Arbeit einzustellen, stand nie zur Debatte.
Derzeit geht es darum, Menschen weiterhin zu helfen
Ich bin stolz, dass unsere Haupt- und Ehrenamtlichen trotz eigener Ansteckungsgefahr aktiv sind. Unsere Arbeit lebt davon, dass wir für Menschen "da sind". Das sind wir trotz Corona. Vieles wäre für unserer Patienten einfacher, wenn wir sie in einem stationären Hospiz betreuen könnten. Das ist unser Vorhaben, das wir trotz Corona vorantreiben. Irgendwann werden wir die Krise überstanden haben – dafür müssen wir planen.
Das Hospiz soll Bewohnern ermöglichen, am Leben teilzunehmen. Dafür suchen wir ein Grundstück oder Gebäude – und sind auf Spender angewiesen. Doch das Projekt steht gerade nicht im Zentrum unserer Arbeit. Derzeit geht es darum, Menschen weiterhin zu helfen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Sterben nur in Zahlen wahrgenommen wird. Wir müssen hinter Statistiken blicken, auf die Menschen.
Das Leid und der Unterstützungsbedarf werden nicht kleiner, weil über Corona berichtet wird. Der Mensch und seine Bedürfnisse: Darum müssen wir uns kümmern.
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