Holzbau als Megatrend: Münchens Stückerl Skandinavien

München - Es rumpelt in Neuhausen. Der Abrissbagger zerrupft gerade krachend und quietschend das ausgediente Parkhaus in der Rupprechtstraße 22 - nächste Woche wird die angrenzende frühere Spengler-Innung an der Gabrielenstraße 3 zerlegt.
"Der ganze Beton wird zermahlen und recycelt, der Stahl eingeschmolzen", erklärt Alexander Sälzle. Der Projektleiter bei Bauwerk führt über die Baustelle. Hier soll im nächsten Jahr eine Art ökologisches Musterhaus errichtet werden: Der Bauherr strebt die anerkannte Umwelt-Zertifizierung "LEED Gold" an.
" Vinzent": Holzhybrid-Gebäude für Wohnen und Büro in Neuhausen
Getreu dem Prinzip: "Abfall ist nur Rohstoff am falschen Platz", wie Tristan Horx vom Zukunftsinstitut gestern bei der Vorstellung des Bauvorhabens erläutert: "Durch die Corona-Krise haben Themen wie Ökologie, Regionalisierung und New Work (z. dt. das neue Arbeiten, Anm. d. Red.) einen Turbo bekommen", sagt der Zukunftsforscher. Sein Beispiel für umweltfreundliches und spannendes Bauen in München ist das Projekt mit Namen Vinzent: Bauwerk errichtet das neue Holzhybrid-Gebäude für Wohnen und Büro in Neuhausen - mit 25 Prozent Holz.

Seine Holzfassade werde "etwas mit der Stadt machen", so die Idee. Die Optik lässt an Skandinavien denken: Taubenblau und Tannengrün hat der Architekt als Farbe für den Anstrich ausgesucht, dazu kommen Ornamente. "Wir haben hier die Chance, einen Stadtraum zu schaffen, in dem wir uns wohlfühlen. Es gibt den Bedarf empathischer, angenehmer und schöner zu wohnen", sagt Architekt Ludwig Wappner. Aus seinem Büro in Neuhausen stammt der Entwurf für das 3.300 Quadratmeter große Grundstück im St.-Vinzent-Viertel.
Holz aus Bayern und Europa
Architekt Wappner kommt ursprünglich aus Franken. Mit Fachwerkarchitektur ist er aufgewachsen. Mit Holz will er arbeiten. "Meine Studierenden sind seit drei Jahren voll im Holzbau drin. Das ist ein Megatrend und komplexer, als eine Betonbude zu gießen", findet Wappner, Professor an der Universität Karlsruhe.

Der Baustoff Holz gilt als ökologisch: Jeder Kubikmeter Holz entzieht der Atmosphäre eine Tonne klimaschädliches CO2. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und spart zudem das CO2, das bei der Produktion von Beton benötigt wird. Aus Bayern und Europa soll das hier benötigte Buchen-, Fichten- und Tannenholz kommen.
Die Vorteile der grünen Fassaden
Ludwig Wappner ist geradezu beseelt vom Thema "städtisches Grün" und dem Zukunftsfeld "grüne Fassaden": So eine grüne Außenhaut aus Pflanzen bringe Kühle. Sie bindet Feinstaub, bringt die Natur und Lebensqualität in die Stadt. Das Problem am Fassadengrün ist meist der große Pflegeaufwand. Die Firma GKR Hydro aus München hat jedoch ein neues Konzept für Pflanzkästen entwickelt: An der Fassade des Vinzent schafft sie damit 100 Quadratmeter zusätzliches Grün - mit Pflanzen in einer schwebenden Konstruktion. "Unsere selbstversorgenden Pflanzsysteme brauchen kaum Pflege. Den Wasserverbrauch können wir um 80 Prozent reduzieren", erklärt Tobias Fürst von GKR Hydro.
Die 8.000 Kubikmeter Betonbruch von der Baustelle werden aufbereitet, um im Straßenbau wiederverwendet zu werden. Die Badmöblierung der 56 Wohnungen und der Büroplätze (für 400 Mitarbeiter) stammen von Herstellern, die auf Wiederverwertung setzen. 2024 soll das Haus fertig sein.