Holz-Leute in der Altstadt: Glücklich auf dem Holzweg im ältesten kleinen Geschäft Münchens

München - Utensilien, die schon fast verschwunden sind – Holz-Leute am Viktualienmarkt hat sie. So wie Tischbesen für die Brösel. Es gibt handgesägte Kämme aus Ebenholz oder Bauchpinsel aus Rosshaar – als Gag und als Geschenk. "Viele Produkte sind heutzutage Raritäten, da alte Fertigkeiten und Techniken vom Aussterben bedroht sind", erklärt Stephanie Strobl (54), die den Laden mit ihrem Bruder Florian Fackler (51) führt.
Ältester kleiner Laden in der Altstadt von München: Alles aus Holz
Das Geschäft am Beginn der Metzgerzeile gehört für viele Münchner fest ins Stadtbild. Der Familienbetrieb hat 20 Mitarbeiter und steht für Handwerkskunst aus Holz: geschwungene Schalen, Kerzenständer, Schachbretter, exklusive Messer, Billard-Queues – und hölzerner Weihnachtsschmuck aus dem Erzgebirge.


"Zu uns kommt die ganze Welt. 50 Prozent sind Touristen. Die US-Amerikaner fliegen auf das Weihnachtliche", erklärt Christine Österle-Fackler. Sie hat das Geschäft vor 40 Jahren gekauft, inzwischen aber an ihre Kinder übergeben. Mit 84 Jahren steht sie noch häufig im Laden und berät Kunden.
Handgemachtes aus Holz in München: "Amerikaner fliegen auf das Weihnachtliche"
Im Untergeschoss der insgesamt 100 Quadratmeter tut sich die wunderliche Welt der Bürsten auf: Pilzbürste, Wandbürste, Cockpitbürste, Tastaturbürste. Eine Gesichtsbürste aus feinem Ziegenhaar und eine aus dem Mähnenhaar vom Pferd: "Es ist spannend. Amerikaner sind fasziniert, wenn sie die unterschiedlichen Bürstenformen und Funktionen sehen: That's so german!" Es stimmt: In anderen Ländern gibt es so ein Bürstensortiment nicht. Für die optimale Haarbürste nimmt man übrigens Wildschweinborsten. Das hat Tradition.

So begann die lange Geschichte von Holz-Leute: 1873 eröffnete Drechslermeister Josef Leitl eine Holzwaren-Handlung im Tal, wo heute die Stadtsparkasse ist. Er verkaufte seine Holzteller, Holzbretter, Kochlöffel, Leitern und Kegelspiele. Seine Werkstatt hatte er in der Rumfordstraße.
Eine Holzleiter aus dieser Zeit ist noch in der Familie: "Wenn ich daheim oben an mein Bücherregal gehe, hole ich die Leiter, die der Leitl gemacht hat. Sie ist leicht und sowas von bequem, von der fällt man nicht", schwärmt Mutter Christine Österle-Fackler, die aus einer Schreiner-Familie stammt.

Liebe zum Holz: Holz-Leute will "Altes bewahren, ohne in der Vergangenheit stehenzubleiben"
Sie ist überzeugt: Wenn man es richtig behandelt, lebt Holz ewig. "Die Liebe zum Holz ist es. Die Schönheit von Holz nimmt mich gefangen. Nussbaum ist mein liebstes von der Maserung her", sagt sie.
Tochter Stephanie Strobl hat nach einer Schreinerlehre Architektur studiert. Neben Einkauf und Online-Shop ist sie zuständig für Produktentwicklung, und designt Zeitloses aus Holz, wie Vasen, Schalen oder für das Jubiläum das Intarsien-Brettspiel "Ab nach Hause".


Der Kreativen ist wichtig: "Wir bewahren Altes, ohne in der Vergangenheit stehenzubleiben. Wir kreieren Neues, ohne die Wurzeln zu vergessen." Ihr Bruder ist Experte für Messer und Schach und kümmert sich um das Kaufmännische.
Holz aus Deutschland und Europa: "Alles ist teurer geworden"
Manch Kunde zuckt im Laden zwischen Viktualienmarkt und Marienplatz etwas zusammen, wenn er auf die Preisschilder schaut. Stephanie Strobl rechtfertigt sich: "Alles ist teurer geworden. Doch wir sind keine Apotheke." Die preisliche Bandbreite sei groß. Es gibt extra Jubiläumseditionen. 32 Schachfiguren kosten zum Beispiel zwischen 34,90 Euro und 260 Euro.
Ein klassisches Schneidebrett von Holz-Leute ist feinporig, solide und aus Ahorn, gefertigt in der Umgebung von München. Im Gegensatz zum Bambusbrett aus Fernost, das Baumarkt oder Dekoladen anbieten. Dass sie direkt einkaufen in Deutschland und Europa, ohne Zwischenhändler, ist Teil der Holz-Leute-Philosophie.

Die Holz-Leiter des Münchner Drechslermeisters Josef Leitl hat mehr als 100 Jahre überdauert. "Sorgfältig hergestellte Dinge aus Holz" zu benutzen, sagen die Geschäftsinhaber, damit "stemmt man sich auch ein bisschen gegen die Schnelllebigkeit der Zeit".