Hollywood liegt mitten in München
Hollywood liegt auch in München – Die Landeshauptstadt ist deutschlandweit die Nummer zwei für Film- und Seriensynchronisationen.
München - "Orks, überall Orks! Frodo – bringe Dich in Sicherheit. Lauf schnell! Ich werde sie aufhalten", ruft Aragorn im ersten Teil der „Herr der Ringe“-Trilogie dem Hobbit Frodo zu, bevor er sich der bösen Meute entgegenwirft. So gut wie jeder Fan kennt diese Szene, doch nur wenige wissen, wer diese Worte auf Deutsch ruft: Es ist der Schauspieler Jacques Breuer. Wie viele andere Darsteller arbeitet er nebenbei als Synchronsprecher – und zwar in München.
Knapp 20 Synchronisationsstudios in München
Denn die bayerische Landeshauptstadt hat sich längst hinter Berlin als Nummer zwei für Film- und Seriensynchronisationen in Deutschland etabliert. An Aufträgen mangelt es der Synchronbranche nicht. Denn seit einigen Jahren wird der deutschsprachige Fernsehmarkt geradezu überflutet von ausländischen Serien und Filmen. Und ständig werden es mehr. Da überrascht es kaum, dass es hierzulande viele Synchronstudios gibt. „Allein in München sind es knapp 20“, sagt Breuer. Die meisten Studios sind zwar in Berlin angesiedelt, doch München liegt bei den Produktionen gleich dahinter.
Für die Rolle des Aragorn wurde Jacques Breuer von Star-Regisseur Peter Jackson persönlich besetzt. Der Neuseeländer hörte sich mehrere Sprecher an und war schließlich von Breuers Stimme und Authentizität begeistert. „Wir mussten beim Casting jeweils eine Kampfszene und eine Sprechszene spielen“, erinnert sich der 55-Jährige und ergänzt: „Die Rolle des Aragorn war ein echter Clou für mich.“ Denn seit der Trilogie ist er der Stammsprecher des amerikanischen Aragorn-Darstellers Viggo Mortensen geworden und lieh ihm auch für spätere Blockbuster („Tödliche Versprechen“, „Hidalgo“) seine Stimme.
Breuer ist den meisten TV-Zuschauern eher bekannt aus Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen. Genau wie sein zehn Jahre jüngerer Bruder Pascal. Er ist der Stammsprecher von „Bollywood“-Star Shah Rukh Khan („My Name Is Khan“). „Sobald ein Schauspieler seine Stimme verliert und er synchronisiert werden muss, verliert er automatisch auch die Hälfte seiner Persönlichkeit“, sagt Pascal Breuer. „Und eben diese sprachlichen Gefühle dem Schauspieler wieder einzuhauchen, ist unsere Aufgabe.“
Andererseits haben Rollen durch ihre deutsche Synchronstimme auch schon gewonnen. Bestes Beispiel dafür ist der Außerirdische „Alf“ aus der gleichnamigen US-Serie der 1980er Jahre, dessen deutsche Stimme von Thomas Piper selbst bei US-Fans besser ankam als das Original.
Wichtige Einnahmequelle für Schauspieler
Für die Sprecher ist das Synchronisieren zugleich ein gutes Stimm- und Sprachtraining, vor allem aber ein wichtiges Standbein in der Branche. Denn nur wenige Darsteller werden so häufig für Filmrollen besetzt oder verdienen so gute Gagen, dass es zum Lebensunterhalt reicht. Die meisten brauchen das Synchronisieren als wichtige Einnahmequelle. Allerdings werden Synchronsprecher häufig unterschätzt, meist gar nicht wahrgenommen. Der Ruhm der Hollywoodstars, denen sie ihre Stimme leihen, läuft an ihnen größtenteils vorbei.
Nur einige deutschsprachige Sprecher wie etwa Arne Elsholtz (Tom Hanks), Frank Glaubrecht (Pierce Brosnan, Al Pacino, Jeremy Irons), Christian Brückner (Robert De Niro) oder Irina von Bentheim (Sarah Jessica Parker) haben Promi-Status erreicht. Bestimmt werden die Sprecher meist von den Verleihen oder den Produktionsfirmen. Keanu Reeves („Matrix“) oder Michael Douglas („Wallstreet“) besetzen ihre Stimm-Doubles indes noch selbst.
In der Regel ist ein 90 Minuten langer Film nach drei bis fünf Tagen synchronisiert. Das verlangt allerhöchste Konzentration. „Einerseits muss man seine Emotionalität laufen lassen, anderseits ist man in ein ganz enges technisches Korsett gezwängt. Als Filmschauspieler ist man viel freier. Da spielt man nur seine Rolle“, erläutert Jacques Brauer. Die ständigen Wiederholungen bis alles passt, gehen selbst Profisprechern an die Substanz. „Manchmal komme ich abends nach Hause und mag gar nichts mehr sehen oder hören. Ich sehe dann nur noch, ob sich die Lippen von meiner Frau bewegen oder nicht“, sagt sein Bruder Pascal und lacht. „Was sie zu mir sagt, verstehe ich nicht mehr.“