Hör mal was da piept: Kennen Sie die Münchner Stadtvögel?

Was für Menschen gilt, betrifft auch Vögel: Landflucht. Immer mehr Vögel hat es in die Stadt gezogen. Doch dort sind sie nun ebenfalls in Gefahr.
von  Marie Heßlinger
Buchfink-Weibchen (Fringilla coelebs) sitzt auf einem mit Flechten bedeckten Zweig.
Buchfink-Weibchen (Fringilla coelebs) sitzt auf einem mit Flechten bedeckten Zweig. © Imago/Imagebroker

München - Vor rund 150 Jahren gab es weniger Vögel in der Stadt als heute: Die Amsel, früher ein scheues Wesen, versteckte sich in dunklen Wäldern. Heute begleitet ihr Lied so manchen Frühaufsteher auf dem Weg zur U-Bahn. Selbst im Winter bleibt sie hier, anstatt in Richtung Süden zu ziehen.

Ähnlich der Mauersegler, der immerzu fliegt, selbst im Schlaf, und nur zum Brüten an Land kommt: Früher nistete er an rauen Felsen, heute an Hauswänden. Doch so vorteilhaft das Leben in der Stadt manchen Vogelarten erscheinen mag: Es ist immer mehr in Gefahr. Auf dem Land sind ihre Überlebenschancen aber noch geringer.

Für Spatzen wird es in der Stadt immer schwerer

Früher nutzen viele Vögel Gebüsche an Feldrändern zum Brüten. Nahrungsgrundlage waren Insekten, die sich auf wilden Wiesenstreifen und brachliegenden Ländereien entfalten konnten. Mit dem Einsatz von Pestiziden und dem Mähen aller Wildwiesen und Sträucher verloren sie ihre Lebensgrundlage.

Ein Beispiel hierfür sind Krähen: "Wenn sie die Wahl hätten, würden sie vermutlich nicht unbedingt in die Stadt kommen", sagt Ornithologin Sophia Engel vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). Heute sind Krähen, zusammen mit Tauben, jene Vögel, die sich in Städten immer mehr ausbreiten. Anderen Arten hingegen wird das Leben in der Stadt immer schwerer gemacht. Besonders bedroht sind Spatzen.

Ein Haussperling, auch Spatz genannt, sitzt auf einem dornigen Zweig.
Ein Haussperling, auch Spatz genannt, sitzt auf einem dornigen Zweig. © IMAGO / Wassilis Aswestopoulos

Spatzen, auch Haussperlinge genannt, haben ein reges Sozialleben. Sie sind stets in Gruppen unterwegs. "Ein Spatz ist kein Spatz", sagt Vogel-Expertin Engel: Anders als andere Vogelarten brüten sie sogar in nächster Nachbarschaft zueinander. Deshalb brauchen sie große Hecken, Versammlungsgehölze und Nahrung auf engem Raum.

Doch Hecken und Sträucher gibt es in München immer weniger.

Auch die Vögel leiden unter der Corona-Pandemie

"In den Städten kommen zunehmend Probleme auf", sagt Engel. "Jedes Grün wird halbiert, jeder Garten geviertelt." Hinzu kommt, dass viele Gartenbesitzer aufgeräumte Rasenstreifen und Steinkunst anstelle von Sträuchern und Insektenhotels mögen.

Übrig bleiben für viele Vögel dann nur Hecken und Bäume in Friedhöfen und Parks. Corona macht ihnen das Leben in den Parks allerdings schwer: Menschenmassen bevölkern ihre Brutreviere, Hunde schrecken sie auf, und die Lautstärke ist so hoch, dass sie schlechter miteinander kommunizieren können. Dabei hat das Singen gerade in der Frühlingszeit eine große Bedeutung für sie.

Jedes Jahr im Frühling suchen sich die Männchen der meisten Vogelarten ein Revier und beginnen zu singen. Damit signalisieren sie den Weibchen: "Ich bin hier, du bist willkommen", und den anderen Männchen: "Dieses Revier ist besetzt." Bei besonders begehrten Revieren kann es zu Gesangsduellen kommen: Je lauter ein Männchen singt, desto kräftiger ist sein Körper. Bleibt das Gesangsduell ergebnislos, kommt es zum Kampf.

Hat ein Vogelweibchen zu einem Männchen gefunden und das Wetter ist gut, beginnt das Paar mit dem Nestbau. Wenige Wochen später schlüpft sein Nachwuchs. Eigentlich können Vögel viele Jahre alt werden, doch wenige überleben das erste Lebensjahr. Manche Paare brüten deshalb mehrmals im Jahr.

So kann man Jungvögeln helfen

Unfälle mit Autos und Fensterscheiben zählen zu den häufigsten Todesursachen vieler Vögel in der Stadt. Eine weitaus umfassendere Bedrohung jedoch ist, dass sie - ebenso wie auf dem Land - ihre Nahrungsgrundlage verlieren: Es gibt immer weniger Insekten.

Das Füttern von Vögeln mit Körnern und Meisenknödeln ist zwar ein guter "Snack für die Eltern", wie Engel es nennt. "Aber das ist nichts, wo man sagt: Damit ist die Vogelwelt gerettet." Denn Jungvögel können nur Raupen, Spinnen und andere Insekten essen. Eine größere Hilfe ist es also, Lebensräume für Insekten zu schaffen. Möglichkeiten hierfür gibt es viele.

Wer einen Garten hat, kann insektenfreundliche Sträucher pflanzen: Holunder, Wildrosen oder Efeu zum Beispiel. In Weißdorn und Schlehe können sich Vögel verstecken und Beeren picken. Wer seine Hecken von März bis Oktober nicht schneidet und für Sträucher in Bodennähe sowie ungestörte Ecken sorgt, hilft Singvögeln zudem ungemein.

Einen großen langfristigen Einfluss können Menschen auf einer anderen Ebene nehmen, und zwar auch ohne Garten: Wenn weniger Pestizide eingesetzt werden und mehr Insekten überleben, helfe das den Vögeln "massiv", sagt Engel. Wer regionale und biologische Lebensmittel einkaufe, sorge dafür. "Mit seinem Konsum kann man viel bewirken", sagt die Ornithologin. Vielleicht sind Vögel in 150 Jahren dann auch wieder auf dem Land, wo sie ungestört singen.

So klingen die Singvögel

Der Kleiber

Ein Kleiber (Sitta europaea) sitzt  auf einer Futterstation für Wildvögel.
Ein Kleiber (Sitta europaea) sitzt auf einer Futterstation für Wildvögel. © Markus Scholz (dpa)

Von der Schnabelspitze des Kleibers zieht sich ein schwarzer Streifen über die Augen bis zum Nacken, ein bisschen wie bei Batman. Der Gesang des Kleibers gleicht eher einem Ruf denn einer Melodie: Ein tiefes, klares "Duid, duid, duid du." Manchmal erinnert sein Ruf auch an den eines Greifvogels, an ein Keckern oder Pfeifen.

Die Kohlmeise

Eine Kohlmeise ist in einem Garten zu sehen.
Eine Kohlmeise ist in einem Garten zu sehen. © Patrick Pleul/dpa

Die Kohlmeise ist der häufigste Stadtvogel, entsprechend vertraut klingt ihr Lied, das sie tagsüber immer wieder anstimmt. Sie singt hoch und ihre Melodien variieren stark, sind aber kurz: Oft besteht das Kohlmeisen-Lied aus einer Tonabfolge, die sie zweimal wiederholt. Nach der letzten Wiederholung hängt sie gerne noch eine Verzierung an. "Pfi-do-da, Pfi-do-da, Pfiiii", ist ein Rhythmus. Oder "hoch-tief, hoch-tief, hoch-hoch-hoch-hoch." Manche nennen die Kohlmeise wegen ihres Rufes auch "Zi-Zi-Bäh". Über Meisenknödel und Nistkästen freut sich die kleine Akrobatin besonders.

Das Rotkehlchen

Ein Rotkehlchen sitzt auf einem Zaun .
Ein Rotkehlchen sitzt auf einem Zaun . © Julian Stratenschulte/dpa

Das Rotkehlchen, des "Gärtners bester Freund", gibt sich in Gärten oft zutraulich und wurde zum Vogel des Jahres 2021 gewählt. Sein Lied klingt fröhlich, schnell und trällernd - ein bisschen so, als würde es wie ein Südländer das R mit der Zungenspitze rollen. Seine tiefere Tonlage ähnelt der der Amsel. Die Melodie seines Zwitscherns variiert. Manche Rotkehlchen bleiben im Winter in Deutschland, andere verbringen ihn lieber im Süden.

Der Zilpzalp

Ein Zilpzalp, Zilp Zalp oder auch Weidenlaubsänger (Phylloscopus collybita) sitzt auf einem Zweig.
Ein Zilpzalp, Zilp Zalp oder auch Weidenlaubsänger (Phylloscopus collybita) sitzt auf einem Zweig. © Imago Images

Der Zilpzalp heißt so, wie er singt: Er "zilpt" - und das über lange Zeiträume. Seine hohen Laute klingen, als wäre es ganz schön anstrengend, so zu tönen. Dabei hat sein Lied, im Vergleich zu dem anderer Singvögel wenig Melodie und Variation. Vielmehr "zilpzalpt" er ganz oft hintereinander. Äußerlich ist er, anders als sein markanter Gesang, ganz unscheinbar: Sein Federkleid ist einheitlich hellbraun-grünlich. Den Winter verbringt er im Mittelmeergebiet. Da er gerne in Bodennähe brütet, ist sein Nest besonders gefährdet.

Die Amsel

Ein Amselweibchen sammelt in einem Garten Baumaterial für den Nestbau.
Ein Amselweibchen sammelt in einem Garten Baumaterial für den Nestbau. © Jens Büttner/dpa

Die Amsel, vor einigen Jahren noch ein scheuer Waldvogel, der vor dem Winter in Richtung Süden floh, lebt heutzutage oft in der Stadt, selbst im Winter. Das Amselmännchen, mit schwarzem Federkleid und gelben Schnabel, ist morgens vor Sonnenaufgang oft das erste, das zu singen beginnt, und abends das letzte. Seine Stimme klingt tief und rund und kehlig, sein Lied langsam, huldvoll und getragen.

Der Buchfink

Der Gesang des Buchfinks klingt ein bisschen wie aus einer Wasserpfeife: Zuerst ein hohes Zipzipzip, dann ein tiefes, dahingluckerndes Trallala mit einem hohen Schnörkel am Ende. Im Vergleich zu seinen Artgenossen ist er recht groß und bunt: Sein Haupt ist hellblau, der Rumpf rostbraun, an den Flügeln ein schwarz-weißes Muster. Fringilla coelebs heißt der Buchfink auf Latein. Coelebs kommt von Zölibat: Während Weibchen die Winter im Süden verbringen, bleiben die Männchen in Deutschland, um früh ihr Revier markieren zu können.

Ein Buchfink-Männchen  (Fringilla coelebs) steht im Flachwasser.
Ein Buchfink-Männchen (Fringilla coelebs) steht im Flachwasser. © Imago/Imagebroker
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