Hochwasser-Opfer Familie Lenk: "Irgendwie hofft man, dass alles ein Irrtum ist"

Die fünfköpfige Familie Lenk ist im Deggendorfer Stadtteil Fischerdorf komplett abgesoffen – auch ihre Werkstatt ist hinüber. Jetzt hoffen sie auf Hilfe. „Alleine schaffen wir’s nicht“.
von  Natalie Kettinger
Erich, Mario, Manuel, Ramona und Regina Lenk stehen vor dem Nichts
Erich, Mario, Manuel, Ramona und Regina Lenk stehen vor dem Nichts © Sigi Müller

"Ich hab gemeint, die spinnen alle.“ Erich Lenk sitzt am Tresen der Deggendorfer Wirtschaft, die seine Frau Regina vor einem Jahr gepachtet hat. „Ich hab gedacht, die sind alle verrückt geworden.“ Der 47-Jährige schüttelt den Kopf. Ungläubig. Auch noch Tage nach der Katastrophe. „Als der Feuerwehrkommandant ,Land unter’ gemeldet hat, war bei uns noch kein Wasser in Sicht.“ Er schluckt. „Drei Stunden später waren wir schlauer.“

Die Familie wohnt in Fischerdorf, jenem Ortsteil von Deggendorf, in dem die Flut die Häuser bis zu drei Meter hoch überschwemmt hat. Der Vater betreibt dort mit seinen Söhnen Manuel (27) und Mario (24) eine Edelstahlverarbeitungs-Firma. Seit vergangenem Dienstag steht alles unter Wasser. „Das Wohnhaus, die Werkstatt samt Materiallager, die komplette Firmeneinrichtung – alles weg. Ich kann nicht mal mehr Rechnungen schreiben“, sagt Erich Lenk. Auch ihn und seine Angehörigen will die AZ mit der Spenden-Aktion „Münchner helfen“ unterstützen.

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Dass Isar und Donau ihn einmal um die Existenz bringen könnten, damit hat der Familienvater nicht gerechnet. „Ich lebe seit 20 Jahren in Deggendorf und in dieser Zeit gab’s da draußen nie Hochwasser.“ Als das Ordnungsamt ihn anrief, er solle Öle und andere Stoffe hochwassergerecht verstauen, es könne sein, dass der Damm breche, stand er vor einem Rätsel: „Hochwassergerecht? Was soll das sein?“

Schließlich hoben die Lenks alles auf Regale; stellten die Elektrogeräte auf Schränke; packten die Laminat-Planken, die sie demnächst verlegen wollten, auf einen Tisch. „Ich hab’ sogar die Aschentonnen festgehängt – und bin mir dabei recht bescheuert vorgekommen.“ Er muss lachen, wenn er daran denkt, wie schlecht er vorbereitet war auf das, was kommen sollte. Ein bitteres Lachen.

Nachmittags besuchte er seine Frau in der Wirtschaft. In Arbeitskleidung, mehr hatte er nicht mitgenommen. Sie warteten.

Vom Restaurant aus kann man Fischerdorf nicht sehen. Deshalb suchte die Familie am Abend im Internet nach Informationen – und war geschockt: Auf einem Luftbild entdeckten die Lenks ihr Anwesen, nur das erste Stockwerk ragte noch aus der braunen Brühe. „Wie fühlt man sich, wenn man alles verliert?“ Erich Lenks Blick geht in die Ferne. „Ohnmächtig. Hilflos. Und irgendwie hofft man, dass es vielleicht ein Irrtum ist.“

Doch die Flut ist traurige Realität, das Haus der Familie bislang nur mit dem Boot zu erreichen. Hinein kann niemand. Nach über einer Woche steht das Wasser dort immer noch 1,2 Meter hoch. Regina, Tochter Ramona (17) und Manuel sind bei Mario und dessen Freundin Ingrid in Deggendorf untergekommen. Vater Erich hat sich eine Pritsche in die Kneipe gestellt, „weil die doch nur eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung haben.“

Die ganze Familie hofft, dass zumindest der erste Stock verschont geblieben ist: „Da hat doch unsere Ramona ihr Zimmer. Sie hat sich vor zwei Wochen erst eine neue Einrichtung gekauft, die erste eigene von ihrem Lohn als Gärtner-Lehrling.“

Über die Zustände im Erdgeschoss machen sich die Lenks hingegen keine Illusionen: Küche, Esszimmer und Büro sind wohl nicht mehr zu retten. Die Schweißgeräte und Bandsägen, die Plasma-Schneideanlage, die Schweißtische und all das andere Werkzeug im Betrieb – vieles davon erst im November angeschafft – sind vermutlich ebenfalls Schrott.

Das Familienoberhaupt schätzt den Gesamtschaden auf 60000 bis 100000 Euro. Der Versicherungsvertreter hat schon abgewunken. „Wir hätten eine Elementarschadenversicherung gebraucht, aber in Fischerdorf bekommt man die nicht.“

Wie es weitergehen soll, weiß Erich Lenk im Moment noch nicht. „Unser Vermieter ist die Stadt Deggendorf. Ich hoffe, dass sie uns bei der Renovierung hilfreich zur Seite steht. Wir selber schaffen’s nicht. Wir haben 2012 unser letztes Geld in die Wirtschaft investiert, als zweites Standbein.“

Ein paar Maschinen sind den Lenks noch geblieben. Sie stehen seit Wochen auf einer Baustelle, eigentlich hätten sie Mario und Manuel längst zurück in die Werkstatt bringen sollen. „Ich war noch nie so glücklich darüber, dass meine Söhne nicht auf mich gehört haben“, sagt der Vater. „Sonst wären wir jetzt total bankrott.“

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Hier können Sie spenden

 Wollen auch Sie einen Beitrag dazu leisten, dass die Feilmeiers und andere Flut-Opfer wieder auf die Beine kommen? Mit der Aktion „Münchner helfen“ unterstützt die AZ Menschen in Not – ursprünglich in München, nun auch im Hochwassergebiet. Die AZ kann für Spenden ab 201 Euro Bescheinigungen fürs Finanzamt ausstellen (Adresse nicht vergessen!). Für niedrigere Beträge gilt der Überweisungsbeleg als Bestätigung.

Das Spenden-Konto des AZ-Vereins „Münchner helfen e.V.“:

Privatbank DONNER & REUSCHEL Konto-Nr.: 333 888 333 BLZ: 200 303 00

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