Hochhaus-Debatte: Panel-Teilnehmer beantworten Fragen der AZ-Leser

Vergangene Woche hat die AZ ein Podium über die Paketposthalle und andere Hochbauten organisiert. Hier beantworten die Panel-Teilnehmer weitere Fragen, die aus dem Publikum gekommen sind.
von  AZ
Auf dem Podium (v.l.): Christian Köning (SPD), AZ-Chefredakteur Michael Schilling, Katrin Habenschaden (Grüne), Robert Brannekämper (CSU), AZ-Lokalchefin Sophie Anfang, Hochhaus-Architekt Fabian Ochs.
Auf dem Podium (v.l.): Christian Köning (SPD), AZ-Chefredakteur Michael Schilling, Katrin Habenschaden (Grüne), Robert Brannekämper (CSU), AZ-Lokalchefin Sophie Anfang, Hochhaus-Architekt Fabian Ochs. © Bernd Wackerbauer

München - Münchens Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne), der Münchner SPD-Chef Christian Köning, Architekt Fabian Ochs und der CSU-Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper haben vergangene Woche bei der AZ-Podiumsveranstaltung über Hochhäuser in München gesprochen und unter anderem die Frage diskutiert, ob in der Stadt künftig mehr in die Höhe gebaut werden soll.

Hier beantwortet die Teilnehmer nun weitere Fragen, die aus dem Publikum gekommen sind.

Katrin Habenschaden: In die Höhe bauen, ist ökologisch

Hochhäuser als Klimasünder? Ausgerechnet die Grüne Bürgermeisterin Katrin Habenschaden würde da widersprechen. Denn aus ihrer Sicht kann durchaus nachhaltig, aber trotzdem hoch gebaut werden. Diese Meinung vertrat Habenschaden auf unserem Podium. Einige Zuhörer wollten es dennoch genauer wissen.

Katrin Habenschaden.
Katrin Habenschaden. © Bernd Wackerbauer

Soll München zu einer Hochhaus-Stadt werden? Wo sollen überall Hochhäuser hin?
München soll nicht zu einer Hochhausstadt werden, sondern zu einer Stadt, die frei ist in ihrer Gestaltung und sich nicht weiter durch eine willkürliche Höhengrenze einschränkt. Die Hochhausstudie definiert städtische Räume, die grundsätzlich geeignet wären für höhere Gebäude, etwa an Bahnachsen. Man muss aber jedes Projekt einzeln betrachten. Die Möglichkeit, Hochhäuser zu bauen, bedeutet nicht, dass solche auch gebaut werden.

Unter den Hochhäusern sollen Tiefgaragen gebaut werden. Aber die gelten als klimaschädlich, weil so viel Beton verbaut und so viel Fläche versiegelt wird. Wie stehen Sie dazu?
Das Quartier soll weitgehend autofrei gestaltet werden, das wurde von uns Grünen immer gefordert und auch im Bürgergutachten als Wunsch formuliert. Der sparsame Verbrauch von Ressourcen wird bei Bauprojekten immer wichtiger, denn die CO2-Emissionen im Bausektor sind riesig. Darauf werden wir im weiteren Prozess achten.

Wie ist das Vorhaben auf dem Areal der Paketposthalle mit dem Kampf gegen die Klimakatastrophe vereinbar?
München wächst, wir brauchen mehr Wohnraum, der bezahlbar ist. Gleichzeitig müssen wir unsere Grünflächen schützen und dürfen sie nicht weiter zubauen – denn wir brauchen sie zum Kühlen unserer Stadt und als Erholungsflächen. In die Höhe zu gehen statt in die Breite, ist deshalb ein ökologischer Ansatz. Wichtig ist, nachhaltig und ressourcenschonend zu bauen.


Robert Brannekämper: Bloß kein Frankfurt!

Der CSU-Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper fürchtet, dass München zur Hochhaus-Stadt wird und seinen Charme verliert, wegen dem heute Touristen nach München strömen. Er sammelt deshalb Stimmen für ein Bürgerbegehren, um Gebäudehöhen zu begrenzen. Wirklich eine gute Idee? Das Publikum hakt nach.

Robert Brannekämper.
Robert Brannekämper. © Bernd Wackerbauer

Wieso sollte die Stadt keine soziale, ökologische und stadtplanerisch sinnvolle urbane Dichte versuchen?
Der Begriff "urbane Dichte" wird immer wieder als abstraktes Schlagwort von Hochhausbefürwortern eingebracht. Die Frage ist aber doch, wie urbane Dichte zu verstehen ist. Gute Vorbilder sind in München vorhanden, zum Beispiel in Schwabing und Haidhausen. Hochhäuser schaffen keine urbane Dichte, weil sie keine vergleichbare vernünftige und lebendige Nutzungsmischung ermöglichen, wie das in den Sockelgeschossen einer Blockrandbebauung mit verschiedenen Geschäften und Lokalen der Fall ist. Die Lebendigkeit bleibt auf der Strecke, es bleibt bei einer monostrukturellen, öden Nutzung.

Bei den hohen Baukosten ist es doch sinnvoll, in die Höhe zu bauen. Sonst ist das Bauen kaum noch wirtschaftlich darstellbar, oder?
Hochhausplanungen treiben die Bodenpreisspirale weiter an und sorgen damit für steigende Grundstückspreise. Die Bau- und Betriebskosten steigen enorm mit zunehmender Gebäudehöhe aufgrund größerer technischer Anforderungen und sind somit keineswegs wirtschaftlich und finanziell darstellbar. In Hochhäusern entstehen unerschwingliche Luxuswohnungen und überteuerte Büroflächen mit guter Aussicht. Für Menschen, die auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung sind, kommen sie nicht in Frage. Die nahezu komplette Flächenversiegelung für Tiefgaragen und Nebenanlagen beim Bauvorhaben an der Paketposthalle wird schlichtweg verschwiegen oder geleugnet, um das Märchen "Wenn man die Fläche nicht versiegeln möchte, muss man in die Höhe bauen" weiter erzählen zu können.

Als eine Möglichkeit, bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, wird von der Fachwelt vermehrt das "Bauen im Bestand" als nachhaltigste Lösung empfohlen. Das heißt nicht alles unnötig abreißen und unter anderem wertvolle Baustoffe vernichten, sondern sanieren oder umwidmen – beispielsweise Büros zu Wohnungen – und auch in verträglichem Maß aufstocken. Man muss nicht immer gleich alles abreißen. Der sparsame Einsatz von Ressourcen und das Thema graue Energie sind heute von besonderer Bedeutung.

Warum wollen Sie einen Bürgerentscheid? Glauben Sie wirklich, dass die breite Bevölkerung ein Problem mit Hochhäusern hat?
Wir sind davon überzeugt, dass die Mehrheit der Münchner keine Stadt mit einer Wolkenkratzerskyline will, weil ihnen das Erscheinungsbild ihrer Stadt und ein lebenswertes München am Herzen liegen. Mit unserem Bürgerbegehren möchten wir die Bürger ermutigen, ihre Stimme in die Waagschale zu werfen und durch einen Bürgerentscheid selbst darüber abzustimmen, wie sich ihre Stadt weiterentwickelt. München darf kein Frankfurt an der Isar mit ausdruckslosen, gläsernen Vierkantbolzen werden!


Fabian Ochs: Lieber Fläche sparen

Je höher, desto eleganter! Das hat der Münchner Architekt Fabian Ochs in einem AZ-Interview über Hochhäuser gesagt. Und auch auf unserem Podium machte er kein Geheimnis daraus, dass er ein Hochhaus-Fan ist. Fragen gibt es trotzdem:

Architekt Fabian Ochs.
Architekt Fabian Ochs. © Bernd Wackerbauer

Es heißt immer: Die höchste urbane Dichte liegt bei einer sechsstöckigen Blockrandbebauung. Stimmt das überhaupt?
Die Dichte lässt sich gut mit der Geschossflächenzahl bemessen. Das ist die Verhältniszahl der oberirdisch gebauten Geschossfläche aller Geschosse geteilt durch die Grundstücksfläche. Wir haben hierzu theoretische Untersuchungen angestellt. Der Block erzielt hier eine Dichte mit einer Geschossflächenzahl von 2.15 und das 110-Meter-Hochhaus eine Geschossflächenzahl bis zu 4.14, also die nahezu doppelte Dichte.

Bis zu welcher Höhe dürfen Balkone angebracht werden?
Hier gibt es keine gesetzlichen Restriktionen, es gibt Balkone in 100 Meter Höhe und mehr, aber es wird zugig. Eine verglaste Loggia, die man auch aufschieben kann, macht mehr Sinn.

Ist Ihnen bewusst, dass allein aufgrund der Brandschutzmaßnahmen Wohnungen über sechs Etagen zu teuer sind, als dass dort günstiger Wohnraum entstehen könnte?
Das sehe ich anders. Man darf hier nicht nur die reinen Baukosten betrachten, sondern muss auch den Grundstücksanteil mit einrechnen. Und wenn ich dreimal soviel auf das gleiche Grundstück bauen darf, ist der Grundstücksanteil an den Quadratmeter-Kosten nur ein Drittel so hoch. Da die Quadratmeter-Preise für Grundstücke in München sehr hoch sind, ist dies ein viel maßgeblicher Posten, als die Baukosten.


Christian Köning: Günstiger Wohnraum

Hochhäuser können etwas im Kampf gegen die Wohnungsnot in München beitragen. Davon ist der Münchner SPD-Chef Christian Köning überzeugt. Er spricht sich deshalb gegen starre Höhengrenzen aus. Auch will er nicht, dass der Stadtrat durch ein Ratsbegehren einen Bürgerentscheid auslöst. Lieber will er die Münchner an den jeweiligen Projekten beteiligen. Denn aus seiner Sicht gibt es Zonen, die sich für Hochhäuser eignen. Doch geht damit nicht ein Stück Münchner Gemütlichkeit verloren? Die Frage beschäftigt viele.

SPDler Christian Köning.
SPDler Christian Köning. © Bernd Wackerbauer

München ist eine Marke wie Coca Cola. Warum will München sein Erscheinungsbild ändern? Erfolgreiche Marken behalten ihr Design doch bei.
München ist keine Marke, sondern eine hoch attraktive und lebenswerte Stadt. Unsere Stadt wird von den Menschen, die hier arbeiten, wohnen und leben gestaltet und nicht von der Marketingabteilung. Münchens Stärke liegt nicht begründet in der Verehrung der Vergangenheit und unbeweglicher Erstarrung, sondern im Willen zur Gestaltung der Zukunft. Und deswegen werden wir unsere wachsende Stadt mit einer klugen, sozialen und ökologischen Politik sicher in die nächsten Jahrzehnte führen.

München braucht bezahlbare Wohnungen. Wie viel gibt es davon in teuren Hochhäusern?
Die Frage nach bezahlbarem Wohnraum ist die größte soziale Frage dieser Stadt. Deswegen haben wir die sozialgerechte Bodennutzung, eine bundesweit nachgeahmte Erfindung der Münchner SPD, letztes Jahr weiter verschärft. Wir verpflichten damit private Investoren und ermöglichen, dass auch auf privaten Flächen dauerhaft bezahlbarer Wohnraum entsteht. Wir als SPD stimmen Hochhausprojekten nur zu, wenn damit in hohem Ausmaß dauerhaft bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird.

Gibt es bei der Stadt eine Stelle, die sich darum kümmert, dass Sichtachsen nicht zerstört werden? Welchen Einfluss hat die Stelle?
Für Stadtentwicklung ist das Planungsreferat zuständig. Während ich persönlich an München viele Sichtachsen-Straßen sehr schätze und die Perspektive vom Hubertusbrunnen auf das Schloss Nymphenburg viele meiner Spaziergänge bereichert, halte ich die Fragen nach Frischluftschneisen und lokaler Klimaanpassung durch freie und bepflanzte Grünflächen für noch entscheidender für unsere Zukunft. In die Höhe bauen kann sinnvoll sein, wenn es ein ökologisches Gesamtkonzept gibt, da weniger Fläche verbraucht wird. Gleichzeitig verändert sich unsere Stadt und hat sie in der Vergangenheit immer getan. So wird zum Beispiel gerade im 50. Jahr nach den Olympischen Spielen niemand den Olympiaturm in Münchens Skyline vermissen wollen.

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