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Hitzesommer: Was München von anderen Städten lernen kann

Wie wird gebaut, was dürfen Autofahrer noch – und wie können sich die Nachbarn in der City abkühlen: eine kleine AZ-Reise durch Europa auf der Suche nach Vorbildern für München.
Felix Müller
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Klassische individuelle Maßnahme bei Hitze: in der Isar abkühlen.
Foto: Archiv/dpa 4 Klassische individuelle Maßnahme bei Hitze: in der Isar abkühlen.
Menschen kühlen sich im Brunnen des Jardin du Trocadéro in Paris ab.
Foto: dpa 4 Menschen kühlen sich im Brunnen des Jardin du Trocadéro in Paris ab.
Hier stand mal Auto an Auto: eine Kreuzung in einem "Superblock".
Foto: Del Rio Bani 4 Hier stand mal Auto an Auto: eine Kreuzung in einem "Superblock".
In Wien gibt es die "Coole Straße" zur Abkühlung.
Foto: imago 4 In Wien gibt es die "Coole Straße" zur Abkühlung.

Große Städte müssen Vorreiter sein", hat OB Dieter Reiter (SPD) mal gesagt. Denn in den Städten entstehe schließlich der meiste Treibhausgas-Ausstoß.

So haben die Metropolen Verantwortung für die ganzen Länder, mithin gar: für die Zukunft des Planeten. Doch man muss es gar nicht immer so hoch hängen. Ganz profan merken die Münchner in heißen Sommernächten, was mit dem Klimawandel auf sie zukommen könnte, spüren in Straßen ohne Bäume, etwa im Bahnhofsviertel, wie viel lebenswerter es doch ist, wo es grünt und blüht.

Die Stadt - selbst grün-rot regiert und inzwischen bei den meisten Wahlen mit den Grünen als stärkste Partei - mag gerne Vorreiter sein im Kampf gegen den Klimawandel.

Bis 2035 soll München klimaneutral werden, Anfang dieses Jahres hat man - trotz Corona-Finanzkrise! - 500 Millionen Euro für diesen Kampf alleine bis 2025 freigegeben. München soll erste deutschen Großstadt werden, die Gebäude ohne Heizöl und Erdgas beheizt und die Heizkosten trotzdem sozialverträglich hält. Die Wahrheit ist aber auch: So richtig mutig umgesetzt wurde bisher nicht viel - weder im Großen, noch im Kleinen. Deshalb lohnt ein Blick raus, hinaus in Europas Großstädte.

Wien: Kurze Duschen

Hitze in der Stadt kann sehr beschwerlich sein - und wahrscheinlich wird das Problem in den kommenden Jahrzehnten noch viel schlimmer. Da sind auch die kleinen kreativen Ideen gefragt. So wie diese aus Wien: Wasser in Sprühnebel geht in einigen Straßen auf Fußgänger und Radler nieder. Wie angenehm!

In Wien gibt es die "Coole Straße" zur Abkühlung.
In Wien gibt es die "Coole Straße" zur Abkühlung. © Foto: imago

Die leichte Dusche war zunächst ein Teil des Projekts "Coole Straße". "Die Sommer in Wien können ganz schön heiß werden", heißt es aus Österreich. Zusätzliche Sitzgelegenheiten, Trinkbrunnen und Sprühnebel sorgten für Abkühlung auf den Straßen. Sogar eine "persönliche Betreuung" , ein Ansprechpartner für Anwohner, ist tags vor Ort - so das Konzept.

Es heißt, die Straßen seien beim ersten Versuch im Sommer 2020 gut angenommen worden. Inzwischen hat man das Konzept angepasst. Ganze Straßen werden nicht mehr gesperrt. Aber Sprühschläuche kämen besonders an heißen Hitzetagen an vielen Orten in der Stadt zum Einsatz, heißt es. Und auch die Wasserspiele in den Wiener Parks sollen ausgeweitet werden. Viel Abkühlung für die Wiener. Beneidenswert!

Barcelona: Die Autos von den Straßen nehmen

Zu viel Verkehr, zu dichte Bebauung, zu starke Luftverschmutzung", das sind Zuschreibungen, die man mit Barcelona verbindet. Schreibt die Stadt auf ihrer eigenen Webseite. Doch damit soll es vorbei sein - und tatsächlich gilt die katalanische Metropole mittlerweile auch in München als ein Vorbild für ökologische, lebenswerte Projekte.

Hier stand mal Auto an Auto: eine Kreuzung in einem "Superblock".
Hier stand mal Auto an Auto: eine Kreuzung in einem "Superblock". © Foto: Del Rio Bani

Vor allem von den Superblocks ist immer wieder die Rede. Münchner Grüne etwa können sehr ausgiebig davon schwärmen. Was ist gemeint? In Barcelona, jener Stadt mit der dichten Bebauung und dem vielen Verkehr, werden bis zu neun Häuserblocks zu sogenannten "Superblocks" zusammengefasst. Innerhalb dieses Bereichs haben Fußgänger und Fahrradfahrer Vorrang. Bei zweispurigen Straßen wird den Autos eine Spur weggenommen: Kinder können hier spielen, Anwohner auf neu errichteten Parkbänken Kaffee trinken und plaudern.

Das triste Grau der Straße wird durch bepflanzte Hochbeete, Blumenkübel und Bäumen ersetzt. Autoverkehr ist auf den verbleibenden Einbahnstraßen - wenn überhaupt - nur mit 10 bis 20 km/h erlaubt. Eine Idee, die auch viele für Münchner Viertel charmant finden.

Paris: Vom Moloch zur Vorzeigestadt

Der Sommer 2003 war mit seiner extremen Hitze ein Schock für die Franzosen. Tausende Ältere starben. Eine Konsequenz: Arbeitgeber sind seitdem verpflichtet, Arbeitszeiten auf die kühlen Stunden am Morgen und am Abend zu verlegen. Eine andere: In Städten wie in Lyon oder Paris werden Fahrverbote durchgesetzt. Millionen Fahrzeugen in bestimmten Schadstoffklassen wurde an Hitzetagen schon verboten, nach Paris einzufahren.

Menschen kühlen sich im Brunnen des Jardin du Trocadéro in Paris ab.
Menschen kühlen sich im Brunnen des Jardin du Trocadéro in Paris ab. © Foto: dpa

Überhaupt gilt Paris - einst international als wahrer Moloch bekannt - inzwischen bei Ökologie und Verkehrswende als Stadt, auf deren Vorbildcharakter verwiesen wird. Der Radverkehr wird schon länger bewusst gefördert, 2016 sperrte die Stadt die Voie Georges Pompidou am Seine-Ufer für Autos. 13 Kilometer lang ist die Flaniermeile. Beachtlich!

Wie viele europäische Städte - und in kleinem Maßstab auch München - hat man die Coronakrise genutzt, um die Verkehrswende weiter voranzutreiben. Alleine im Jahr 2020 entstanden in der 2,2 Millionen Einwohner zählenden Kernstadt provisorische Radwege mit einer Gesamtlänge von 60 Kilometern. Sie verlaufen oft parallel zu U-Bahn-Linien und sollen die Möglichkeit bieten, schnell und sicher zur Arbeit zu kommen. In den drei angrenzenden Départements sollen weitere 100 Kilometer Radwege entstanden sein, die verfestigt werden sollen. Und: Fast in der ganzen Stadt gilt inzwischen Tempo 30. Autostadt Paris - die Zeiten sind vorbei.

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29 Kommentare
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  • Bongo am 16.06.2022 20:35 Uhr / Bewertung:

    Bis 2035 sollen alle Häuser und Gebäude in München ohne Gas oder Öl beheizt werden. Welch eine Utopie!

  • Apokalyptischer Reiter am 16.06.2022 17:58 Uhr / Bewertung:

    Ich habe 2 neue fanatische Grüe orgasmische Verbotsorgien, die das Land, die Welt und das Universum aus Deutschland heraus retten werden. Wir werden die Welt diesmal retten, auch wenn sie es nicht wollen. Ich werde mich wieder bei dem nächsten Wetterbericht hier melden.

  • ClimateEmergency am 16.06.2022 19:36 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Apokalyptischer Reiter

    Jeder Parkplatz ist ein Verbot sinnvoller Nutzung von öffentlichen Flächen und kostet Städten einen 5 stelligen Betrag jährlich.

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