Hitlers Schädel unterm Hammer

München - Kleidungsstücke von Adolf Hitler und Eva Braun, Stiefel von Hermann Göring, alternativ die Messinghülle, in der die Giftampulle steckte, mit der er sich kurz vor der Hinrichtung das Leben nahm, oder zerfranste Teile vom Strick, an denen die Nazi-Größen am Galgen baumelten: Diese Versteigerung des Münchner Auktionshauses "Hermann Historica" spaltet die Gemüter. Spektakulär oder Nazi-Kult?
Der Online-Katalog, in dem die Relikte aus der NS-Zeit in Kombination mit den finanziellen Erwartungen angepriesen werden, ist in diesem Fall nur für eine ausgewählte Kundschaft mit entsprechender Zugangsberechtigung aufrufbar. Allein der Titel der Sammlung, die unter den Hammer kommt, lässt die Alarmglocken schrillen: "Hitler und die Nazi-Granden – ein Blick in den Abgrund des Bösen."
Der Brisanz ist sich auch das Auktionshaus im Klaren, eine schriftliche Erklärung fällt knapp aus: "Die Hermann Historica ist sich der verhängnisvollen deutschen Geschichte von 1933 und 1945 völlig bewusst und lehnt alle neonazistischen und nationalsozialistischen Strömungen strikt ab."
Dutzende Relikte - von gruselig bis medizinisch
Es sind dutzende Relikte aus dem unmittelbaren Nahfeld der NS-Größen, die den Besitzer wechseln sollen, nicht nur gruselige Einzelexemplare wie die Giftampulle, auch auffallend viele ärztliche Unterlagen sind dabei: Etwa Röntgenaufnahmen Adolf Hitlers und Untersuchungsberichte nach dem Attentat vom 20. Juli 1944, seine Feldjacke oder ein Teil des Stricks, mit dem "Stürmer"-Herausgeber Julius Streicher in Nürnberg hingerichtet wurde.
Dazu kommen Berichte über medizinische Untersuchungen der Nazi-Prominenz: Göring, Speer, Kaltenbrunner, die Namen der schlimmsten Protagonisten aus jener finsteren Zeit tauchen darin auf, dazu geheime Abhörprotokolle von ihren Gesprächen und Fotos, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren – eine "wilde" Sammlung.
Die Sammlung, ein Nachlass, in der die Nazi-Relikte eine wesentliche Rolle spielen, stammt aus Übersee und stellt in gewisser Weise die postmortale Rückkehr des 2007 verstorbenen amerikanischen Arztes John K. Lattimer nach München dar. Am Ende des Krieges war der amerikanische Mediziner in der bayerischen Landeshauptstadt stationiert und der ärztliche Betreuer der festgenommenen und in Nürnberg vor Gericht stehenden Kriegsverbrecher.
Er untersuchte zum Beispiel auch die Leiche von Hermann Göring nach dessen Selbstmord. Trotz des direkten Kontakts in das Innenleben des Gefängnisses: Ganz klar, wie Lattimer an die vielen Stücke kam, ist es bis heute nicht.
Dr. Lattimer war der Arzt, dem Prominente vertrauten
Allein die Tatsache, dass es sich bei dem Versteigerungsangebot des Münchner Auktionshauses um die Hinterlassenschaft von John K. Lattimer handelt, macht es spektakulär. Er war nicht irgendwer. Stars wie Greta Garbo, Katharine Hepburn und Charles Lindbergh standen auf seiner Patientenliste.
Die Kennedy-Familie beauftragte ihn mit der Untersuchung des Todes von JFK, sein Bekanntheitsgrad sprengte alle Grenzen.
Die zweite, völlig andere Seite seines Lebens: John K. Lattimer war von Kindesbeinen an ein Sammler, bei dem die Grenzen zwischen Kuriosität und Geschmack verschwammen. Nicht nur die gesammelten Nazi-Objekte wiesen darauf hin. Zur Lattimer-Kollektion gehören zum Beispiel auch ein Stück eines konservierten Penis, der Napoleon zugeordnet wird, oder der blutdurchtränkte Kragen, den US-Präsident Abraham Lincoln bei seiner Ermordung trug.
Auktionator Wolfgang Hermann lässt sich bei seiner Einschätzung nicht irritieren und spricht auf der Homepage des Auktionshauses nicht zuletzt wegen der hohen Authentizität der Objekte von einer "besonders faszinierenden Sammlung".