"Himmelschreiende Ungerechtigkeit": Mietenstopp in München bis 2026 – darum gibt es heftige Kritik

Die Stadt München erhöht ihre Mieten nicht und will gleichzeitig ihre Wohnungen sanieren. Kann sie sich das wirklich leisten?
von  Christina Hertel
Ein Wohngebäude der Gewofag in München.
Ein Wohngebäude der Gewofag in München. © IMAGO / Reinhard Kurzendörfer

München - Alle, die in einer städtischen Wohnung leben, können sich freuen: Ihre Miete wird bis Ende 2026 nicht erhöht. Danach aber womöglich schon. Denn bis dahin will die Stadt genauer ermitteln, über welches Einkommen ihre Mieter verfügen. Denn nicht alle, die in einer städtischen Wohnung wohnen, sind bedürftig.

Auf diesen Kompromiss haben sich Grüne und SPD Anfang der Woche geeinigt. Am Mittwoch im Planungsausschuss haben sie das dann so beschlossen. OB Dieter Reiter (SPD), der den Mietenstopp zu seinem Herzensthema erklärt hatte, fehlte: plötzlicher Zahnarzttermin.

Ein Herzensthema für Oberbürgermeister Dieter Reiter: der Mietenstopp. Doch es gibt auch Kritik daran, dass die Miete in städtischen Wohnungen so günstig bleibt.
Ein Herzensthema für Oberbürgermeister Dieter Reiter: der Mietenstopp. Doch es gibt auch Kritik daran, dass die Miete in städtischen Wohnungen so günstig bleibt. © dpa

Mietenstopp in München: Nicht alle haben Anspruch auf eine Sozialwohnung

Die Opposition (Ausnahme: die Linke) kritisierte den Beschluss heftig. Dirk Höppner, der in der ÖDP-Fraktion sitzt, erinnerte daran, dass nur 50 Prozent der Mieter einen Anspruch auf eine Förderung haben. Tatsächlich unterliegen von den fast 70.000 städtischen Wohnungen fast 40.000 keinen Förderrichtlinien. Sozialwohnungen verlieren immer nach einer bestimmten Zeit ihre Bindung.

Die Durchschnittsmiete bei städtischen Wohnungen liegt laut Rathaus bei 8,44 Euro pro Quadratmeter. Die durchschnittliche Marktmiete betrage 20 Euro pro Quadratmeter, also zweieinhalb mal so viel.

"Mit dem Mietenstopp akzeptieren wir, dass diese Kluft weiter zunehmen wird", sagte Höppner. Eine "himmelschreiende Ungerechtigkeit" nannte den Beschluss auch FDP-Chef Jörg Hoffmann. Schließlich warnt die städtische Wohnungsbaugesellschaft, dass sie das Geld dringend bräuchte: Seit 2019 seien die Kosten für Verwaltung und Instandhaltung um 30 Prozent gestiegen.

Diese Wohnanlage am Innsbrucker Ring gehören der Stadt. Jedes Jahr sollen vier Prozent ihrer Wohnungen saniert werden.
Diese Wohnanlage am Innsbrucker Ring gehören der Stadt. Jedes Jahr sollen vier Prozent ihrer Wohnungen saniert werden. © imago

Der Mietenstopp beeinflusse "unmittelbar" das Erreichen der Neubau und Sanierungsziele. "Einen endlosen Mietenstopp kann es auf Dauer nicht geben", sagte selbst Brigitte Wolf von der Linken. Sollte die Stadt ihre begrenzten Mittel wirklich dafür einsetzen, dass diejenigen, die das Privileg haben, in einer städtischen Wohnung zu leben, es noch komoter haben, fragte der CSUler Winfried Kaum. Er schlug deshalb vor, die Miete in allen städtischen Wohnungen moderat zu erhöhen. Diejenigen, die sich das nicht leisten können, sollten dann einen Antrag auf eine Befreiung stellen.

Das Sanierungsziel: Vier Prozent aller städtischen Wohnungen pro Jahr 

CSUler Alexander Reissl bezweifelte, dass sich die Stadt den Mietenstopp leisten kann. In der Sitzung beschloss der Stadtrat auch, die Wohnungen energetisch zu sanieren. Dafür gibt die man bis 2026 rund 200 Millionen Euro aus. Ziel ist eine Quote von jährlich vier Prozent. CSU und FDP halten das für unrealistisch. Meist können die Wohnungen erst saniert werden, wenn sie leerstehen. Die städtische Gesellschaft muss also mit ihren Mietern Umzüge vereinbaren.

Beim Mietenstopp wehrt sich Grün-Rot gegen den Vorwurf, die Münchner ungleich zu behandeln. Aus Sicht der SPDlerin Simone Burger ist der Münchner Mietmarkt für alle von der Krankenschwester bis zum Arzt "mindestens eine Herausforderung, wenn nicht gar eine Zumutung".

2019, als der Mietenstopp zunächst für fünf Jahre beschlossen wurde, habe die SPD ein klares Statement gesetzt, dass sie für eine Atempause auf diesem Mietmarkt eintrete. "Aber ist die Zeit nach Corona, mit Preissteigerungen auf dem Energiemarkt, mit Inflation wirklich die richtige, um den Mietenstopp zu beenden?", fragte sie. Burger gab der Opposition recht: Es sei unfair, dass die Mieten nicht für alle eingefroren werden. "Deshalb brauchen wir den bundesweiten Mietenstopp."

Der Mietenstopp in München könnte Wahlkampfthema werden

"Langfristig wollen wir aber, dass die Erleichterungen vor allem bei denen ankommen, die sie am dringendsten brauchen", sagt Grünen-Chef Sebastian Weisenburger.

Im Herbst 2026, also erst nach der nächsten Kommunalwahl, soll der Stadtrat entscheiden, wie er das bei seinen Mieten gewährleisten will. Es gibt also schon ein erstes Wahlkampf-Thema.

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