Hilfe – wir stehen bald auf der Straße!

Daniela Wohlert (42) und ihre beiden Teenager brauchen dringend eine neue Wohnung. Doch etwas Bezahlbares zu finden, ist schwer – zumal die Familie auch noch Tiere hat
von  Julia Lenders
Zwei Jahre lang hilft Daniela Wohlert bei der Pflege ihres todkranken Vaters Werner, hier zu sehen mit einem seiner Enkelkinder.
Zwei Jahre lang hilft Daniela Wohlert bei der Pflege ihres todkranken Vaters Werner, hier zu sehen mit einem seiner Enkelkinder. © Petra Schramek

München - Als Daniela Wohlert den Brief in den Händen hält, wird ihr ganz schwarz vor Augen: Sie und ihre Kinder sollen ausziehen. Weil das Gilchinger Zuhause, in dem die Familie seit zehn Jahren lebt, abgerissen und durch einen Neubau ersetzt wird.

Seit dieser Nachricht schläft die 42-jährige Alleinerziehende schlecht. Sie weiß, wie schwer es für sie wird, eine neue Bleibe zu finden. Sie ist gesundheitlich schwer angeschlagen, lebt von Hartz IV. Hat zwei 14 und 17 Jahre alte Teenager daheim. Zwei Hunde und zwei Katzen.

Unter einem Traum-Mieter verstehen die meisten Eigentümer wohl etwas anderes. Als sie zuletzt auf Wohnungssuche war, damals noch mit zwei Kleinkindern, hat sie viel Ablehnung erlebt. Daniela Wohlert erzählt, ein Vermieter habe zu ihr gesagt: „Sie sind alleinerziehend? Asoziale brauchen wir hier nicht.“ Und jetzt sind da auch noch die Tiere, die eigentlich einen Garten bräuchten – der Labrador-Mix Sally und der weiße Mischling Sunny sowie die beiden Katzen Zorro und Cleo.

Die Chancen, mit ihnen eine Sozialwohnung zu finden, gehen gegen Null. Trotzdem sagt Wohlert: „Sie wegzugeben, wäre für uns unerträglich. Sie gehören zur Familie.“ Seit Wochen vergleicht die 42-Jährige nun Wohnungsanzeigen. Nur um immer wieder festzustellen, dass die Angebote für sie unerschwinglich sind.

Auch mit Aushängen hat sie es schon probiert. Ohne Erfolg. Maximal 900 Euro warm – mehr dürfte die neue Wohnung, die drei bis vier Zimmer haben müsste, nicht kosten. Ein Preis, der im Großraum München Seltenheitswert hat. „Manchmal habe ich den Eindruck, dass mir jede Perspektive fehlt“, sagt Wohlert.

Kein Wunder, dass ihr der Optimismus in den vergangenen Jahren verloren gegangen ist. Nach einer unschönen Scheidung vom Vater ihrer Kinder richtete sie sich ein eigenes Leben ein. Sie wollte eine Umschulung zur Heilpraktikerin machen, hatte die Unterlagen schon beisammen. Doch aus ihren Plänen wurde nichts. Ihr Vater erkrankte an Lungenkrebs. Zwei Jahre lang half Daniela Wohlert bei der Pflege.

Sie kochte für ihn, wusch ihn, kümmerte sich um den Haushalt. „Das Wartezimmer bei der Onkologin war quasi das zweite Wohnzimmer für meine Kinder.“ Auf dem Boden machten sie ihre Hausaufgaben. Es war der 6. August 2007, als Wohlerts Vater starb. Auf den Tag genau ein Jahr später rief ihre Mutter an. Um ihrer Tochter zu sagen, dass bei ihr ebenfalls Lungenkrebs festgestellt worden ist. „Wir waren Mutter und Tochter, beste Freundinnen und Seelenzwillinge“, sagt Daniela Wohlert über ihre Mama. Wieder hilft sie, wo sie kann. „Es ist mir sehr schwer gefallen, dass ich ihr jeden Tag ein Stück beim Sterben zuschauen musste.“ Im April 2010 erliegt die 63-Jährige ihrem Leiden.

Heute sagt die Tochter: „Ein Teil von mir ist damals mitgestorben.“ Nach dem Tod ihrer Mutter stürzt Daniela Wohlert sich in Unkosten. Sucht einen ganz besonderen, teuren Grabstein aus. Ihre Eltern waren seit langem getrennt – beide wollten in unterschiedlichen Gräbern zur Ruhe gebettet werden. Das Denkmal für ihre Mama zahlt die Tochter heute noch ab. Das Geld ist mehr als knapp.

Regelmäßig rutscht ihr Konto in die Miesen. Über die Runden kommt die Familie nur, weil sie mittwochs zur Tafel geht. Erst kürzlich musste Daniela Wohlerts 14-jährige Tochter auf die Klassenfahrt ins Skilager verzichten. Der Betrag war einfach nicht drin. Die Zahnspangen für ihre Kinder, Nachhilfe – das alles überfordert die Alleinerziehende finanziell. Oft gibt’s nur Kartoffeln mit Quark oder Schnittlauch-Brot. „Das schmeckt auch gut“, sagt Wohlert, die auch gar nicht jammern will.

Was ihr allerdings zu schaffen macht: „Ich möchte den Kindern nicht immer sagen, worauf sie alles verzichten müssen.“ Gerne würde sie arbeiten, damit es ihrer Familie finanziell besser geht, am liebsten in der Kinderbetreuung. „Ich möchte unter Menschen – und nicht immer nur daheim sitzen und grübeln.“ Aber das lässt ihre Gesundheit derzeit nicht zu. Die 42-Jährige leidet an Weichteil-Rheuma und einer schweren Stoffwechselstörung. Regelmäßig ist sie von Schmerz-Schüben geplagt.

Der Stress der vergangenen Jahre war einfach zu viel für sie. Nachts beginnt das Kopfkino. Dann kommt die Sorge, wie es weitergehen soll. Mit der Wohnung. Mit der finanziellen Situation der Familie. Ruhig geschlafen hat Daniela Wohlert schon lange nicht mehr.

 

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