Hilfe! Mein Strom ist plötzlich dreimal so teuer!
München - Wechsle den Anbieter, spare Geld! Wechsle! Spare! Wie ein Mantra zieht sich diese Empfehlung durch TV- und Radiosendungen: Wechsle! Spare! Ich habe diese Formel im Herbst befolgt, meinem alten Versorger gekündigt und mir einen neuen gesucht: Löwenzahn Energie. Klingt nett, war supergünstig, Ökostrom noch dazu, was will man mehr?
Abzüglich Neukundenbonus kostete das im Voraus zu bezahlende Zwölf-Monats-Paket über 3500 Kilowattstunden 378,71 Euro – ein Schnäppchen? Von wegen.
Der Preis-Schock
Vergangene Woche kam eine E-Mail von Löwenzahn: Die Umlage für erneuerbare Energien steige ständig. Leider habe man keine andere Möglichkeit, als die Kosten „weiterzugeben und die Strompreise anzupassen“. Der neue Preis für mein Paket: 1093,27 Euro. Fast das Dreifache!
Wenig tröstlich: Ich bin nicht allein. „Wir bekommen täglich mehrere Anrufe von Kunden, die dasselbe Problem haben“, sagt die Beraterin eines großen Vergleichsportals. „Oh, schon wieder Löwenzahn“, seufzt der Kollege bei einem anderen Anbieter. „Wir haben viele Beschwerden wegen dieser Preiserhöhung bekommen“, bestätigt auch die Verbraucherzentrale Bayern.
Die erlaubte Steigerung
Tatsächlich ist der Strompreis 2013 wegen der Umlagen für erneuerbare Energien, Kraft-Wärmekopplungsgesetz und Netznutzung gestiegen. Die Offshore- und die Abschaltungsumlage werden noch dazu kommen. „Insgesamt ergibt sich daraus eine maximale Preissteigerung von 2,24 Cent pro Kilowattstunde“, sagt Daniela Czekalla von der Verbraucherzentrale. In meinem Fall wären das bei 3500 Kilowattstunden also 78,40 Euro.
Ich will von Löwenzahn wissen, warum sie ein Vielfaches davon einfordern, rufe die Hotline an und lande in der Warteschleife. Der Vorgang wiederholt sich drei Mal, dann schalte ich den Lautsprecher am Telefon ein, lege das Mobilteil in die Küche und fange an zu kochen. Irgendwann wird schon jemand dran gehen. Falsch: Irgendwann ist die Batterie leer, das Telefon verabschiedet sich. Ich kann die Warteschleifen-Melodie auswendig und habe trotzdem mit niemandem gesprochen.
Am nächsten Tag rufe ich gleich morgens in der Löwenzahn-Pressestelle an. Erst hebt niemand ab, dann eine Dame: Nein, sie könne mir jetzt nicht beantworten, warum ich mehr zahlen muss. Ich solle eine E-Mail schicken, dann würde die zuständige Abteilung sich kümmern. Ich schreibe – auch, dass es eilig ist. Nichts passiert, den ganzen Tag nicht.
Das Unternehmen
Deshalb habe ich Zeit, über meinen Anbieter im Internet zu recherchieren und finde folgenden Bericht: „Nach Recherchen des Handelsblattes hat die Netztochter der Stadtwerke Wuppertal die Lieferantenrahmenverträge mit den Flexstrom-Tochtergesellschaften Löwenzahn Energie und Optimal Grün fristlos gekündigt und ihnen die Netzzugänge zum 18. Januar entzogen.“ Als Grund wird das Finanzgebaren der Firmen genannt. „Mal kamen die Zahlungen, mal nicht, selten pünktlich“, zitiert die Zeitung den Sprecher der Wuppertaler Stadtwerke. Interessant.
Was Löwenzahn wohl dazu sagt? Diesmal kommt die Antwort-Mail sehr schnell. Die Saldi seien nicht nur ausgeglichen, sondern wiesen teilweise sogar ein fünfstelliges Guthaben „zu unseren Gunsten“ aus, teilt Unternehmenssprecher Dirk Hempel mit. „In dem Verhalten des Netzbetreibers sehen wir deshalb einen willkürlichen Verstoß gegen die Marktliberalisierung und haben uns unmittelbar, nachdem wir von dieser rechtswidrigen Zugangsverweigerung erfahren hatten, an die Bundesnetzagentur gewandt.“
Das Verfahren läuft noch. Und bei den Münchner Stadtwerken verfolgt man es vermutlich gespannt. Auch hier sind der Berliner Billigstromanbieter und seine Töchter bekannt. „Die Flexstrom AG sowie ihre Tochterunternehmen befinden sich bei der SWM Infrastruktur GmbH wegen Unregelmäßigkeiten im Zahlungsverkehr unter strenger Beobachtung. Mit dem Stromanbieter FlexStrom selbst wurde sich auf monatliche Vorauszahlungen für die Netznutzungsabrechnung geeinigt“, sagt Christian Miehling von der SWM-Pressestelle.
Gleichzeitig beruhigt er: „Sollte einem Strom- oder Gasversorger der Zugang zum Netz entzogen werden, brauchen sich die betroffenen Kunden keine Sorgen zu machen, dass sie im Dunkeln sitzen oder frieren müssen.“ Sie würden von den SWM im Rahmen der Grund- oder Ersatzversorgung beliefert.
Durchaus beruhigend. Aber mein Problem ist ja eigentlich ein anderes: Muss ich den gestiegenen Preis für mein Ökostrom-Paket zahlen oder nicht? Anruf bei der Verbraucherzentrale Bayern. Dort erklärt mir Daniela Czekalla: „Vorauskasse, Neukundenbonus und dann dieser extrem niedrige Preis – da sollten bei Ihnen alle Alarmglocken schrillen!“
Der Verbraucherschutz Was machen unglückliche Löwenzahn-Kunden denn jetzt? „Erstens ist die Preismitteilung per E-Mail unwirksam, weil ja durchaus die Gefahr besteht, dass die Mail im Spam-Ordner landet. Dazu gibt es ein Urteil des Dortmunder Landgerichts“, klärt mich die Verbraucherschützerin auf.
Wird die neue Rechnung auf dem Postweg zugestellt, hat man zwei Möglichkeiten: Man kann nach §41 Abs. 3 des Energiewirtschaftsgesetzes eine Sonderkündigung aussprechen – zum Datum der Preiserhöhung. „Haben Sie im Voraus bezahlt, haben Sie den rechtlichen Anspruch auf anteilige Rückzahlung der Beträge“, erklärt die Expertin. „Es kann aber sein, dass Sie Ihrem Geld dann lange hinterherrennen und gegebenenfalls klagen müssen.“
Der zweite Weg beruht darauf, dass „ein Anbieter eine Preisanpassung nur dann wirksam durchsetzen kann, wenn er eine gesetzliche Grundlage dafür hat“, sagt Daniela Czekalla. Dafür müsste er im Vertrag in Form einer Rechenformel darstellen, in welcher Höhe die Abschläge eventuell steigen könnten – und warum. „Das ist allerdings so kompliziert, dass ich es noch nie in einer rechtlich korrekten Form gesehen habe“, so die Verbraucherschützerin.
Der letzte Ausweg
Deshalb gelte in der Regel: „Man macht einen Vertrag zu einem bestimmten Preis und der muss bis zum Vertragsende gelten.“ Aufgrund dessen sei es ebenfalls möglich, die Preisanpassung schlicht abzulehnen. „Allerdings kann auch das unangenehme Folgen haben: dass man gemahnt wird, der Anbieter den Vertrag beendet oder klagt. Aber keine Sorge: So lange das Verfahren läuft, darf er Ihnen die Zufuhr nicht sperren.“ Wer in Vorkasse gegangen ist, kann den Anbieter so immerhin zwingen, ihn so lange wie rechtlich möglich zu beliefern.
Übrigens: Ich habe Operation Pusteblume per Sonderkündigung beendet. In der Fortsetzung dieser Geschichte erzähle ich dann, wie lange und wie erfolgreich ich meinem Geld hinterhergelaufen bin.
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