Hier werden Münchens Räder frühlingsfit
München - Die Reifen haben zu wenig Druck, der Rahmen scheppert und beim Bremsen quietscht es gewaltig. Das Rad, das sich Abdur Rehman Mazhar vor kurzem für 50 Euro gekauft hat, fährt noch – doch es hat eine Frischekur nötig. Damit steht der 24-jährige Student aus Pakistan vor der gleichen Frage wie viele andere Münchner nach dem langen Winter: Warten, bis ein Fahrradshop in ein paar Tagen wieder einen Termin frei hat und einen Profi beauftragen – oder testen, was man selbst richten kann?
Für immer mehr Münchner lautet die Antwort „Bikekitchen“. Ein regelmäßiges Treffen von Fahrradbegeisterten, die gemeinsam an ihren Rädern herum schrauben. Das besondere daran: Ehrenamtliche Helfer geben Tipps und Ratschläge. Werkeln muss jeder selber.
Auch Abdur ist im Internet darauf gestoßen: Mit neugierigem Blick schiebt er sein Radl um kurz nach 18 Uhr in den Club „8below“ in der Schützenstraße und weiß gleich: Er ist richtig. Heute findet hier "Bikekitchen" statt. Wo sonst getanzt wird, sind ordentlich dutzende Schraubschlüssel, Zangen und andere Werkzeuge ausgebreitet. Im Hintergrund läuft Musik. Eine freundliche Begrüßung. Problemanalyse. Und los geht’s. Am Ende des Abends wird sein Rad bereits weniger scheppern und sich besser fahren lassen. Ein Rennpferd wird aus einem Pony freilich nicht.
Einmal, manchmal auch zweimal im Monat findet „Bikekitchen“ statt. Die feste Anlaufstelle ist das Green City Loft in der Goethestraße. Aber auch im "8below" waren die Radler bereits oft - dort findet im Anschluss meistens ein Konzert statt oder ein DJ legt auf. Begonnen hat alles 2010. Damals brachten die Initiatorinnen Paulina Klaput und Kirstin Peter die Idee zur Selbsthilfe-Werkstatt aus Kanada mit. „Dort gibt es eine größere Fahrradkultur als in München“, erzählt die 37-jährige Kirstin. Was dort geht – gemeinsam Radl reparieren und daraus ein Happening machen – sollte auch in München funktionieren.
Und tatsächlich: Seit kurzem ist „Bikekitchen“ ein eingetragener Verein, viele Helfer unterstützen das Projekt und die Aktion spricht sich immer mehr rum – sei es Mund zu Mund oder via Facebook, wo die Gruppe 500 Fans hat. Finanziert wird das Ganze durch Spenden. „Durch unsere Aktionen wollen wir mehr Leute zum Fahrradfahren motivieren“, sagt Kirstin Peters. Damit untrennbar verbunden: Themen wie Nachhaltigkeit, Recycling und „Do it yourself“.
An diesem Abend im März sind vier feste Helfer dabei, doch bald zeigt sich, wie das Konzept eigentlich funktioniert: Die einen, die gerade noch selbst geschraubt haben, helfen jetzt den Neuankömmlingen.
So wie Claudia Schindler. Sie besucht „Bikekitchen“ regelmäßig. Heute stand bei ihrem 15 Jahre alten Radl bereits der Frühjahrs-Check an: Bremsen erneuern. Kette ölen. Rahmen polieren. Lichtcheck. Im Fahrradladen müsste sie alles in allem wohl leicht 60 Euro berappen. Nach getaner Reparatur gibt sie ihr Wissen weiter: „Es macht mir Spaß, anderen zu helfen. Je mehr ich über Fahrräder lerne, desto größer wird die Leidenschaft.“
Gerade erst erlebte sie selbst, was Profi Paulina damit meint, wenn sie sagt: „Manchmal hilft beim Schrauben nur das ’Trial-and-Error’ Prinzip.“ Versuch und Irrtum bedeutet in Claudias Fall: Als die Bremsbeläge gerade ausgewechselt und die Bremsen wieder montiert sind, fällt Paulina auf, dass die Bremsen anders angebracht sind als sonst üblich. Rechts am Lenker ist hier der Hebel für die Vorderradbremse, links für die Hinterradbremse. Die wichtige Lektion bei „Bikekitchen“: Jedes Rad ist anders.
Und jedes Rad ist willkommen. Ob Abdurs kleines Damenrad oder Claudias Stadtrad. Ob wertvolles Rennrad, Fixie, Oma-Rad oder Mountainbike. Allein am Montag sind am Ende des Abends fast 40 Räder wieder frühjahrsfit. Und die Münchner Fahrradkultur um einige Anhänger reicher.
Mehr Informationen unter: www.bikekitchen.de - Jeden 2. Donnerstag im Monat im Green City Loft, Goethestrasse 34, Rückgebäude. 18 bis 21 Uhr
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Bremsbeläge nutzen sich mit den Jahren ab. Ein häufiges Problem: Wenn sich Metall löst, schädigt das die Felge. Die Beläge sollten mittig auf der Felge liegen – und nicht den Mantel berühren.
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Das Ventil steht schräg ab, weil sich der Schlauch beim Fahren im Mantel mitdreht? In diesem Fall hilft eine Prise Talkumpuder: Dieser verhindert, dass der eine Gummi (Schlauch) den anderen (Mantel) mitzieht.
- Beim Aufpumpen gilt die Faustregel: Der richtige Druck schont den Reifenmantel. Stadträder mit Alufelgen vorne mit 3 Bar aufpumpen, hinten mit 4. Bei alten Reifen lieber weniger: Dann reichen hinten 3,5 Bar.
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'Wer einen neuen Schlauch einbaut, sollte beachten: Die Rändelschraube am besten erst komplett zudrehen, wenn der Reifen ganz mit Luft aufgepumpt ist. Sonst entstehen Beulen.
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