Heizen mit Geothermie: Das ist die Lage in München

Geothermie wird von vielen als Hoffnung für Klimaschutz gesehen. Doch das Verfahren ist teuer - und geeignetes Personal fehlt auch hier.
Martina Scheffler
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Die Heizzentrale "Am Wiesäckerbach" in Garching. "Von allen Energieerzeugern optisch und physisch am harmlosesten anzusehen" seien die Geothermie-Anlagen, findet Andreas Blassy, Head of Digital & Energy Services von Caverion Deutschland
Die Heizzentrale "Am Wiesäckerbach" in Garching. "Von allen Energieerzeugern optisch und physisch am harmlosesten anzusehen" seien die Geothermie-Anlagen, findet Andreas Blassy, Head of Digital & Energy Services von Caverion Deutschland © Energie-Wende-Garching GmbH & Co KG

München - Eigentlich ging es nur darum, einem Kunden bei der Fehlerbehebung zu helfen. Das Münchner Gebäudetechnik-Unternehmen Caverion, dessen Bereich Digitales und Energie Andreas Blassy verantwortet, wurde wegen Problemen mit der Wärmeversorgung in einem Hotel gerufen.

Caverion passte bei der Versorgung des Gebäudes mit Geothermie technische Parameter so an, dass die Rücklauftemperatur sehr stark nach unten ging. Und das, so schreibt der Bundesverband Geothermie, "wirkt sich positiv auf die thermische Wärmeerzeugung aus, insbesondere bei der Abgaskondensation".

Heizen mit Geothermie
Heizen mit Geothermie © dpa

Geothermie-Anlagen befördern die Erdwärme mit heißem Wasser als Träger aus verschieden tiefen Erdschichten (bei oberflächennaher Geothermie bis zu einer Tiefe von 400 Metern) durch Sonden oder Kollektoren an die Oberfläche und geben die Wärme an Kunden ab. Das abgekühlte Wasser geht letztlich wieder zur Anlage zurück (siehe Grafik).

Caverion kooperiert mit Energie-Wende-Garching

Der Unterschied zwischen der sogenannten Vorlauf- und der Rücklauftemperatur "bestimmt zusammen mit dem umgewälzten Volumen die entzogene Wärmeleistung", so der Bundesverband weiter. "Aus diesem Grund ist es anzustreben, dass die Rücklauftemperatur möglichst niedrig ist."

Inzwischen kooperiert Caverion unter anderem mit Energie-Wende-Garching. In einem Zeitraum von elf Monaten konnten durch die Optimierung des Systems, die unter anderem zur Senkung der Rücklauftemperaturen führt, 278 Megawattstunden (MWh) Energie eingespart werden. Die Wärmeleistung stieg von 7.500 auf 10.000 Kilowatt in etwa einem Jahr.

Andreas Blassy.
Andreas Blassy. © Caverion Deutschland

Mithilfe der Anpassung ließe sich zudem Versorgungssicherheit herstellen, sagt Blassy der AZ. Das System könne man auch auf andere Nutzer ausdehnen. Mittlerweile hat Caverion Blassy zufolge fast ein Dutzend Anlagen analysiert.

Viele sehen in Geothermie eine Möglichkeit, der Abhängigkeit von Gas zu entkommen. Bayern bietet sich dafür aufgrund seiner Bodenbeschaffenheit besonders an. Bundesweit gibt es (Stand 2022) 42 Geothermie-Anlagen. Bei sachgerechter Bewirtschaftung sei Erdwärme als Energiequelle "unerschöpflich", schreibt das Bayerische Landesamt für Umwelt. Die Umwelteffekte, also Auswirkungen auf Natur und Gesundheit, sind dem Umweltbundesamt zufolge "lokal begrenzt und technisch beherrschbar".

Auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat das Thema im Blick. "25 Prozent und mehr des Wärmebedarfs von Wohnungen im Freistaat könnte durch Geothermie abgedeckt werden", heißt es aus dem Ministerium, das gleichzeitig auf einen Grund hinweist, warum man derzeit nicht so weit ist: hohe Kosten für die Erschließung.

Ein Geothermiekraftwerk kostet sehr viel Geld

"Ein Geothermiekraftwerk kostet sehr viel Geld", sagt auch Andreas Blassy. Mit einem zweistelligen Millionenbetrag müsse man rechnen. Außerdem müsse man als Anlagenbetreiber die Wärme "rund um die Uhr losbekommen, das heißt, sie brauchen garantierte Abnehmer, sonst lohnt sich das nicht". Dazu müsse erst ein ganzes Fernwärmenetz gebaut werden. "Das ist auch sehr teuer."

Viele Kunden, sagt Blassy, wollten gerne Siedlungen anschließen. "Das funktioniert aber nicht rentabel." Die Kosten pro Meter Leitung seien so hoch, dass sich selbst nach 20 oder 30 Jahren die mögliche Einsparung nicht rechnen werde. Für einen stärkeren Ausbau der Geothermie brauche man konstante Großabnehmer wie Industrie oder Gewerbe - oder zumindest eine aktive Förderung der Kommune.

Ein weiteres Problem: der Faktor Zeit. "Eine Geothermie-Anlage zu planen, zu konfektionieren und umzusetzen, nimmt sehr, sehr viel Zeit in Anspruch", sagt Blassy. Von Probebohrungen bis Inbetriebnahme könnten Jahre vergehen.

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Kann die Geothermie nun das Ruder herumreißen in puncto Abhängigkeit von fossilen Energien? Ein "Gamechanger" sei sie auf keinen Fall, sagt Blassy. Geothermie gebe es nicht überall, sei also regional begrenzt. Auch Fachkräfte seien rar.

Caverion etwa versuche zu wachsen, werde aber durch den Arbeitsmarkt ausgebremst. Bis zu drei Jahre dauere es, bis Mitarbeiter Anlagen einrichten könnten.

"Es wird so sein, dass wir mehrere verschiedene Energiequellen nutzen", glaubt Blassy in Bezug auf die Zukunft der Versorgung. Schließlich sei Windkraft nur bei Wind, Solarenergie nur bei Sonnenschein nutzbar. Nur in Kombination könne man irgendwann CO2-neutral werden. Dafür aber sei eine Geothermie-Anlage "von allen Energieerzeugern optisch und physisch am harmlosesten anzusehen", gering im Flächenverbrauch und zudem weitgehend wartungsfrei.

Auch die Stadtwerke München setzen massiv auf Tiefengeothermie - vor allem mit ihr soll das Ziel erreicht werden, bis spätestens 2040 den Münchner Bedarf an Fernwärme CO2-neutral zu decken. Und in Sendling wurde Deutschlands größte Geothermieanlage errichtet.

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2 Kommentare
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  • gubr am 02.02.2023 07:40 Uhr / Bewertung:

    Wie befürchtet wieder so ein Artikel,der viel schreibt und nichts sagt. Wie z.B steht es aktuell mit der "großten Geothermieanlage" die in Sendling entsteht? Ich habe schon so viele Artikel gelesen, die so allgemeines Zeug wiedergegeben haben aber nirgends etwas über bestehende und im Bau befindliche Anlagen, über deren Baufortschritt, wann die mit einer Fertigstellung gerechnet werden kann, wer, wann, wo voraussichtlich angeschlossen werden kann usw. Das können gerne sowohl gute als auch schlechte Nachrichten sein aber bitte was konkretes. Selbst die Internetseiten der Stadtwerke liefern nur schwammige Informationen.

  • ClimateEmergency am 01.02.2023 20:30 Uhr / Bewertung:

    ""...kostet sehr viel Geld", ... Mit einem zweistelligen Millionenbetrag müsse man rechnen."

    Sparen wir den Auto-Tunnel für BMW ein, können wir uns also schon mal mindestens 10-100 Stück von diesen Kraftwerken hinstellen. Heizung ist wichtiger als sinnfrei Geld verprassen und sich von BMW rumkommandieren zu lassen.

    Wenn Aiwanger aufhört Scheekanonen zu subventionieren, spülen wir uns nochmal bis zu 5 Kraftwerke in die Kassen.

    "Ein weiteres Problem: der Faktor Zeit. "Eine Geothermie-Anlage zu planen... nimmt sehr, sehr viel Zeit in Anspruch""

    Na dann wird es höchste Eisenbahn endlich anzufangen!

    "Auch Fachkräfte seien rar"

    Wir werden es doch in Bayern schaffen Leute auszubilden, oder?
    Die Pistenbetreiber, die aktuell subventioniert werden, sind vielleicht an einer Weiterbildung interessiert?
    Dann wären noch die ganzen Landwirte, die wegen Veganern Angst haben ohne Arbeit dazustehen? Auch hier könnte man weiterbilden
    Obdachlose resozialisieren und ausbilden.

    Lauter jammerei

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