"Heimat von vielen kaputtgemacht": So kämpfen Gäste für Rettung von Traditionslokal in München

München - Durch die Fenster im Dachfirst scheint die Nachmittagssonne in den Gastraum. Stützbalken aus dunklem Holz heben sich von der schrägen, weißen Decke ab, an den Wänden hängen Bilder und Wimpel. Seit 25 Jahren ist Rudolf Gartner Stammgast im Blaustern auf der Bezirkssportanlage an der Demleintner Straße in Sendling. Früher hat sein Sohn hier Fußball gespielt, erzählt der 62-Jährige, so wurde er auf die Gaststätte aufmerksam.
In all den Jahren hat sich nichts verändert, wie er sagt, "alles schaut identisch aus". Nun könnte sich doch etwas ändern: Der Blaustern wird möglicherweise durch einen Kiosk ersetzt.
Modernisierung in den kommenden Jahren
Gegen Ende 2023 hat ein Bekannter von Stammgast Gartner auf die Pläne der Stadt aufmerksam gemacht: Bei der Modernisierung von Freisportanlagen soll in Zukunft auf Gaststätten verzichtet werden. Stattdessen soll es Gemeinschaftsräume mit Kioskküche geben. Diese Maßnahme ist Teil des Sportbauprogramms des Referats für Bildung und Sport (RBS), das der Stadtrat einstimmig angenommen hat. Betroffen sind neben der Bezirkssportanlage an der Demleitner Straße aktuell auch die an der Westpreußenstraße in Englschalking und an der Feldbergstraße in Trudering. Alle drei sollen in den kommenden Jahren modernisiert werden.
Modernisierung der Sendlinger Bezirkssportanlage soll zusätzliche Flächen für den Sport bringen
Das RBS begründet die Pläne mit der oftmals begrenzten Fläche für den Sport bei gleichzeitig wachsenden Bedürfnissen der Vereine und Sportler. Bei der Modernisierung will man zusätzliche Flächen für Sport schaffen, Raum für Umkleiden, Duschen, sowie Abstell- und Lagerräume. Die Anlagen sollen dadurch inklusiver werden und mehr Menschen die Möglichkeit bieten, sie zu nutzen. Für Gaststätten ist der begrenzte Platz hingegen nicht mehr gedacht.
Gartner will das nicht hinnehmen und hat eine Petition für den Erhalt des Blaustern gestartet. Am vergangenen Freitagnachmittag hat er eine dicke Klarsichtmappe vor sich auf dem Tisch im Gastraum liegen, darin sammelt er die Unterschriften. Mehr als 2000 Menschen haben mittlerweile unterzeichnet – eine Zahl, mit der Gartner nicht gerechnet habe. Es gehe ja nicht um etwas so Hochtragendes wie bessere Luft in der Stadt, sagt er, "sondern um eine einzelne Gaststätte."
"Zum Blaustern" in München: Für Gartner nicht nur "irgendeine Gaststätte"
Für Gartner ist der Blaustern jedoch nicht einfach nur irgendeine Gaststätte: "Es ist eine Wirtschaft, an der das Herzblut vieler Leute dran hängt." Tatsächlich herrscht im Blaustern eine entspannte, familiäre Atmosphäre. Schräg hinter Gartner spielen fünf ältere Herren Karten, am Tisch daneben sitzt ein Pärchen, eine kleine Gruppe wartet auf ihr Essen.
Für einen Freitagnachmittag ist die Gaststätte durchaus belebt. Abends und an den Wochenenden wird es noch voller, sagt Gartner: "Am Sonntag kriegt man hier keinen Platz ohne Reservierung." Das Essen – kroatische und bayerische Küche – sei gut und preiswert. "Aber man muss auch nichts essen", so Gartner. Manche kämen nur für die Geselligkeit in den Blaustern.

Die Gaststätte habe viele Stammgäste, Karten- und Brettspieler sehe man ebenso wie Familienfeiern. Eltern könnten hier entspannt warten, während ihre Kinder auf der Anlage Sport machen oder spielen. Auch bei Sehbehinderten und Blinden ist der Blaustern laut Gartner beliebt, der Wirt sei gut auf ihre Bedürfnisse eingestellt.
Der "Blaustern" in München: "Ein sozialer Treffpunkt"
Und für ältere Menschen ist der Blaustern ein sozialer Treffpunkt, sagt Gartner: "Es wird nicht nur eine Kneipe kaputtgemacht, sondern die Heimat von vielen Senioren." Seit 30 Jahren empfängt die Familie von Wirt Mladen Balta die Gäste im Blaustern. Vor ihm stand schon sein Onkel am Tresen. Balta ist ebenfalls besorgt – und vor allem überrascht. Die Gaststätte laufe doch gut, er kann also eigenen Worten zufolge nicht nachvollziehen, wieso man sie jetzt schließen sollte.

Der Wirt wünscht sich vor allem Klarheit, ob und wann er zumachen muss. Personal, Gäste, alle würden ihn immer wieder fragen, wie es weitergehe. Doch das weiß Balta nicht. Gartner versteht grundsätzlich, dass die Bezirkssportanlagen saniert werden müssen, wie er sagt. Er kann sich auch vorstellen, dass ein Kiosk anstelle einer Gaststätte auf anderen Anlagen sinnvoll sein kann – wenn es zum Beispiel Ärger mit dem Wirt gibt oder zu wenig Gäste kommen. Aber das sei im Blaustern alles nicht der Fall.
Zwei Varianten in der Vorplanung
Auf der Bezirkssportanlage wäre zudem seiner Ansicht nach genug Platz, um die Gaststätte trotz Umbauten und Erweiterungen für die Vereine noch erhalten zu können. Auf Anfrage weist das Referat darauf hin, dass kein "grundsätzlicher Wegfall der gastronomischen Versorgung" vorgeschlagen worden sei. Die bisherige Gastronomie weiterzuführen, sei in Ausnahmefällen eine Möglichkeit, die geprüft werde.
Die Vorplanung soll sich mit beiden Varianten – Kiosk und Gaststätte – beschäftigen und unter anderem klären, was flächenmäßig umsetzbar ist und welche Kosten zu erwarten sind, schreibt das RBS. Mit den Ergebnissen befasse sich dann der Stadtrat. Nach Schätzung des RBS wird die Vorplanung allerdings noch mehr als zwei Jahre in Anspruch nehmen.
Von der Vorplanung sei auch abhängig, ob oder wie lange der Blaustern schließen müsse. "Sollte die Gaststätte an selber oder anderer Stelle bestehen bleiben, könnte laut RBS alternativ zu einer Kündigung auch das Ruhen eines Miet-/Pachtvertrags erwogen werden".
Gartner gibt die Hoffnung nicht auf, dass der Blaustern gerettet werden könnte. Den Bezirksausschuss hat er auf seiner Seite, er sprach sich Anfang des Jahres einstimmig für den Erhalt der Gaststätte aus. Gartner geht es eigenen Worten zufolge darum, deutlich zu machen: "Der Blaustern gehört zu Sendling. Man kann ihn nicht einfach so streichen."