Heikle Gerichtsentscheidung in München: Regel im Mietrecht trifft Mieter sehr hart

München - Dass ein Vermieter aufgrund galoppierender Inflation einen sogenannten Stichtagszuschlag einfordern kann, hat das Amtsgericht in einem Urteil vom 29. November festgestellt. Für Mieter keine gute Nachricht. In dem jetzt entschiedenen Fall verlangte der Vermieter im Mai dieses Jahres vom Mieter einer Drei-Zimmer-Wohnung im Stadtbezirk Sendling-Westpark die Zustimmung zur Erhöhung der Miete von 990 Euro auf 1.094 Euro.
Die Mieter stimmten aber zunächst lediglich einer Erhöhung auf 1.022 Euro zu. Denn ausgehend von der Miete gemäß Mietspiegel 2023 in Höhe von 13,11 Euro pro Quadratmeter berechnete sich für die streitgegenständliche Wohnung (Wohnfläche 77,7 Quadratmeter) eine Miete in Höhe von 1.018 Euro.
Der Mietspiegel allein reicht der Richterin aber nicht. Zu der ortsüblichen Miete ist, nicht nur nach ihrer Auffassung, noch der Stichtagszuschlag hinzuzurechnen. Stichtagszuschlag? Der wird so berechnet: Grundlage der Berechnung sind die Daten des Statistischen Bundesamtes zu den Lebenshaltungskosten. Laut Bundesamt betrug der Lebenshaltungskostenindex im Monat Januar 2022 – dem Zeitpunkt der Datenerhebung für den Mietspiegel – 105,2 Punkte.
Auswirkungen des Stichtagszuschlags auf Mietpreise und Mieterrechte in München
Am 31. Mai 2023, dem Zeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens, lag er bereits bei 116,5 Punkten. Eine Differenz von 11,3 Punkten. Dementsprechend beträgt der Stichtagszuschlag 10,74 Prozent. Die Mietspiegelmiete von 13,11 Euro erhöht sich daher auf 14,51 Euro für den Quadratmeter. Bei 77,7 Quadratmetern Wohnfläche beträgt die höchst zulässige Miete somit 1127,43 Euro. Der Klage auf Zustimmung zur Erhöhung auf 1094,80 Euro war somit vollumfänglich stattzugeben, so das Amtsgericht.

Der Stichtagszuschlag ist bereits "ständige Rechtsprechung", erklärt Rudolf Stürzer, Vorsitzender von Haus+Grund, im AZ-Gespräch. Bislang spielte diese Rechtslage nur kaum eine Rolle. Es habe sich bei der geringen Inflationsrate für Vermieter schlicht nicht gelohnt, diesen Zuschlag einzufordern, sagt der Haus+Grund-Chef.
Doch es gibt einen Haken für Vermieter: Der Stichtagszuschlag kann nicht schon beim Mieterhöhungsverlangen eingefordert werden. Erst wenn es zur Klage kommt, weil sich der Mieter weigert und ein Gericht über die ortsübliche Miete entscheiden muss, kommt der Stichtagszuschlag zur Anwendung, erklärt Stürzer. Weil "die ortsübliche Vergleichsmiete nicht statisch, sondern dynamisch zu ermitteln ist". Stürzer rechnet damit, dass künftig sogar noch höhere Zuschläge möglich sind.
Empfehlungen für Mieter in München: Umgang mit dem Stichtagszuschlag in Zeiten hoher Inflation
Was für Mieter wiederum zur Folge hat, den Stichtagszuschlag in ihrer Abwägung, ob sie eine Mieterhöhung akzeptieren sollten oder besser nicht, miteinzuberechnen. Am besten ist es wohl, sich beraten zu lassen. Zum Beispiel vom Münchner Mieterverein. Die Geschäftsführerin des Vereins, Angela Lutz-Plank, ist von dem Urteil nicht überrascht: "Das war und ist leider Praxis bei den Gerichten, doch ein oder zwei Prozent Inflationszuschlag mehr fielen nicht so stark ins Gewicht."
Das hat sich in den letzten Jahren geändert: "Durch die hohe Inflation trifft ein solches Urteil die Mieterinnen und Mieter in ohnehin schweren (und teuren) Zeiten besonders hart", sagt die Geschäftsführerin. Einziger Lichtblick für Lutz-Plank: "Wichtig ist, dass der Vermieter den Stichtagszuschlag nicht bereits in der Mieterhöhung geltend machen darf."