Hazel Brugger begeistert im ausverkauften Circus Krone

Hazel Brugger bringt mit ihrem zweiten Soloprogramm "Tropical" den ausverkauften Circus Krone in Stimmung. Die Kabarettistin bewegt sich zwischen politischem Statement und totalem Nonsens.
München - Mit ihren 25 Jahren gehört Hazel Brugger sicherlich zu denen, die man Digital Natives nennt. Sprich, sie wurde in eine Welt hineingeboren, in der die digitale Revolution schon längst keine Revolution mehr war. Aber Brugger weiß dann doch noch, wie das analoge Leben vorher aussah und kann daraus ein paar Pointen schöpfen. Während beispielsweise ein Vibrieren am Oberschenkel heute gewiss und sozial beruhigend vom Smartphone rührt, war das vor zwanzig Jahren noch ein gefährliches Zeichen: "Okay, mein Oberschenkel vibriert. Ich glaube, ich habe einen Schlaganfall."
Was man spürt und dann daraus schließt, ist also je nach Zeit und Temperament ganz verschieden. Die Lacher, welche heutige Comedians erzeugen, kann man als befreiend oder als billig empfinden – das Kabarett bekommt als große, ältere Schwester der Comedy jedenfalls immer noch ein bisschen mehr Respekt. Wobei Brugger allein das Wort "Respekt" etwas blöd findet und sich eher in der Tradition der Standup-Comedy sieht, die vor allem im anglo-amerikanischen Bereich weiterhin gang und gäbe ist und sich frei zwischen politischem Statement und totalem Nonsens bewegen darf.
Als Solo-Künstlerin gerne auch mal politisch unkorrekt
Während Brugger als Außenreporterin der "Heute-Show" durchaus politische Satire macht, widmet sie als Solo-Künstlerin in ihrem zweiten Bühnenprogramm "Tropical" vor allem dem Alltag, streift das abgenudelte, aber niemals tot zu kriegende Gegensatzpaar Frau-Mann oder erzählt offenherzig von ihren Besuchen bei ihrem Gynäkologen, der so alt ist, dass er seinen Weg zum Untersuchungsziel eher erahnt als zielstrebig findet. Brugger macht solche Szenarien mit ganz entspanntem Körperspiel sichtbar und zeigt sich an anderer Stelle besonders talentiert darin, Tiere darzustellen, etwa eine Gans, die einem Vierjährigen den Arm bricht, oder einen Kauz, den sie für eine Show mieten möchte.
Allein nur kauzig will sie natürlich nicht sein, sondern gerne auch böse, was dann doch schlicht geschmacklos wird. Wenn sie sich an "Wetten, dass?!" erinnert, jene Samstagabendshow, die sie mit ihren Eltern und zwei Brüdern einst gemeinsam vor dem heimatlichen, großen Bildschirm gucken durfte, dann greift sie absichtlich daneben, wenn sie meint, dass die Sendung doch immer dieselbe Spannung hatte, auch am Ende: "wird einer behindert oder nicht?" Im Lachen steckt dann ein Raunen, Hazel gibt sich politisch unkorrekt und scherzt: "Ich wollte nur mal ihre Grenze austesten".
Hazel Brugger hat ihr Publikum voll im Griff
Bruggers Vater kommt aus der Schweiz, ihre Mutter stammt aus Köln. Die Tochter nun vereint, klischeehaft gesagt, den höflichen Charme und trockenen Humor der Schweizer mit der beherzten Schnoddrigkeit einer Rheinländerin. Locker kann Brugger zwischen den Mundarten wechseln; der Köllsche Dialekt klinge dabei, "als ob die Zunge 2,0 Promille hat und der Rest normal ist." Den nervigen körperlichen Drive mancher ihrer Kolleg*innen hat Brugger nicht, sondern ist eher unterspannt, schlägt einen angenehm nebensächlichen Tonfall an, was manche Pointen umso besser knallen und die Nieten vorbeirauschen lässt. Ihr Publikum hat sie aber sowieso schnell im Griff.
In der wesentlich besseren zweiten Hälfte berichtet sie unter anderem von ihrem Versuch, in einer Schweizer Bank einen Kredit aufzunehmen. Die Kundin Hazel schrumpft da angesichts des Prunks der Einrichtung zu einem Kleinkind, das sich vom edel bezwirnten Personal zwar von oben herab behandeln lässt, aber mit entwaffnendem Charme besticht: "Ich hab‘ gehört, ihr habt’s megaviel Geld." Bruggers Humor ist infantil, dann wieder hintersinnig und treffsicher.
Dabei pflegt sie einen entspannten Feminismus, nimmt beide Geschlechter aufs Korn. Während die Herren der Schöpfung sich etwa mit Typen wie James Bond einfach neidlos wie tumb identifizieren können, werden die Damen beim Anblick von Models boshaft: "Okay. Sie hat diese Beine. Sie muss also megahohl sein."
Fischfrau Dori aus Karrierevorbild
Als eigenes Karrierevorbild nennt Brugger die Fischfrau Dori aus "Findet Nemo" – eine animierte Heldin, die trotz ihrer Demenz mittlerweile selbst die Hauptrolle in einem Kinofilm spielen durfte. Doch hey, Bruggers eigene Laufbahn verläuft ja auch schon prächtig: Mit Mitte Zwanzig bespielt sie den Circus Krone. Und eines Tages, ja, irgendwelche Stadien? Besseres Material als Mario Barth hat sie auf jeden Fall, und wenn sie am Ende auf Fragen aus dem Publikum spontan reagiert, zeigt sich auch ihr Improvisationstalent. Wieso sie ihr zweites Programm "Tropical" genannt hat, musste sie dabei wohl schon des Öfteren erklären, aber manches klingt doch wie aus der Hüfte geschossen: "Ich heiße Hazel. Hab‘s überlebt. Also kann auch mein Programm einen blöden Namen haben." Stimmt.
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