Haushaltsdebatte im Münchner Stadtrat: Streit ums (viele) Geld

München - Seit zwei Jahren steckt die Welt mit Corona in einer Krise. Das könnte man fast vergessen, wenn man bloß auf die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt blickt: Diese liegen bei einem Rekord von 3,3 Milliarden Euro. So gab es der Kämmerer Christoph Frey (SPD) gestern bekannt, als der Stadtrat den städtischen Haushalt beschloss.
120 Millionen Euro-Plus für München
Das "finanzpolitische Krisenmanagement" sei ein Erfolg gewesen, sagte Frey. Noch im Sommer war der Kämmerer davon ausgegangen, dass München auf ein historisches Minus von 718 Millionen Euro zusteuern würde. Stattdessen landet die Stadt nun bei einem Plus von mehr als 120 Millionen Euro. Dieses Plus wäre sogar noch größer ausgefallen. Aber dann beschloss der Stadtrat Ende des vergangenen und Anfang dieses Jahres doch noch mehr Geld auszugeben.

Große Investitionen dämpfen die Euphorie
Euphorie über die Zahlen herrschte dennoch keine: Denn München hat in den nächsten drei Jahren große Investitionen von 8,1 Milliarden Euro vor. "Ohne eine kräftige Beteiligung von Bund und Freistaat wird uns die Luft ausgehen", warnte Frey. Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) fordert im Stadtrat mehr Geld aus Berlin. Aus seiner Sicht reichen die Mittel, die die Ampel-Koalition in ihrem Koalitionsvertrag für Kommunen ankündigte, nicht aus.

Hier soll das Geld angelegt werden
Alleine 2022 plant die Stadt Investitionen von 1,8 Milliarden Euro. Davon steckt sie 700 Millionen Euro in Schulen und Kitas. Fast 100 Millionen Euro gibt die Stadt von nun an jedes Jahr für bezahlbare Wohnungen aus. Ebenso viel soll jedes Jahr in den Klimaschutz fließen. Bis 2025 soll etwa eine Milliarde in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs fließen.
Mehrausgaben für die "drängenden Fragen der Gegenwart"
Dazu kommen Mehrausgaben für die "drängenden Fragen der Gegenwart", wie es der Chef der Grünen-Fraktion, Florian Roth, ausdrückte: Mit 7,5 Millionen Euro will die Stadt die sozialen Folgen der Corona-Pandemie abfedern, mit einer Million Euro die Innenstadt beleben und mit 15 Millionen Euro die Digitalisierung vorantreiben. Außerdem initiiert die Stadt einen Bürgerhaushalt mit einem Volumen von einer Million.
Ohne Kredite kann sich München all das trotz der hohen Gewerbesteuer nicht leisten: Die Stadt wird sich mit 1,1 Milliarden Euro neuverschulden. Am Ende dieses Jahres, so kündigt es der Kämmerer an, werde München einen Schuldenstand von zirka 2,6 Milliarden Euro ausweisen.
München muss gut haushalten
Um sich die Zinsen und die Tilgung dieses Schuldenbergs leisten zu können, muss München in den nächsten Jahren gut haushalten. Es sei nötig, dass jedes Jahr ein Überschuss von 400 Millionen Euro erwirtschaftet werde - also fast viermal so viel wie in diesem Jahr, in dem die Gewerbesteuereinnahmen so hoch waren wie nie zuvor. Frey verglich angesichts dieser Zahlen die Stadt mit einem Hochseilartisten, der sich gut gegen Windstöße wappnen müsse.
"Die Stadt verfrühstückt all ihre Reserven"
Die Opposition befürchtet, dass er vom Seil geweht wird. CSU, AfD, FDP, ÖDP, Freie Wähler aber auch die Linke lehnten den Haushalt ab. "Die Stadt verfrühstückt all ihre Reserven", es bleibe kein Spielraum mehr, führte CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl aus. Er fürchtet sogar, dass die Regierung von Oberbayern den Münchner Haushalt bald nicht mehr genehmigen werde.

Kritik an den Prioritäten
Außerdem setze die grün-rote Rathauskoalition aus Sicht Pretzls die falschen Prioritäten: Statt Geld für den Radverkehr auszugeben, solle die Stadt lieber die Sanierung von Schulen vorantreiben. Und statt für acht Tramlinien Machbarkeitsstudien in Auftrag zu geben, solle die Stadt lieber realistisch bleiben und eine oder zwei Linien mit viel Schwung vorantreiben. Auch dass das Mobilitätsreferat 44 Stellen mehr bekommt, hält Pretzl für falsch.

Reformen und Digitaliserung stehen an
Sogar der Personalreferent Alexander Dietrich (CSU) wies darauf hin, dass in der Münchner Stadtverwaltung doppelt so viel Personal für die gleichen Aufgaben vorhanden sei wie in anderen Kommunen. Es sei notwendig, Reformen und die Digitalisierung weiter voranzutreiben und Doppelstrukturen abzubauen. Ansonsten könne sich München die vielen Investitionen in den nächsten Jahren nicht leisten, befürchtet Dietrich.