Hauseigene Gefahr: Killerkeime in Kliniken

Multiresistente Erreger: Immer öfter breiten sich in Krankenhäuser gefährliche Keime aus – auch in der Landeshauptstadt. Allein 2009 wurden 87 Patienten registriert. Die Zahl der Todesfälle lässt sich nur erahnen.
von  Abendzeitung
Besonders gefährdet: Intensivstationen
Besonders gefährdet: Intensivstationen © dpa

MÜNCHEN - Multiresistente Erreger: Immer öfter breiten sich in Krankenhäuser gefährliche Keime aus – auch in der Landeshauptstadt. Allein 2009 wurden 87 Patienten registriert. Die Zahl der Todesfälle lässt sich nur erahnen.

Das Gesundheitsreferat (RGU) schlägt Alarm: Immer häufiger breiten sich gefährliche Keime in den Krankenhäusern aus. Allein im vergangenen Jahr wurden in München 87 Patienten registriert, die sich mit einem multiresistenten Erreger infiziert hatten. Und das ist sicher nur die Spitze des Eisbergs. Das RGU geht davon aus, dass bis zu 50 Prozent der Fälle gar nicht erst gemeldet werden.

Im Jahr 2006 waren lediglich zwei Ausbrüche solcher Infektionen bekannt geworden – mit insgesamt 19 betroffenen Patienten. Im vergangenen Jahr sind dagegen schon sieben Ausbrüche erfasst worden, so auch im Klinikum rechts der Isar. Dort wütete der „Acinetobacter baumanii“, der Krankheiten wie Lungenentzündung und Wundinfektion mit sich brachte.

„Das Thema ist zu einer großen Herausforderung geworden“, sagt Gesundheitsreferent Joachim Lorenz. Nicht nur in München, sondern in allen großen Kliniken mit Intensivstationen. „Es gab schon Fälle, wo wir Stationen schließen mussten, weil das nicht in den Griff zu kriegen war.“ Krankenhauskeime können lebensbedrohlich sein. Die Zahl der Todesfälle lässt sich aber nur erahnen.

Natürlich sind auch Hygienemängel schuld daran, dass sich die Erreger ausbreiten. Und solche Mängel gibt es laut RGU in allen 71 Münchner Krankenhäusern. Kleinste Fehler können da schon gravierende Folgen haben. Sei es, dass die Pflegekräfte nicht oft genug Hände waschen. Oder Strickjacken über ihrer Arbeitskleidung tragen, in denen sich Bakterien festsetzen. Das Hauptproblem ist oft der Personalmangel in unterfinanzierten Einrichtungen. Im Stress passieren Fehler.

Die infektionshygienische Überwachung ist Sache des RGU. Aber das ist völlig überlastet. Die Aufgaben der Behörde sind immer mehr geworden. Die Ausbrüche auch. De facto steht nur ein einzige Arztstelle für die Kontrolle aller 71 Krankenhäuser zur Verfügung. Deswegen finden die Hygienekontrollen auch nur noch „anlassbezogen“ statt.

Jetzt bittet das Referat den Stadtrat um zwei weitere Arztstellen für die Überwachung. Als „dringendsten Wunsch“ bezeichnet Lorenz aber eine Krankenhaus-Hygieneverordnung mit verbindlichen Vorschriften. Das ist Sache des Landes. Zudem könnten Risikopatienten einem „Screening“ unterzogen werden, wenn sie in die Klinik kommen. Laut RGU kostet das 40 Euro pro Test, doch die Kassen wollen nicht zahlen. Ein Fehler, findet Lorenz: „Es geht um Menschenleben.“Julia Lenders

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