Auf der Alm nahe München: Markus Söder im Trump-Look, Cem Özdemir in der Kritik, Aiwanger bejubelt

Buhrufe und ein Pfeifkonzert, so dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen konnte. Wurde so etwa Peter Ramsauer, Wahlkreisabgeordneter im Landkreis Traunstein im Festzelt in Hart bei Chieming am Dienstag empfangen?
Mit seinem Vergleich von Migranten mit Ungeziefer (AZ berichtete) hatte der Christsoziale auch in seinem Wahlkreis viele Menschen verstört.
Feinseliger Empfang für Cem Özdemir im Chiemgau: Landwirte verabreden sich online
Nein, nicht Ramsauer, sondern der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bekam einen überaus feindlichen Empfang im Chiemgau. Zahlreiche Landwirte hatten sich vorab über die Sozialen Medien verabredet.
Bei vielen Grünen sitzt der Schock tief über die Aggressivität im Festzelt. "Wenn Steine zum Mitnehmen bereitliegen am Eingang einer politischen Veranstaltung, dann ist eine Grenze erreicht. Das ist eine Einladung, diesen Stein auch zu werfen. Die Verrohung des politischen Diskurses macht mir große Sorgen. In so einem Bayern wollen wir alle nicht leben", sagt die bayerische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. Sie wünsche sich, dass der Wahlkampf mit Anstand und Respekt geführt werde.

Die Grünen setzten durch: kein Hendl auf dem Dorffest
"Es ärgert mich immer, dass man über die paar spricht, die protestiert haben. Und nicht über die 2.000 Leute, die da waren, zum Zuhören", sagt Özdemir der AZ. Der Abend sei großartig gewesen. Als Handballtorwart ertrage er es auch, wenn es mal laut werde. Zum Ärger über die Bundespolitik kam das "Hendlgate" – denn die Grünen setzten im Festausschuss durch, dass es am Dienstag kein Hendl geben sollte. Regional und möglichst Bio waren diese für den Festwirt nicht verfügbar.
"Jetzt wird uns auch noch vorgeschrieben, was wir essen", beschwert sich ein Bauer in den Sozialen Medien. Zwar standen auch am Dienstag noch Schweinsbraten und Currywurst auf der Karte. Letztere sogar in Bio-Qualität. Für einige Landwirte ist der Affront dennoch riesig: "Wenn einer mit kein Hendl anfängt, geht's weiter so. Dessen muss man sich immer bewusst sein." Özdemir selbst wird sich wohl nicht daran gestört haben. Der Bundeslandwirtschaftsminister ist Vegetarier.
Markus Söder bei der Hauptalmbegehung nahe München: Wie Donald Trump in Blau
Am Mittwoch wird Özdemir deutlich freundlicher begrüßt. Bei der Hauptalmbegehung am Sudelfeld trifft er auf den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. "Der sieht ja aus wie Donald Trump!", sagt ein Mann, als er Söder auf der Alm entdeckt.
Der trägt ein blaues Käppi mit dem Wappen des Freistaats und kombiniert dies mit einer ebenso blauen Jacke samt Bayern-Emblem. In der Tat erinnert er mit viel Fantasie an den "Make America Great Again"-Look des Ex-Präsidenten, obgleich der rot trägt.

Die Almwirtschaft wieder großartig zu machen, darum geht es bei der Hauptalmbegehung am. Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) kann es sich natürlich nicht nehmen lassen, zu so einem Termin zu kommen, wenn ihre Nemesis Özdemir aus Berlin extra kommt.
Der Schwabe Özdemir gibt sich auf der Almwiese versöhnlich und verständnisvoll: "Landwirtschaft ist hart. Almwirtschaft ist noch mal einen Zacken härter."
Özdemir will sich mit Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber wegen des Wolfs besprechen
Er weiß, dass das Thema Wolf gerade den Almbauern auf den Nägeln brennt. Erst im April war Söder samt Entourage nur ein Tal weiter nach Oberaudorf gekommen, wo nicht nur ein Wolf, sondern auch ein Bär Nutztiere getötet hatte. Für Özdemir ist die Sache klar, die jetzige Rechtslage gebe sogar her, dass man ganze Rudel entnehmen könne, sagt er der AZ. "Ich sage nur: machen!"
Von Kaniber erhalte er zwar viele Briefe, aber man könne sich gerne mal wegen der Thematik zusammensetzen. Dass allein das amtliche Procedere um die Entnahme des Traunsteiner "Problemwolfs" mehrere Monate dauerte, in denen das Tier inzwischen in Tschechien überfahren worden war, zumal Tierschützer erfolgreich gegen die Entnahme geklagt hatten - dazu kein Wort. Özdemir wird am Sudelfeld grundsätzlich freundlich begrüßt, wenn auch der Beifall für ihn etwas verhalten ausfällt. Er wandert auch tatsächlich den ganzen Tag mit.
Abfuhr von Michaela Kaniber (CSU): Cem Özdemir sei eine Enttäuschung
Seine bayerische Kollegin nimmt den spärlichen Applaus mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis, zumindest lässt sich ihr Gesichtsausdruck so lesen. Um dann gleich einmal verbal so richtig auszuteilen: "Ich habe mich gefreut, als ein Mann des Südens Bundeslandwirtschaftsminister geworden ist. Das kann ja gar nicht schlimm sein!" Ein Irrtum – aus den ganzen Ankündigungen sei nichts geworden. "Sie bauen die Nutztierhaltung knallhart in einer Geschwindigkeit ab!", echauffiert sich Kaniber. Deutschland habe inzwischen mehr Wölfe als Schweden und Norwegen zusammen, "verdammt noch mal!"
"Ich begrüße ausdrücklich, dass Sie die ganze Wanderung mitmachen – dann haben die Bäuerinnen und Bauern noch mal die Gelegenheit, Ihnen ihre Meinung mitzuteilen", sagt Kaniber und wähnt sich als Advokatin der Bauern. Nur ganz so kaufen sie ihr das auch nicht ab, zumindest nicht alle. Auch der Applaus für Kaniber fällt eher bescheiden aus. Manche Almbauern haben schon längst resigniert, von der Politik wollen sie nix mehr wissen. "Ich glaube die wollen überhaupt nicht mehr, dass hier was produziert wird", sagt ein Almbauer aus dem Landkreis Miesbach. "Da gibt einer bloß dem anderen die Schuld", sagt er.
Lob und Anerkennung von Landwirten für Hubert Aiwanger
Besser kommt bei einigen Freie-Wähler-Chef und Staatsminister für Wirtschaft Hubert Aiwanger weg. Denn der ist natürlich auch dabei. Böse Zungen behaupten ja, wo ein Kuhfladen liege, sei Aiwanger nicht weit. Schließlich hatte sich einmal höchstpersönlich um eine Bußgeldposse wegen der Hinterlassenschaft eines Rindes gekümmert.

Das kann man belächeln, bei vielen Almbauern trifft er einen Nerv. Es sind Sätze wie dieser: "Wir meinen, das Weltklima zu retten, wir meinen den Weltfrieden sichern zu können, aber sind nicht einmal in der Lage, den Wolf in den Griff zu kriegen." "Der weiß, wovon er redet", sagt Hans Mayr aus Bad Feilnbach. Er schätzt Aiwangers Klarheit. bei Kaniber fehle ihm, dass sie auch zu dem stehe, was sie sagt.
Lob für sowohl Aiwanger als auch Kaniber hat Hannes Biehler aus Garmisch-Partenkirchen. Er freut sich aber auch, dass neben den bayerischen Spitzenpolitikern Cem Özdemir gekommen ist: "Das zeigt doch ein bisschen was an Wertschätzung." Der Wolf treibt ihn um, aber auch die Situation der Landwirtschaft im Allgemeinen: "Ich glaube, es gibt keinen Berufsstand, der derzeit so im Kreuzfeuer steht!" Als Bauer bekomme man oft das Gefühl, man sei der größte Umweltsünder überhaupt.