Hat ein Arzt eine Praktikantin missbraucht?
München - Die Existenz seines Mandanten sei bereits durch das Verfahren vernichtet worden, erklärt der Anwalt von Boris G. (46, Namen geändert). Im Mai war der Klinikarzt von Amtsrichter Matthias Braumandl zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt worden. Wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen.
Dem 46-jährigen Familienvater wird vorgeworfen, sich an einer Praktikantin (16) vergangen zu haben. Der Mediziner bestreitet diese Vorwürfe. Und ging nach dem Urteil in Berufung. Weil der Prozess unfair gelaufen sei, sagt er. Die Aussage des bislang „unbescholtenen Mannes“ stand und steht dabei gegen die Aussage eines Mädchens, das keinen Grund hat zu lügen.
Das soll nach ihrer Version am 30. Juni 2015 in der Münchner Klinik geschehen sein: Der Arzt habe dem Mädchen angeboten, ihr einmal das Ultraschallgerät zu demonstrieren. Solch Anschauungsunterricht gehört eigentlich nicht zur Kernkompetenz eines Klinikarztes.
Arzt bestreitet sexuelle Absicht
Das weiß auch Boris G.. Im ersten Prozess gab der Mediziner an, dass er den „point of no return“ verpasst habe, als er die Untersuchungssituation ohne dritte Person schuf. Er bestreitet aber jegliche sexuelle Absicht.
Die 16-jährige Sandra P. – sie lebt in den Vereinigten Staaten und will ein Medizinstudium aufnehmen – war durchaus an dem Demo-Angebot interessiert. „Ich wollte im Praktikum so viel lernen wie möglich“, erklärte sie der Ermittlungsrichterin. Ihre Vernehmung wurde auf Video aufgenommen und beim Amtsgerichtsprozess gezeigt.
Boris G. habe sie in den Untersuchungsraum geführt. Dort legte sie sich auf die Liege und ließ sich von ihm ihre Organe zeigen. Zu diesem Zeitpunkt sei noch alles freiwillig gewesen. Nach Dienstschluss wollte er ihr aber noch ein anderes Gerät zeigen. Sandra P. willigte ein.
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Am Abend wiederholte sich die Szene in einem anderen Untersuchungsraum. Sie legte sich auf die Liege, er hantierte mit dem Gerät. Doch diesmal forderte er sie sogar auf, ihre Hose auszuziehen, schilderte die 16-Jährige. Um die Beine zu durchleuchten. „Am Ende hatte ich nur noch Schuhe und Strümpfe an“, berichtete das Mädchen. Boris G. soll die Praktikantin dann im Intimbereich berührt haben. „Wie fühlt sich das an?“, habe er noch gesagt. Erst als Sandra P. erklärte, sie hätte einen Freund und den Arzt dazu aufforderte doch bitte aufzuhören, stoppte er.
Einstellung des Verfahrens gefordert
In der Berufung gehen der Arzt und sein Anwalt aufs Ganze. Sie fordern nicht etwa eine mildere Strafe, sondern gleich die Einstellung des Verfahrens. Die Gründe: Unter anderem sei Boris G. vor der Beschuldigtenvernehmung nicht ausreichend darüber belehrt worden, dass er auch gar nichts aussagen müsse. Ihm sei auch keine Zeit für die eigene Verteidigerwahl gelassen worden. Außerdem sei dem Opfer zuzumuten, persönlich zu erscheinen. Nur so könne man feststellen, wie es ihr heute geht.
Die Staatsanwältin hält dagegen: Das mutmaßliche Opfer hatte angekündigt, in die USA zurückkehren zu müssen. Eile war deshalb bei der Bestellung des Pflichtverteidigers geboten. Und die Anwältin der Nebenklägerin, Ricarda Lang, erklärt, dass eine mangelhafte Belehrung noch nie zur Einstellung eines Verfahrens geführt habe. Allenfalls zu einem Verwertungsverbot der so zustande gekommenen Aussage.
Der Prozess wird fortgesetzt.
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