Hartz IV in München: „Fleisch ist viel zu teuer“

Seit vier Jahren lebt Sabine Haaß von Harzt IV. Sie muss mit ihren vier Kindern sparen - auch beim Essen. Wie die Alleinerziehende mit der Stütze über die Runden kommt, erzählt sie hier.
von  Abendzeitung
Max, Daniel und Sabine Haaß auf dem selbst gezimmerten Bett
Max, Daniel und Sabine Haaß auf dem selbst gezimmerten Bett © Mike Schmalz

Seit vier Jahren lebt Sabine Haaß von Harzt IV. Sie muss mit ihren vier Kindern sparen - auch beim Essen. Wie die Alleinerziehende mit der Stütze über die Runden kommt, erzählt sie hier.

Sabine Haaß freut sich aufs Wochenende. Am Freitag will sie zur Tafel in der Messestadt Riem gehen. Dann kann sie ihren vier Kindern mal wieder Abwechslung auf dem Speiseplan bieten. Seit vier Jahren bezieht die 40-Jährige Hartz IV und spart, „weil es nicht anders geht“, auch beim Essen.

Bei der Tafel deckt sie sich zwei Mal im Monat mit Lebensmitteln ein. „Öfter wäre gut“, sagt sie. „Aber die Listen sind zu lang. In unserer Gegend wohnen Familien mit sieben Kindern, die haben es noch nötiger.“ Dabei kommt die vierfache Mutter finanziell selbst kaum über die Runden. Hartz IV macht ihr zu schaffen. „Zum Leben“, sagt Haaß und blättert durch den Ordner mit den Bescheiden der Arge, „haben wir nur 70 Euro plus das Kindergeld. Wenn das ausgegeben ist, muss die Oma für uns Lebensmittel einkaufen.“

Sabine Haaß, die drei Jahre als Friseurin und später bei der Post gearbeitet hat, trägt über ihrer schwarzen Hose ein ausgeblichenes T-Shirt. Der Fernseher läuft. Es ist Mittag. Mit in der Wohnung sind Perserkatze Speedy und Mischlingshund Sheila. Über sie sagt Haaß: „Der Hund war mein Wunsch. Sonst kommt man doch nicht raus.“

Gleich kommen die Söhne Daniel (10) und Maxi (12), später die Töchter Vanessa (13) und Sabrina (19). Nach der Schule essen sie belegte Semmeln. Abends meistens Nudeln mit Soße. „Fleisch kaufe ich nie, das ist viel zu teuer.“

Bis 2006 wusste die Familie nicht, was Armut bedeutet. Dann verlor der mittlerweile geschiedene Familienvater den Job. Haaß erinnert sich: „Vorher haben die Kinder alles bekommen. Plötzlich nicht mehr.“ Die Jobsuche blieb erfolglos, „das war hart“. Dann rutscht die Familie in Hartz IV – und es kommt härter.

Seit der Scheidung von ihrem immer noch arbeitssuchenden Mann muss Haaß ihre Finanzen alleine regeln. Es reicht hinten und vorne nicht. Das spüren vor allem die Kinder. Als die Jungen ein neues Bett brauchten, haben Freunde es geschreinert. Kino kommt nur in Frage, wenn Freunde sie einladen. Und Kleidung kauft die Alleinerziehende seit Jahren auf dem Flohmarkt. „Nur Schuhe will ich dort nicht kaufen.“ Ein Fall für die Oma, denn gerade die Jungen brauchen alle zwei Monate neue Treter. Hinzu kommt: „Schulsachen, Brotzeit, Kopiergeld. Das ist alles nicht billig.“ Die Lehrer, so Haaß, seien verständnisvoll. Andere Familien in der Messestadt hätten auch Probleme.

Besonders problematisch waren die letzten fünf Monate. Der Grund: Das zugesicherte Schulgeld für ihre älteste Tochter, die sich seit Oktober zur Kindererzieherin ausbilden lässt, kam und kam nicht. Die Mutter streckte den fälligen Betrag vor – 110 Euro im Monat. „Das hat an anderer Stelle gefehlt.“ Im Dezember und Januar konnte Haaß den Strom nicht zahlen.

Es macht sie traurig, dass sie ihren Kindern kein anderes Leben bieten kann. Sparbücher, wie sie sie von Schulkameraden kennen, verbietet die Arge. Vor allem das macht die Mutter wütend: „So lernen sie doch nie das Sparen und den Umgang mit Geld.“ Sie selbst spare schon längst nicht mehr: „Wenn ich was zurücklege, kassiert’s die Arge.“

Trotzdem will Haaß nicht jammern. Oft genug haben Freunde und Familie ihr geholfen: „Ich habe mir schon öfter Geld geliehen.“ Letztes Jahr lud ein Bekannter die Kinder und sie sogar nach Italien ein. Wie es weitergeht? Haaß sucht einen Job. Im vergangenen Jahr erst ließ sie sich zur Bürokraft umschulen. „Solange die Kinder tagsüber in der Schule sind, würde ich gerne im Büro arbeiten.“ Doch bislang kamen nur Absagen.

Vanessa Assmann

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