Harald Strötgen geht und hinterlässt eine Top-Bank
München - In der Amtszeit von Harald Strötgen hat sich die Stadtsparkasse München von einem Mittelplatz an die Spitze der deutschen Sparkassen vorgearbeitet. Mehrfach hat Strötgen die größten Rekorde in der Geschichte der Münchner Bank melden können - und gilt als Münchens bester Banker.
Strötgen (67) ist in Essen geboren. 1964 begann er seine Banklehre, und er machte schnell Karriere. 1995 kam er in den Vorstand der Stadtsparkasse München. Am 1. Januar 2002 wurde er Vorstandsvorsitzender.
Bei seinem Amtsantritt hatte die Stadtsparkasse München 680 000 Kunden - heute sind es 800 000. Das Eigenkapital verbesserte er von 836 Millionen auf 1,38 Milliarden Euro. Die Kundeneinlagen stiegen von 10,6 Milliarden auf 13,2 Milliarden Euro.
AZ: Herr Strötgen, an Ihrem ersten Arbeitstag als Vorstandsvorsitzender haben Sie am 2. Januar 2002 den Kunden in der Kassenhalle Sekt ausgegeben. Jetzt wieder?
HARALD STRÖTGEN: Das ist eine gute Idee; solange der Vorrat reicht, mache ich das wieder. Unter einer „Voraussetzung“: Dass Sie auch kommen.
Ja. Das mache ich. Ich muss dann eh am Automaten Geld holen.
Sehen Sie, ich werde bis zum 31. Dezember bezahlt, also werde ich auch solange arbeiten. Dann werde ich durch die Sparkasse gehen und mich von den Mitarbeitern verabschieden, wie ich es Weihnachten und Silvester immer mache.
Kam nach dem Sekt später Selters für Sie im Bankengeschäft?
Nein. Ich habe das Gefühl, dass es gut gelaufen ist. In diesen zwölf Jahren haben wir neben unseren Erfolgen auch viele freiwillige Sozialleistungen für die Mitarbeiter geschaffen und mehrfach Sondervergütungen auszahlen können. Das Image der Sparkasse in der Öffentlichkeit ist gut, auch wenn die Habenzinsen zurzeit nicht mehr so hoch sind wie in früheren Jahren. Trotzdem wächst bei uns die Einlagenseite.
Wie stellen Sie sich Ihren Ruhestand vor?
Ich werde ein Viertel der Zeit verwenden, um in Absprache mit meinem Nachfolger Ralf Fleischer einige ehrenamtliche Mandate weiterzuführen. Meiner verstorbenen Frau habe ich damals versprochen, dass ich mich um die Palliativstation im Klinikum Großhadern kümmern werde. Das Geld ist jetzt zusammen, der Bau des Kinderpalliativzentrums wird im Frühjahr 2014 beginnen. Ein weiteres Viertel werde ich verwenden, um Sprachen zu lernen und vermutlich Philosophie zu studieren. Dann werde ich ein Viertel der Zeit kontinuierlich Sport betreiben. Und dann werde ich ein Viertel der Zeit in Beiräten oder Aufsichtsräten tätig sein.
Eine dieser Aufgaben ist im neuen Lenkungskreis für die städtischen Kliniken, wie OB Ude angekündigt hat. Behalten Sie auch ein Mandat im Haus?
Das geht rein rechtlich nicht. Aber nach meinem Gefühl ist es auch nicht gut, bis zum 31. Dezember als Unternehmensleitung Entscheidungen zu treffen und ab dem 1. Januar dann diese Entscheidungen zu kontrollieren. Ich hielte es auch gegenüber meinem Nachfolger für unfair.
Was gehört zu Ihren künftigen Aufgaben außerhalb der Sparkasse?
Ich bin vor einem Jahr von Ministerpräsident Horst Seehofer in den Stiftungsrat der Bayerischen Landesstiftung berufen worden. Das finde ich auch schön. Ein anderes Thema ist mir sehr wichtig: Wenn man über das Leben reflektiert, wird einem bewusst, dass die eigene Karriere nur möglich war, weil eine ganze Generation im Krieg geblieben ist. Wir haben auch einfach viel Glück gehabt.
Nun kam die Anfrage, ob ich den Kreis von 100 pensionierten Sparkassenvorständen leiten möchte. Das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Sparkassenorganisation ist viel wert, und das mache ich auch.
Dann bin ich Mitglied in der Ethik-Kommission von Professor Nida-Rümelin, die sich mit den Verwerfungen und Entgleisungen im internationalen Finanzsystem beschäftigt. Und ich bin weiterhin für die Münchner Symphoniker und den Tierpark Hellabrunn aktiv. Das sind Mandate, die Zeit kosten und alle ehrenamtlich sind.
So eine ehrenamtliche Einstellung findet man nicht oft.
Für das Kinderpalliativzentrum kann man sich doch nur engagieren, wenn einem das wichtig ist. Teil meiner Erziehung bei den eigenen Kindern ist es, nicht nur zu nehmen, sondern auch zu geben.
In Ihrer Amtszeit hat die Stadtsparkasse 40 Millionen Euro für soziale Zwecke und Stiftungen ausgegeben.
Der Stadtsparkasse München geht es gut, und Teil unseres Selbstverständnisses ist: Das Geld, das wir in München verdienen, im Rahmen der Möglichkeiten auch wieder auszugeben.
Aber Sie tun mehr, als von der Satzung verlangt wird.
Es hilft ja nicht zu lamentieren, man muss auch handeln. Es gibt auch sehr viel Zuversicht, dass wir nur neun Monate gebraucht haben, um sieben Millionen Euro für das Kinderpalliativzentrum zu sammeln. Das finde ich toll, das ist etwas, das Kraft gibt.
Andere Banken sind in den vergangenen Krisenjahren mit Milliardenverlusten in die Knie gegangen, und Sie haben Rekorde eingefahren. Wie haben Sie das gemacht?
Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn, dasjenige, was man sich hart erarbeitet hat, durch Spekulation wieder zu gefährden. Deshalb kann ich mich auch mit vier Prozent Zinsen zufrieden geben oder im Moment mit 1,5 Prozent. Deswegen die Nerven zu verlieren halte ich persönlich für falsch. Das Zweite: Ich habe einen extremen Argwohn, wenn mir jemand etwas verkaufen will, was ich noch nicht verstanden habe. Daraus ist für mich der Kultsatz geworden: Wir machen nur Sachen, die wir selbst verstehen.
Sind Sie während des Börsenbooms, als viele ein Vermögen verdient haben, nicht unruhig geworden, weil Sie da auch mitspielen wollten?
Mitspielen? Nein! Ich bin kein Risikofuchs, ich habe es gerne ruhig und gelassen und unaufgeregt. Gier frisst Hirn. Natürlich habe ich diese nicht gerade wohlwollende Beobachtung durch Dritte bemerkt, aber ich habe sie auch nicht so richtig ernst genommen.
Was wird die Zukunft der Stadtsparkasse München bringen?
Mit tendenziell eher weniger Personal etwas mehr Geschäft zu machen, schlanker zu werden, effizienter zu werden. Nicht bei jedem Thema müssen fünf Abteilungen an einem Tisch sitzen.
Höre ich da Entlassungen heraus?
Nein. Effizienzsteigerung wird die Herausforderung der Zukunft sein. Fast 200 000 unserer Privatkunden kommen fast nicht mehr in die Filialen, sondern machen ihre Bankgeschäfte über die neuen Medien.
Machen Sie das auch?
Nein, ich gehe an den Serviceautomaten. Ich muss jetzt lernen, mit den modernen Kommunikationsformen umzugehen, damit ich auch selber Emails verschicken kann.
Da haben Sie ab dem 1. Januar Zeit. Was machen Sie am ersten arbeitsfreien Tag?
Die große Herausforderung wird sein, dass ich jetzt an der Spitze eines Unternehmens mit 3000 Mitarbeitern und im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehe und am 1. Januar an der Spitze eines Vierpersonenhaushalts. Denn meine Frau ist berufstätig, drei der fünf Kinder sind aus dem Haus. Da bin ich ganz sicher, dass ich das gut hinkriege. Die Krawatten kann ich dann verschenken. Und dann bringe ich morgens meine Frau zur Tür und wünsche ihr einen schönen Arbeitstag.