»Happy End wäre eine Lüge«
HAMBURG - Fernsehtipp: Das NDR-Drama „Brennendes Herz“, das das Erste zeigt, erzählt von dem Versuch eines Rechtsradikalen, einen Neuanfang zu starten und von seiner Liebe zu einer Türkin, die ihm am Ende zum Verhängnis wird.
Zwei Jahre saß Kurt (Alexander Scheer) im Gefängnis – wegen eines Brandanschlags auf eine Synagoge, für den eigentlich sein Freund Bomber (Christoph Franken) verantwortlich war. Jetzt ist Kurt wieder daheim in Lübeck und findet sofort neuen Anschluss an die alte Nazi- Runde. Das NDR-Drama „Brennendes Herz“, das das Erste zeigt, erzählt von dem Versuch eines Rechtsradikalen, einen Neuanfang zu starten und von seiner Liebe zu einer Türkin, die ihm am Ende zum Verhängnis wird.
Ein sperriges Thema ist es, das die ARD da zur besten Sendezeit auf den Bildschirm bringt. Der gebürtige Augsburger Manfred Stelzer, der gerade den Münsteraner „Tatort“ „Krumme Hunde“ abgedreht hat, hat das Buch geschrieben und Regie geführt. Kein Rührstück mit erhobenem Zeigefinger ist „Brennendes Herz“ geworden. Der Film zeigt vielmehr, wie fehlende Perspektiven in ein unaufrichtiges Zugehörigkeitsgefühl führen können. „Ich wollte keine soziologischen Thesen illustrieren, sondern Individuen zeigen“, sagt Stelzer. Die Figuren seien keine Abziehbilder mit irgendwelchen Parolen. „Sie wirken als Einzelne unbeholfen und sogar unsicher“, sagt Stelzer, „aber als Gruppe sind sie eine Gefahr.“
Von der Gefahr zum Mitläufer zu werden
Kurts bester Freund Bomber etwa hat es nie gelernt, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, plappert der Einfachheit halber lieber dumme Sprüche nach. „Er wird immer gefährlicher, weil er keine eigene Meinung hat und seine Angst immer größer wird“, sagt Stelzer. Die Gefahr, zum Mitläufer zu werden, lauert dabei überall, so Stelter. „Im Laufe des Lebens hat man – ob man will oder nicht – immer wieder Kontakt zu Leuten mit sehr konservativen oder nationalen, rassistischen, vielleicht auch rechten Gedanken. In der Schule, Verwandtschaft, Lehre, Kneipe und im Sportverein.“ Man muss den Kontakt nicht suchen, sagt der Filmemacher, „er schleicht um einen herum. Wenn man nicht aufpasst, fängt man an, auch so zu reden und zu denken.
Jedenfalls ging es meinen Hauptfiguren so.“ Hauptfigur Kurt hat viel in den zwei Jahren Knast erkannt, wünscht sich ein normales Leben mit Arbeit und Familie. Und doch schafft er es nicht, sich von der alten Gruppe mit ihrem Ausländerhass und Gewaltpotenzial zu lösen. Selbst dann nicht als Kurt sich in die junge Türkin Ayse verliebt, die bei einem Anschlag durch die Neonazis beinahe ums Leben kommt. Was Kurt von einem neuen Leben abhält, ist seine Freundschaft zu Bomber.
„Kurt hat innerlich mit der Gedankenwelt von Bomber abgeschlossen. Aber dessen andere Gefühlte berühren ihn“, sagt Stelzer. „Er weiß, wenn Bomber von seinen nächtlichen Affären redet, dass er seit Monaten keine Freundin hatte, auch die große Liebe hat ihn verlassen.“ Bomber sei traurig und allein, so Stelzer. „Also bleibt Kurt bei ihm.“ Doch weil bald herauskommt, dass Kurt sich in Ayse verliebt hat, steigert sich Bomber in einen immer stärkeren Ausländerhass. Die Ereignisse überollen beide. „Plötzlich gibt es keine Möglichkeit für ein versöhnliches Ende. Kurt handelt. Er handelt furchtlos“, sagt Stelzer. „Aber es nützt ihm leider nichts, wie sonst in Filmen.“ Kurt verliert am Ende mehr als seinen Traum vom „normalen“ Leben ohne Hass und Terror. Stelzer: „Ein Happy End wäre eine fahrlässige Lüge.“
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