Hans-Jochen Vogel wird 85: „Genau und penibel“

CDU-Politiker Bernhard Vogel gratuliert seinem älteren Bruder Hans-Jochen im AZ-Interviewzum 85. Geburtstag und erzählt aus der gemeinsamen Kindheit: Nachhilfeunterricht und Fahrpläne für eine Modell-Eisenbahn.
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MÜNCHEN - CDU-Politiker Bernhard Vogel gratuliert seinem älteren Bruder Hans-Jochen im AZ-Interviewzum 85. Geburtstag und erzählt aus der gemeinsamen Kindheit: Nachhilfeunterricht und Fahrpläne für eine Modell-Eisenbahn.

Beide machten in der Politik Karriere – nur eben bei unterschiedlichen Parteien. SPD-Urgestein Hans-Jochen Vogel feiert am Donnerstag seinen 85. Ein schöner Anlass, seinen Bruder Bernhard zu Wort kommen zu lassen.

AZ: Herr Vogel, was wünschen Sie Ihrem Bruder zum Geburtstag?

BERNHARD VOGEL: Er kann sich freuen, diesen Tag zu erleben. Er bekommt verdientermaßen viel Anerkennung von allen Seiten. Natürlich auch von mir. Mein Wunsch für ihn: Er soll noch viele Jahre so bleiben wie bisher.

Was schenken Sie Ihm?

Ein Buch, da er ja ein totaler Bücherwurm ist. Nur was für ein Buch wird nicht verraten.

In einem AZ-Interview hat er sich kürzlich selbst als „Pedant“ bezeichnet. Ist er einer?

Oh ja. Er ist immer sehr genau und penibel und übertrifft mich darin bei weitem.

Gibt es dafür ein Beispiel?

Als Kinder hatten wir eine Modell-Eisenbahn, die immer an Weihnachten um ein paar Teile erweitert wurde. Ich spielte sehr gerne damit. Bis mein Bruder dann einen Fahrplan ausarbeitete. Darin wurde genau festgelegt, welcher Zug von welchem Bahnhof mit wie vielen Waggons abzufahren hatte. Und mein Vater und ich mussten das dann ausführen. Das hat mir nicht so ganz gefallen. Deswegen bin ich meist am ersten Weihnachtsfeiertag früh aufgestanden, um alleine Herr der Eisenbahn zu sein. Schon damals musste er alles planen.

War Ihr Bruder ein Streber?

Nein, aber er war trotzdem ein Einserschüler mit einem Neid erregenden Notendurchschnitt. Das war ich nicht. Da ich ein Jahr später eingeschult worden bin, als dem Alter nach vorgesehen, kamen meine Eltern auf eine glorreiche Idee. Mein Bruder sollte mir in diesem Jahr Hausunterricht erteilen. Das hat sich aber als katastrophaler Vorschlag entwickelt, weil es natürlich immer wieder zu heftigen Streits zwischen mir und meinem Bruder kam. Ich beschwerte mich einmal sogar per Brief bei meinen Eltern.

Was stand in dem Brief?

Dass er mich immer piesackt und dass meine Eltern das bitte unterbinden sollen. Daraufhin wurde der Versuch wegen absoluter Hoffnungslosigkeit eingestellt. Nach dem Krieg klappte das schon besser. Da fragte er mich jeden Samstagabend nach den politischen Geschehnissen der Woche. Wenn meine Antworten gut waren, bekam ich 50 Pfennig. Das war natürlich ein Ansporn, mich genau darüber zu informieren.

Trotz Hausunterricht und striktem Fahrplan für die Modell-Eisenbahn – hatten Sie eine schöne Kindheit?

Absolut, wir hatten eine schöne und sorglose Kindheit. Sie endete allerdings schlagartig, als mein Bruder 1943 eingezogen wurde und dann 1944 an die italienische Front musste. 1945 kehrte er zurück: abgemagert, zerlumpt – aber am Leben.

Wollten sie beide schon immer in die Politik?

Nein. Keiner von uns beiden wollte Politiker werden. Bevor er eingezogen wurde, studierte Hans-Jochen ein Semester lang Jura. Nach dem Krieg lernte er Kurt Schumacher kennen. Er begeisterte ihn für die Politik; 1950 trat er der SPD bei. Dass wir später mal Politiker werden würden, hat damals keiner von uns gedacht. Zehn Jahre nach ihm trat ich der CDU bei. Ein gleichaltriger Kfz-Mechaniker brachte mich damals dazu, auf der Liste der CDU für den Heidelberger Stadtrat zu kandidieren. Seither bedauern mein Bruder und ich uns gegenseitig dafür, in der falschen Partei zu sein.

Hat die unterschiedliche Parteizugehörigkeit zu Problemen zwischen Ihnen geführt?

Nicht direkt. Natürlich gab und gibt es immer einmal wieder politische Auseinandersetzungen, da wir natürlich oft anderer Meinung sind. Als ich vor vielen Jahren einmal zu ihm kam, ließ er seine jüngste Tochter ein selbstverfasstes Lied einstudieren, um mich zu ärgern. Die beiden sangen: „Du böser Onkel du, kommst von der CDU, willst bald das Land regieren, wirst uns noch schön blamieren.“

Das Beste an ihrem Bruder?

Sein ungewöhnliches Pflichtbewusstsein, seine Ruhe und seine absolute Verlässlichkeit.

Und das Schlechteste?

Dass er nicht in meiner, sondern in seiner Partei ist.

Sehen Sie sich eigentlich oft?

Gerade in letzter Zeit ist es häufiger geworden, dass wir uns treffen, weil wir beide nicht mehr so eingespannt sind. Wir treffen uns gelegentlich im Urlaub – und auch seinen Geburtstag feiern wir natürlich miteinander. Interview: Steffi Heckl

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