Hanf-Laden bei München mit innovativem Projekt: "Wenn die Gemeinde Ärger macht, kommt der Kran"

Wenzel Cerveny betreibt einen Cannabis-Laden in Aschheim. Jetzt hat er einen großen Container auf den Parkplatz gestellt, der als Plantage dienen soll. Auf Ärger ist er vorbereitet.
Julia Wohlgeschaffen
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Hanf-Aktivist Wenzel Cerveny (li.) und Container-Chef Pavol Bobek zeigen die Cannabis-Stecklinge in ihrem neuen Plantagen-Container.
Hanf-Aktivist Wenzel Cerveny (li.) und Container-Chef Pavol Bobek zeigen die Cannabis-Stecklinge in ihrem neuen Plantagen-Container. © Hannes Magerstädt

Aschheim – Pavol Bobek schüttelt vehement den Kopf und greift zu einem zarten Pflänzchen, das neben vielen anderen, ordentlich aneinandergereihten Exemplaren steht. "Da sind keine Samen drin!", sagt er und zieht zum Beweis den Steckling aus dem kurzen Styropor-Röhrchen heraus. "Das ist ein Schnitt von der Mutterpflanze", erklärt er und deutet auf den schräg abgeschnittenen Stiel.

Er steht in einem länglichen Container namens "Maximus", den LED-Leisten in rosafarbenes Licht tauchen – Vollspektrumlicht von blau bis rot, wie Bobek erklärt. Das gehört zu den optimalen Wachstumsbedingungen für diese Pflänzchen der besonderen Art – der Gattung Hanf.

Der gelernte Grafiker kennt sich bestens aus mit Anlagen dieser Art. Er hat bereits Thaibasilikum in der Slowakei in solchen Containern angebaut, sagt er. Der Cannabis-Anbau, schätzt er, könnte aber weitaus lukrativer sein. An diesem Donnerstagvormittag sehen die Stecklinge noch recht mickrig aus, doch das soll sich hier, im Plantagen-Container auf dem Parkplatz des ehemaligen Rewe-Markts in Aschheim, bald ändern.

Ein Cannabis-Steckling kostet rund 20 Euro

Sie brauchen 18 Stunden Licht am Tag, dann wachsen sie innerhalb von fünf Tagen laut Bobek einige Zentimeter bis zur LED-Leiste der jeweiligen Etage hinauf – und sind fertig für den Verkauf. Für rund 20 Euro sind sie dann im Hanf-Laden Natur-Erlebniswelt erhältlich, zur eigenen weiteren Aufzucht. Wenzel Cerveny hat den ehemaligen Rewe-Markt für sein Hanf-Vorhaben angemietet.

Die "Mutterpflanzen" züchtet der Cannabis-Aktivist dort in einem großen Lagerraum hinter der Kasse. Hier stehen unzählige meterhohe Cannabis-Gewächse zwischen Ventilatoren in Kübeln – der Anbau sei erlaubt, "weil die Pflanzen noch nicht blühen".

Auf alle Eventualitäten vorbereitet: Der Container, in dem Wenzel Cerveny Cannabis-Stecklinge zieht, kann mit dem Kran schnell verschwinden.
Auf alle Eventualitäten vorbereitet: Der Container, in dem Wenzel Cerveny Cannabis-Stecklinge zieht, kann mit dem Kran schnell verschwinden. © Hannes Magerstädt

Der Gesetzgeber sieht Pflanzen in diesem Stadium als Vermehrungsmaterial und unterscheidet sie von blühenden Exemplaren, die den berauschenden Wirkstoff THC enthalten. Damit die Pflanzen das Blüte-Stadium nicht erreichen, brennt ständig das Licht. Die Mutterpflanzen bilden die Grundlage für die Stecklinge in seinem Container.

"Wir sind offiziell die ersten, die diesen Container in Deutschland in Betrieb nehmen werden", sagt Cerveny stolz. Es gebe viele Ideen auf dem Markt, aber keine seien bislang realisiert worden.

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"Das wird die Zukunft sein", sagt er über sein Container-Projekt. Bislang steht nur ein einzelner auf dem großen Parkplatz, doch dabei will er es nicht belassen. Er will weitere Container aufstellen, in denen die Pflanzen weiter wachsen und auch blühen sollen, sobald das erlaubt ist. "Heute stellen wir die erste Stufe des gesamten Plans vor."

Die Behörden durchkreuzen die Pläne des Hanf-Aktivisten

Ganz so reibungslos, wie es sich anhört, läuft dieser Plan bisher aber nicht ab: Ende Juli zwickten Polizeibeamte an seinem Hanf-Stand beim Sinnflut-Festival seine Stecklinge mit einer Zange ab und beschlagnahmten sie, erzählt Cerveny und spricht von "Schikane".

Doch von solchen Aktionen will er sich nicht unterkriegen lassen: "Die Behörden haben sich den falschen Menschen ausgesucht, mit dem sie sich anlegen." Mit dem Verlust, den er dabei gemacht hat, hat er sich mittlerweile offenbar abgefunden: "Pionierarbeit hat immer schon Opfer gefordert."

Die Auseinandersetzung mit der Polizei bleibt nicht die einzige Hürde: Die Gemeinde Aschheim hat ihm in unmittelbarer Nachbarschaft auf der anderen Straßenseite einen Spielplatz vor die Tür gesetzt (AZ berichtete).

Wenn es Stress gibt, wird der Container versetzt

Zwar eine Miniatur-Version mit zwei Federwippen, einem kleinen Häuschen und einem Bankerl. Doch das reicht aus, um den Hanf-Betrieb einzuschränken: Das Bundesgesetz verbietet das Betreiben von Cannabis-Clubs im Umkreis von 200 Metern von Schulen, Kindergärten und Spielplätzen.

Mit diesem kürzlich errichteten Spielplatz will Aschheim den Hanf-Betrieb in der Gemeinde einschränken
Mit diesem kürzlich errichteten Spielplatz will Aschheim den Hanf-Betrieb in der Gemeinde einschränken © privat

Cervenys Lösung: der Container. "Wenn die Gemeinde Ärger macht, kommt der Kran und der Container woanders hin", erklärt sein Pressesprecher. Auf irgendeinen abgelegenen Bauernhof etwa, meint er.

Den Container hat laut Bobek eine Fabrik in China hergestellt. Zwei Jahre lange habe er an der Technik getüftelt, die hat er sich auch bereits patentieren lassen. Monatlich will Cerveny hier rund 6000 Stecklinge ziehen.

Neben den angepassten Lichtverhältnissen sorgt die Technik im Container für eine konstante Temperatur von rund 30 Grad Celsius, außerdem findet eine CO₂-Begasung statt. Der Kohlendioxid-Anteil sei somit vier bis fünf Mal höher als in der Luft.

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In den Container hat Bobek außerdem ein Pumpen-System einbauen lassen, das für einen geschlossenen Wasserkreislauf sorgt: "Das Wasser steht nicht", erklärt er, "sonst bilden sich Algen." Zudem sei es mit Nährstoffen angereichert, um ein ideales Pflanzenwachstum zu ermöglichen.

Der Anbau soll so "höchsten Qualitäts- und Sicherheitsansprüchen entsprechen und die Dokumentationspflicht für die Behörden erfüllen".

Politiker sind bereits zur Besichtigung gekommen

Um sich von diesem "Pilot-Projekt" ein Bild zu machen, seien schon Politiker vor Ort gewesen: Laut Cerveny hat ihnen am Mittwoch bereits die Bundestagsabgeordnete Sandra Bubendorfer-Licht (FDP) einen Besuch abgestattet – die FDP hat als Teil der Ampel-Koalition die Cannabis-Legalisierung mit auf den Weg gebracht.

Auch Pflanzen in dieser Größe und Menge darf Cerveny besitzen – solange sie nicht blühen. Um das zu verhindern, muss ständig Licht brennen.
Auch Pflanzen in dieser Größe und Menge darf Cerveny besitzen – solange sie nicht blühen. Um das zu verhindern, muss ständig Licht brennen. © Hannes Magerstädt

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte für Bayern schnell eine restriktive Umsetzung des neuen Gesetzes an. "Söder versucht, das Gesetz an allen Ecken auszuhebeln", schimpft Cerveny.

Er verkündet, dass er an einem neuen Volksbegehren arbeitet, das er zum Bundestagswahlkampf starten will. "Söder soll nicht glauben, dass er hier in Bayern der König ist und herrschen kann, wie er will", sagt er.

Wie die meisten Bundesländer blockiere der Freistaat Bayern bewusst die Legalisierung. Er hat Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) eingeladen, den Prototyp zu besichtigen. Sein Projekt sieht er als Vorbild für zukünftige Anbauvereinigungen und hofft, dass seine Initiative zur Akzeptanz und Regulierung von Cannabis-Anbauvereinen beiträgt.

Am Donnerstagvormittag stehen nur einzelne Stecklinge im mittleren Regal des Containers, doch das soll sich noch am Abend ändern: Dann will Cerveny mit seinem Anbau im Großformat beginnen. Schon nächste Woche dürften dann einige Exemplare im Verkaufsregal der Natur-Erlebniswelt stehen.

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18 Kommentare
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  • Perlacher am 25.08.2024 00:31 Uhr / Bewertung:

    Bei diesen Typen werden bald die richtig großen Rauschgifthändler anklopfen um Gespräche zu führen, inwieweit legaler und illegaler Anbau von Rauschgift kompatibel ist!

  • Radl Rainer am 24.08.2024 13:54 Uhr / Bewertung:

    Man muss Herrn Cerveny dankbar sein. Er wurde von Behörden, Justiz und Politik zum Präzedenzfall auserkoren und muss sich mit den Schikanen rumschlagen.

    Am Ende, davon bin ich überzeugt, wird er Recht bekommen. Dann springen sicherlich auch 100 andere - die bisher nicht die Cojones dafür haben - auf den Trend auf machen ihm Konkurrenz

  • AufmerksamerBürger am 24.08.2024 09:04 Uhr / Bewertung:

    Die Psychiatrien sind gut gefüllt mit Menschen, die durch Cannabis schizophren wurden.

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