Handy-Ärger auf Konzerten: Gnackfotzn für Mobilidioten

Durchquatschen und weiter filmen: Der Zuschauer und sein Handy – ein Rückblick auf das Konzertjahr 2019.
von  Dominik Petzold
Mark Knopfler.
Mark Knopfler. © Fredrik von Erichsen/dpa

Quatschen, knipsen, filmen, posten: Der Zuschauer und sein Handy – ein Rückblick auf das Konzertjahr 2019.

München - In der Olympiahalle reihte sich in diesem Jahr ein erinnerungswürdiges Konzert an das andere. Und dazu hätte es die tolle Musik noch nicht mal gebraucht. Die Eagles hätten sich als schräg singende Dilettanten-Combo entpuppen können, Mark Knopfler als hoffnungsloser Fall an der Gitarre, Neil Young als Songwriter ohne nennenswertes Repertoire und ZZ Top als Normalos ohne jeden Sinn für den Blues: Selbst dann wären all diese Konzerte unvergesslich gewesen.

Statt Mark Knopfler sieht man nur das Handy des Vordermannes

Schließlich gibt es ja neben der Musik noch die Zuschauer mit ihren Handys. Viele Konzertgänger stören sich ja daran, hohe Ticketpreise zu zahlen und dann statt des Stars auf der Bühne nur das Telefon des Vordermanns zu sehen. Und manche Musiker wie Jack White lassen vor Konzerten sogar sämtliche Handys einsammeln.

Mark Knopfler.
Mark Knopfler. © Fredrik von Erichsen/dpa

Aber nein, nein, und nochmals nein! Denn was soll man dann nach den Konzerten seinen Freunden erzählen? Dass die Eagles selbst in der Olympiahalle nach feinstem Hi-Fi klingen? Dass Mark Knopfler gediegen musiziert? Dass ZZ Top lustig sind? Gähn, nichts Neues. Die Gäste mit ihren Handys bieten die viel besseren Geschichten.

Statt Eagles live - lieber filmen für Facebook

Zum Beispiel der Mann, der das Mark-Knopfler-Konzert nicht nur filmte, sondern auf dem Handy gleich noch eine umfassende Farbkorrektur vornahm. Unablässig wischte er an Farbreglern herum, während die Band aufs Filigranste musizierte. Waren die Hauttöne auf Knopflers hoher Stirn bei der Aufnahme vielleicht zu unnatürlich geraten? Offenbar, so konnte der Film jedenfalls nicht auf Facebook gepostet werden.

Don Henley von "The Eagles"
Don Henley von "The Eagles" © Fredrik von Erichsen/dpa

Ob der arme Mann die Postproduktion noch vor den Zugaben abschließen konnte, blieb leider offen. Denn die Dame zwei Reihen weiter hinten zog dann die Aufmerksamkeit auf sich: Urplötzlich begann sie lautstark und fröhlich zu schnattern.

Als man sich nach einer Weile umdrehte, um nach dem Rechten zu sehen, nickte sie freundlich und schnatterte weiter. In ihr Handy natürlich. Nach längerem Telefonat wandte sie sich dann nach vorne und löste alles auf: "Der Timmy muss ins Bett!" Ach so, na klar. Gute Nacht, kleiner Mann! Hätte Mark Knopfler nicht mit einem Schlaflied aushelfen können?

Live-Bericht vom Konzert - dafür gibt es a G’nackfotz’n

Verblüffend war die Sache aber keineswegs – nach dem Eagles-Konzert einige Wochen zuvor. Da hatte der Veranstalter vor Beginn streng verkündet, dass Handys absolut verboten seien.

Take it easy, dachte sich der Mann in der vorderen Reihe. Bei der leisesten aller leisen Balladen griff er zum Telefon, rief seine Frau, einen Kumpel oder sonst wen an und erläuterte ausführlich, wie spitze diese Eagles doch seien.

Irgendwann verlor da ein anderer Zuschauer die Geduld, ein herzhafter Journalisten-Kollege aus dem Chiemgau. Er bedeutete dem Telefonierer vor ihm zu schweigen. Stimmigerweise machte er das wortlos, er stupste dem Vordermann einfach mit der flachen Hand auf den Nacken. Ob es Absicht war oder ihm die Bewegung einfach zu schwungvoll geriet, man weiß es nicht. Jedenfalls konnte man leibhaftig bestaunen, was mit dem bayerischen Wort "G’nackfotz’n" gemeint ist.

Aus manchen Aufnahmen kann ja gar nichts werden

Ebenso denkwürdig aber war ein anderer Kollege: Der versäumte das komplette Eröffnungsstück von Neil Young, weil er mit Filmen und Posten beschäftigt war. Und auch danach kann er vom Konzert nicht viel mitbekommen haben: Entweder plauderte er mit seinen Begleitern oder daddelte mit seinem Handy. Interessierte er sich denn gar nicht für Neil Young? Doch!

Als die drei Akkorde des letzten Songs "Rockin’ In The Free World" erklangen, stach ihn urplötzlich der Hafer. Er sprang von seinem Gangplatz auf, tanzte wie ein Irrwisch quer über die Treppe, tobte sich immer mehr in einen Rumpelstilzchen-Rausch.

Neil Young auf Europatour.
Neil Young auf Europatour. © Robert Michael/dpa

Irgendwann wusste man nicht mehr, ob man bei einem Neil Young-Konzert war oder bei einer Performance des Kollegen. Schließlich brachte ihn eine Ordnerin zur Räson. Das Schönste an all dem aber war gewesen: Der Kollege feuerte Neil Young leidenschaftlich an, stieß beide Arme jeweils zum Beat nach vorn – in der rechten Hand aber hielt er zugleich sein Handy und filmte.

Ob aus diesen Aufnahmen etwas geworden ist? Er wird schon alles richtig gemacht haben, der Kollege vom Fernsehen.

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