Handwerker-Betriebe klagen Stadt an: Wir fühlen uns aus München vertrieben
München - Die Flächenkonkurrenz in München nimmt immer mehr zu. In der Stadt ist es richtig eng geworden – das bekommen auch viele Unternehmen zu spüren. Weit über 300 Firmen stehen beim städtischen Wirtschaftsreferat auf einer Warteliste. Sie wollen sich vergrößern oder nach München umziehen. So schnell geht das allerdings nicht. Freie Grundstücke sind Mangelware.
"Der Markt ist wahnsinnig überhitzt", sagt Michael Dümmling, ein Berater, der Firmen bei Standortfragen hilft. Gründe gibt es dafür im Wesentlichen zwei: Zum einen werden immer mehr Gewerbegebiete durch Wohnraum verdrängt. Zum anderen gibt es innerhalb der Gewerbeflächen einen Wettstreit. Der Hightech-Betrieb verdrängt die Schlosserei, die Anwaltskanzlei den Schuhmacher.
In der Stadt fehlen bis zu 166 Hektar Gewerbefläche
Was die Art des Gewerbes angehe, hätten die Kommunen mittlerweile sehr hohe Ansprüche, erklärt Dümmling. Die Firmen sollten alle sexy und prestigeträchtig, keinesfalls aber irgendwie schmutzig sein. Fürs einfache Handwerk bleibe da oft kein Platz mehr. Dümmling beobachtet deshalb schon länger eine Flucht aufs Land – allerdings nicht in die nahen Umlandgemeinden. "Mittlerweile muss man schon bis nach Anzing oder Mühldorf rausgehen", sagt der Unternehmensberater.
Kommt der Schlosser also schon bald aus Deggendorf angefahren? Bürgermeister Josef Schmid (CSU) will das in seiner Funktion als Wirtschaftsreferent gerne verhindern.
Experten haben im Auftrag seines Referats bis 2030 einen Flächenbedarf in einer Größenordnung zwischen 48 und 166 Hektar ermittelt. In den nächsten Jahren will die Stadt nun zumindest schon einmal 35 Hektar freimachen. Ob das aber tatsächlich den Druck von den Firmen nimmt? Die AZ hat bei drei Unternehmen nachgefragt, die auf der Warteliste der Stadt stehen. Und die Münchner Firmen klingen nicht gerade optimistisch:
"Du wirst hier regelrecht rausgeekelt"
Der Großwäscherei fehlt schlicht der Platz. Foto: privat
Die Wäscherei Aschenbrenner existiert seit 60 Jahren. Mit fünf Leuten ging es damals los – heute sind es ungefähr zehn Mal so viele.
Die Branche boomt. Denn mit München wächst auch die Menge an Schmutzwäsche. Hotels, Krankenhäuser, Kindergärten, Altenheime – alle haben was zum Saubermachen. 80 bis 100 Leute könnten sie locker beschäftigen, sagt Senior-Chef Richard Aschenbrenner. Dafür müssten sie aber erst einmal eine größere Halle bauen. Und daran hakt es.
Ein Grundstück mit 6.000 bis 10.000 Quadratmetern wäre gut, sagt Aschenbrenner. Auch bei den Gemeinden im Umland hätten sie schon Präsentationsmappen herumgereicht – ohne Erfolg. Die meisten Bürgermeister würden sich für ihre Gewerbegebiete etwas Glamouröseres wünschen als eine Wäscherei.
Seit fünf Jahren versucht der Familienbetrieb mittlerweile, sich zu vergrößern. Einmal habe die Stadt München sogar tatsächlich ein Grundstück zum Kauf angeboten: 11.000 Quadratmeter, ganz in der Nähe vom jetztigen Standort in Trudering. Allerdings für 560 Euro pro Quadratmeter. Das macht insgesamt gut sechs Millionen Euro. Das Grundstück sei auch heute noch frei, sagt Aschenbrenner. "Das kann ja keiner bezahlen."
Drei moderne Großwäschereien gibt es inzwischen nur noch in München. Viele Hotels und Krankenhäuser würden ihre Wäsche deshalb außerhalb waschen lassen, in Thüringen, Österreich oder sogar in Tschechien. Für die CO2-Bilanz sei das natürlich eine Katastrophe, sagt Aschenbrenner. Trotzdem weise die Stadt keine neuen Gewerbegebiete aus.
"Du wirst hier regelrecht rausgeekelt", schimpft der Senior-Chef.
"München ist handwerkerfeindlich"
Elektro Göpfert und Inhaberin Ines Göpfert (kleines Bild) brauchen dringend mehr Platz. Fotos: privat
Elektro Göpfert hat seit 14 Jahren seinen Sitz in Allach. Von einem Ein-Mann-Betrieb ist das Unternehmen mittlerweile auf 28 Mitarbeiter angewachsen. Die Elektroinstallateursfirma sucht deshalb schon länger nach neuen Räumlichkeiten. Aber auch nach fünf Jahren: nichts.
Es würden fast nur Büros und Lagerhallen gebaut, sagt Ines Göpfert. Ihr Betrieb brauche aber eine Mischung aus beidem – am besten noch mit einem Parkplatz dazu. "Da ist leider nur sehr schwer etwas zu finden", sagt Göpfert.
München sei richtig handwerkerfeindlich, findet sie. Selbst Schreiner und Maler täten sich inzwischen sehr schwer in der Stadt. Dabei gebe es noch einige freie Flächen im Stadtgebiet, so Göpfert. Zum Beispiel das ehemalige Diamalt-Gelände bei ihnen um die Ecke. Aber auch da seien wieder nur Wohnungen geplant.
Natürlich könnten sie umziehen. Im Umland seien vereinzelt noch Gewerbeflächen frei. Die knapp 500 Quadratmeter, die das Unternehmen brauche, seien da schon noch irgendwo zu bekommen. Nun hätten sich die Angestellten aber alle schon in München angesiedelt, sagt Göpfert. Einfach den Firmensitz zu verlegen, sei deshalb keine Option.
"Es ist wirklich ein Drama"
Den Feinkosthandel Farnetani gibt es seit 1982. Seitdem ist das Geschäft ständig gewachsen. Vor allem die mittlere und gehobene Münchner Gastronomie lässt sich mit Vorliebe von den italienischen Feinschmeckern beliefern. Gerne würde das Unternehmen expandieren. Doch dafür gibt es in München keinen Platz.
"Es ist wirklich ein Drama, etwas zu finden", sagt Geschäftsführer Stefano Giorgi. Momentan sind die Geschäftsräume noch getrennt: Das Büro liegt in Pasing, die Lagerhalle in Allach. Um beides zusammenführen zu können, bräuchte die Feinkosthandlung 6.000 bis 10.000 Quadratmeter. "Da gibt es schon was", sagt Giorgi. "Aber das ist alles viel zu teuer!"
Die Stadt sage immer nur: Wohnungsbau, Wohnungsbau, Wohnungsbau. "Ich verstehe das", betont Giorgi, "aber das macht es uns extrem schwierig".
Um etwas Bezahlbares zu finden, müsse man mittlerweile weit rausgehen. Sehr weit sogar, sagt Giorgi. Mit den längeren Wegen würden sich aber auch die Kosten erhöhen. Jeder Kilometer mache bares Geld aus. Deshalb müsse auch ein neuer Standort in München liegen.
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