Handel im Wandel: Münchner kaufen vermehrt in der Nachbarschaft
München - Mit dem Laptop auf dem Schoß von der Couch aus im Internet eine neue Hose bestellen statt Schaufensterbummel in der Kaufingerstraße: Besonders durch Corona haben noch mehr Menschen die Vorteile der Sofa-Einkäufe für sich entdeckt. Das bestätigt auch eine Studie des Ifo-Instituts.
Lag der Anteil der Onlinekäufe vor der Pandemie bei rund 17 Prozent, stieg der Wert während des Lockdowns eklatant. Mittlerweile hat sich der Wert bei 22 bis 24 Prozent eingependelt.
Studie zeigt: Es wird weniger in Münchens Stadtzentrum gekauft
Aber nicht nur der Onlinehandel macht Geschäften vor Ort zu schaffen. Wie die Erkenntnisse des Ifo-Instituts zeigen, verschieben sich auch die Gewohnheiten der Einkäufer. Analysiert wurden anonymisierte Kartenzahlungsdaten in fünf deutschen Großstädten; darunter auch München.
Die Ergebnisse zeigen, dass weniger in den Stadtzentren gekauft wird. Dafür haben die Einkäufe in Wohngebieten und Vororten zugenommen. Experten sprechen dabei von einem sogenannten "Donut-Effekt". "Die Menschen haben sich ans Online-Shopping gewöhnt und sie arbeiten mehr von zu Hause als vor der Pandemie", sagt Jean-Victor Alipour, Mitautor der Studie. Bis zu 20 Prozent mehr werde teils in (Wohn-)Gebieten gekauft als zuvor. Das Konsumverhalten in der Innenstadt liegt unter der Woche rund zehn Prozent unter dem Vor-Pandemie-Niveau.
Münchner Händler: "Das Shoppen um des Shoppens Willen ist vorbei"
Ein beliebter Shoppingort in München ist neben den klassischen Einkaufsstraßen wie der Kaufingerstraße und der Neuhauser Straße die Türkenstraße. Auch dort hat sich das Einkaufsverhalten geändert.
Tino Gottschall (53) von der Amber Lounge – einer Modeboutique – arbeitet seit 20 Jahren in dem Laden. "Das Shoppen um des Shoppens Willen ist vorbei", sagt er. Schon vor Corona sei das spürbar gewesen, durch die Pandemie hat er etwas weniger Kunden. "Wie alle anderen auch. Die Leute kaufen nicht mehr so leichtfertig", findet Gottschall.
Viele seiner Kundinnen kennt er schon ewig, die meisten wohnen in der Nachbarschaft. Spürbar sei die wachsende Einsamkeit der Leute. "Nach dem Einkaufen bleiben viele auch einfach noch, um zu reden", sagt der 53-Jährige.
Das Kaufverhalten der Münchner hat sich durch die Pandemie geändert
Mal zum Hallo sagen kommen auch die Nachbarn vom Imperia, einem Blumen- und Feinkostladen in der Türkenstraße. Katharina Faiß (22) arbeitet dort seit der Eröffnung im September. "Ich denke, 80 Prozent unserer Kunden kommen aus der Nachbarschaft", berichtet die Angestellte. Es werden Geschenke gekauft, ein Mitbringsel für den Abend oder ein Blumenstrauß für die eigene Wohnung – und im Anschluss werde gerne mal ein bisschen geratscht. "Es ist eine sehr belebte Straße. Deshalb ist immer was los", sagt Faiß.

Betrieb ist auch im Suckfüll, Baumarkt und Haushaltswarenladen in einem. Jedoch habe sich das Kaufverhalten der Leute durch die Pandemie sehr wohl verändert, berichtet Katharina Suckfüll. "Aktuell merkt man, dass die Kunden weniger Geld für schöne Dinge ausgeben. Eine Vase verkneift man sich dieser Tage", sagt sie. Auch der Onlinehandel sei spürbar. Gekauft werde immer in Wellen. "Während Corona haben die Kunden mehr Töpfe und Pfannen gekauft, weil alle zu Hause gekocht haben, jetzt sind zum Beispiel gerade Taschenlampen und Leuchtmittel der Renner", sagt Suckfüll.

90 Prozent der Kunden seien aus der direkten Umgebung, erzählt Orhan Öztürk (44). Er arbeitet seit 1996 im Suckfüll, hat viele Stammkunden. Was ihm in den vergangenen Jahren vermehrt aufgefallen ist: "Viele Menschen sind durch den immer stärker werdenden Onlinehandel ungeduldiger geworden, alles muss sofort lieferbar sein. Durch Corona wurde das schlimmer."
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