Häuser-Hai will Giesinger Burg Pilgersheim schlucken

Untergiesing bangt um sein liebstes Wohnzimmer: Das „Pilgersheim“ wird von einem Luxus-Sanierer verwertet und soll schließen – der Fall steht für die immer schnellere Umwandlung des Viertels
Es ist das Thema rechts der Isar: Die Burg Pilgersheim, eine traditionsreiche bayerische Wirtschaft mit subversivem Charme, von vielen das „Wohnzimmer Untergiesings“ genannt, ist ins Visier eines Luxussanierers geraten und soll Ende September schließen.
Wie ein Lauffeuer verbreitet sich zur Zeit die Nachricht unter den vielen Stammgästen, dass die Immobilienfirma Pinna & Volland nicht nur das Gründerzeit-Haus direkt am U-Bahn-Ausgang Candidplatz saniert, was schon länger an einem (vor kurzem wieder abgebauten) Gerüst ersichtlich war, sondern auch „die Burg“ schleifen will. Die Rede ist von einem „hellen Terrassencafé“ das sich der neue Besitzer anstelle der dunkel-verräucherten Wirtschaft wünsche. „Eine Sauerei“, heißt es dazu in der Nachbarschaft, die meisten Gäste sind entsetzt und schimpfen auf „die Schicki-Mickis, die jetzt auch in Untergiesing einfallen“.
„Hier treffen sich einfach alle aus dem Viertel, das ist nicht irgendeine Wirtschaft“, zürnt Melanie Kieweg (Grüne), stellvertretende Vorsitzende des örtlichen Bezirksausschusses (BA). Wenn die Burg Pilgersheim zerstört werde, sei das der Anfang vom Ende des erdig-menschlichen alten Untergiesings, wie es von seinen Bewohnern geliebt werde.
Wirtin und Geschäftsführerin Sabine Paul, von allen nur „die Chefin“ genannt, die das Lokal zusammen mit Helmut Skant seit 2001 leitet, will sich mit Rücksicht auf ihr Verhältnis zum neuen Eigentümer nicht näher äußern: Sie muss befürchten, mit ihren vier Kindern auch noch ihre Wohnung direkt über dem Lokal zu verlieren, weil der Mietvertrag an den Pachtvertrag gekoppelt ist.
Erst vor wenigen Wochen war die Burg Pilgersheim in der AZ-Serie „Wildes München“ vorgestellt worden – weil sie zu den ungewöhnlichsten Institutionen der Münchner Kneipen–Kultur gehört: Moderate Preise, gutes Essen (berühmt: Kellerbier & Schnitzel), progressive Musik – und ein Treffpunkt für Arbeiter, Studenten, Fußballfans und Künstler gleichermaßen. Keine sieche Boazn, sondern ein prosperierendes Lokal, das Abend für Abend gut gefüllt ist. „Wir sind absolut zufrieden mit den Pächtern“, bestätigt Josef Möginger von der Paulaner-Brauerei.
Warum dann diese Umwandlung mit der Brechstange? – Der Sanierer gibt sich arglos: „Ich verstehe die ganze Aufregung nicht“, so Andreas Volland: „Ich saniere einfach nur als Privatmann ein Haus. Die Leute finden es wunderschön, dass alles wieder tip-top ist.“ Es sei ein „völlig normaler Vorgang“, dass der vor zehn Jahren geschlossene Pachtvertrag für die Wirtschaft nun auslaufe. Auf die Frage der AZ, ob er denn doch noch eine Verlängerung in Erwägung ziehe, antwortet Volland ausweichend: „Da muss man sich Gedanken machen, mein Ansprechpartner ist die Brauerei.“ Melanie Kieweg vom BA hält das für „die übliche Hinhalte-Taktik, er erzählt jedem etwas anderes“.
Der Fall der Burg Pilgersheim ist symptomatisch für ein ungelöstes Münchner Planungs-Problem: Sollen nach Schwabing, Haidhausen, Neuhausen weitere Stadtteile in den Sog von Luxussanierern geraten, die den Charakter der Viertel massiv verändern und die angestammte Bevölkerung verdrängen?
In Untergiesing will man um „die Burg“ kämpfen so lange es geht: „Wir brauchen keinen Immobilien-Hai, der nichts außer Schicki-Micki-Kultur und dem größtmöglichen Gewinn will“, so Kieweg. Der Bezirksausschuss wolle verhindern, dass es „Untergiesing so ergeht wie Haidhausen“.
Michael Grill