Hätten Sie's gewusst? Die Geheimnisse der Bavaria
Die Nockherberg-Rednerin Luise Kinseher schlüpft wieder in die Rolle der bayerischen Patronin. Doch wer ist die Bronze-Frau im Bärenfell wirklich? Wir fragen ihr Alter Ego – und gehen auf Spurensuche.
AZ: Frau Kinseher, wie oft besuchen Sie die Bavaria?
LUISE KINSEHER: Öfter – dadurch, dass ich da wohne. Ich grüße sie dann immer. Sie ist ja schon imposant. Es ist ein starker Ort da oben. München ist eh so flach. Da oben ist einer der wenigen Orte, wo man das Gefühl hat, man steht ein bisschen über den Dingen. Ich bin da gern.
Ein Kraftort?
Wenn man oben an der Bavaria steht und auf die leere Theresienwiese schaut – also gerade, wenn dort nichts los ist –, das mag ich. Hinten dann die Köpfe in der Ruhmeshalle, das hat etwas. Die Figur hat schon Ausstrahlung. Diese Handwerkskunst, diese Materialschlacht. Man muss sich das mal vorstellen: Das ist ja eine der größten Kolossalstatuen der Welt. Dieses Ding da zu gießen, was das heißt! Das spürt man schon. Das finde ich gut.
Wann waren Sie das letzte Mal drin?
Jetzt hat sie ja zu bis 8. April. Immer von Mitte Oktober bis Mitte April.
Sie verbindet mit der Bavaria ja offenbar doch so einiges.
Freilich habe ich mich mit der Figur beschäftigt. Weil die Bavaria selber gibt es ja nur als diese Statue. Die hat ja keinen mythologischen Hintergrund. Das ist ja pur entstanden aufgrund des Nationalgedankens im 19. Jahrhundert – etwas, das uns total verloren gegangen ist. Die Bavaria ist ja eigentlich sinnleer. Sie hat in ihrer Darstellung – wie die Germania – etwas Kriegerisches, was symbolisieren soll, dass man den Nationalstaat verteidigt gegen die Bedrohungen von außen.
Sie hat etwas Martialisches. Nichts Weiches.
Dieses Mütterliche, das ist ja meine Erfindung. Das hat die Figur als solche ja überhaupt nicht. Da gibt es ja die Patrona Bavariae, die Heilige Maria, die als Mutter der Bayern sehr wichtig ist und in Bayern sehr verehrt wird. Meins ist eher eine Verweltlichung der Patrona Bavariae und nicht eine Heiligsprechung der Figur an der Wiesn. Es ist etwas dazwischen, würde ich sagen. Deshalb habe ich mich schon mit der Figur beschäftigt: Wie ist die? Wo liegt ihre Stärke, ihre Kraft? Wo ist ihre Berechtigung? Ihre Emotionalität? Wo sind ihre historischen Bezüge? Was verbinden die Leute mit dem Begriff Bavaria? Ich bin der Meinung, ich bin gerade dabei, sie zu kreieren. Das schafft man aber nicht mit einem Auftritt auf dem Nockherberg. Dazu ist sie zu stark, zu kraftvoll. Ich finde mich da schon auch hinein.
Wie lange brauchen Sie dafür?
Ich habe in diesem Jahr sicher etwas dazu gemacht. Und im nächsten Jahr wieder – wenn ich darf. Meine Figuren entwickeln sich mit der Zeit – und mit mir. Sie wächst mit der Aufgabe.
Haben Sie sich mit der Symbolik der Bavaria und ihrer Bestandteile beschäftigt?
Sie hat ein Bärenfell an – und keinen Lorbeerkranz auf dem Kopf, sondern Eichenlaub. Da sind schon deutsch-nationale Attribute hergenommen worden und weniger aus der griechischen Mythologie. Klenze wollte es ja eigentlich viel schlanker und griechischer. Aber das kam dann anders. Die Bavaria ist in der Wahrnehmung der Menschen nicht sehr präsent, sie ist kein Allgemeingut. Es ist ein Platzhalter, den es zu füllen gilt. Das ist eine Aufgabe. Da bringe ich mich und meinen Charakter voll ein: das Beherzte und Lebensfrohe. Am ehesten vergleichen kann man die Bavaria mit der Freiheitsstatue. Aber die verkörpert eindeutig etwas: Freiheit. So etwas hat die Bavaria nicht. Sie ist martialisch, sie verkörpert die Wehrhaftigkeit Bayerns.