Händler freuen sich auf Kirchweihdult: "Wer auf der Dult is', hat's gschafft!"

München - Was waren das für absurde Bilder, als die Maidult nach Ausbruch der Pandemie 2020 stattfand: Die Dult-Gäste – alt, jung, Familien mit und ohne Kinderwagen – standen maskiert Schlange, locker bis zu einer Stunde, um zwischen den Ständen zu trödeln, Schoko-Crêpe zu knabbern oder eine völlig verrückte Gemüsehobel-Neuheit zu kaufen – die dann jahrelang spurlos unter der Spüle verschwindet.
Kirchweihdult: Mariahilfplatz wird auf Hochglanz poliert
Wer in den vergangenen Tagen beim Aufbau der anstehenden Dult, der Kirchweihdult, vorbeischaute, spürt von all diesen leicht apokalyptischen Zuständen gar nichts mehr im Vorfeld dieses so münchnerischen Marktes. Und das, obwohl der größere Bruder der Dult, die Wiesn, die Pandemie wohl noch einmal angefacht hat.

Auf dem Mariahilfplatz wird gehämmert, gebohrt, aufgehängt, auf Hochglanz poliert, wie etwa am Kinderkarussell. Die Händler haben ein Lächeln im Gesicht. Zwischen den aufgebauten Ständen hat man mehrfach Zugang zum Platz. Luftig ist es. Man schüttelt sich wieder die Hand. Wenige reichen einem noch die Faust, wie Till Polednik (60). Er ist Antiquitäten- und Kuriositätenhändler aus Stuttgart. Polednik schiebt ein paar Bananenkisten voller Silberteile zur Seite und sagt: "Ich bin auch mit Masken bewaffnet." Er trägt aber keine.
Händler auf der Dult: "Ich steh' auf, denk an die Dult und bin glücklich"
Er ist zum ersten Mal dabei, hatte sich kurz vor der Pandemie beworben, bekam von der Stadt eine Zu- und dann eine Absage für die Maidult 2020, weil deutlich weniger Stände aufgebaut werden durften. 260 sind es heuer, inklusive Schausteller. "Wer auf der Dult is', der hat's gschafft", sagt er melodisch schwäbelnd.
Denn: "Das Münchner Publikum schätzt noch den Wert seltener Stücke", sagt Polednik. Das sei nicht überall in Deutschland so. Er sollte es wissen. Der Mann ist seit 1987 Antiquitätenhändler.
Ob er dennoch Angst habe vor der Pandemie? "Nein, ich bin mehrfach geimpft. Und die allermeisten Dult-Gäste bestimmt auch", sagt Polednik. Er kann seine Vorfreude kaum verbergen und sagt: "Ich steh' zur Zeit morgens auf, denk' an die Dult und bin glücklich."
Was man bei ihm denn alles bekomme? "Serviettenringe, Krippenfiguren aus Neapel, Bronzefiguren, Raritäten", zählt er auf. Bei ihm kann man einen Euro oder 1.600 Euro ausgeben, nämlich für ein silbernes Zigarettenetui mit "erotisch-orientalischem Motiv", Ende 19. Jahrhundert. Eine nackte Frau steht darauf, die gerade ihren Umhang lüftet. Hinter ihr ein Mann mit Turban und breitem Osmanen-Schnauzer. "So hat man sich halt früher den Orient vorgestellt", sagt Polednik.
Barbara Batnick verkauft seit 41 auf jeder Dult
Ein paar Reihen weiter, näher zur Kirche. Dort steht Barbara Batnick mit ihrer Enkelin. Sie putzt gerade den Staub von den Tassen. Batnick, Jahrgang 1953, verkauft seit 41 Jahren auf jeder Dult. Enkelin Anna-Lena hilft aus. Sie lieben die "Duld". Die beiden Unterfränkinnen aus Haßfurt sprechen das wunderschön weich aus. "Auch die Maiduld had sich scho ganz normal angfühlt", sagt Batnick.

Sie erzählt von schwierigen Zeiten seit 2020. Während der Pandemie hatte sie große Umsatzeinbrüche. Die Corona-Hilfen seien für sie mäßig ausgefallen und müßig zu beantragen gewesen. "Irgendwann dacht ich mir: Lieber hier am Mariahilfplatz betteln, als nochmal aufs Landratsamt zu gehen", erzählt Batnick. So tief sitzt ihr Frust bis heute.
Kirchweihdult 2022 fühlt sich wie eine Dult von früher an
Deshalb freut es sie umso mehr, dass sich die Kirchweihdult schon wie eine Dult von früher anfühlt. Bei Batnick gibt es seit jeher alles rund ums Porzellan. "Von der "Esbresso-Dasse" (3,50 Euro) bis zur Anderthalb-Liter-Tasse (siehe Foto, 18,50 Euro). Auch eine Suppenterrine für 85 Euro ist zu haben. Wer denn so eine Riesen-Tasse kaufe? "Endlich was für meinen Enkel", habe mal eine fränkische Käuferin gesagt. Das Kind trinke nämlich einen Liter Kakao am Tag.
Noch etwas weiter richten Norbert und Teresa Bernegger gerade ihren Stand an der Ahornallee ein, bei dem sich alles um das Thema Wolle dreht. "Teppiche, Läufer, Socken, Pullis, auch maßangefertigt, aus Eigenproduktion", sagt Norbert Bernegger (Jahrgang 1967).

Schon seine Eltern verkauften das alles auf der Dult. Er besitzt eine Handweberei und Wollkämmerei. Ein bisschen kleinlaut wird Bernegger, als es um Corona geht.
Das Virus war ja für viele Geschäftsleute eine Katastrophe. Aber nicht für die Berneggers. "Viele Leute wollten es sich plötzlich daheim gemütlich machen", erzählt er, "daher ist in der Pandemie unser Umsatz gestiegen, auch durch Online-Bestellungen." Schafwollteppiche seien der Renner gewesen.
Bernegger habe deshalb sogar zwei weitere Mitarbeiterinnen eingestellt. Aber selbstverständlich sei auch er froh, dass sich die Lage langsam normalisiere. Trotz allem glaubt er, dass heuer etwas vorsichtiger eingekauft wird, "wegen Putin", sagt Bernegger.
Rummelplatz plus Frischluft-Kaufhaus: Trachten, Marmelade und Hundebackwaren
Die Kirchweihdult – manche nennen sie Herbstdult – beginnt an diesem Samstag, den 15. Oktober und endet am Sonntag, den 23. Oktober. Geöffnet ist täglich von 10 bis 19 Uhr. Achtung: Die Fahrgeschäfte nehmen den Betrieb um 10.30 Uhr auf.
Über zwei Wochenenden hinweg haben also alle Münchner die Gelegenheit, auf diesem Münchner Traditionsmarkt zu bummeln, einzukaufen, Kettenkarussell zu fahren oder ein (bayerisches) Schmankerl zu essen, von der Bratwurst über Crêpes sowie gebrannte Mandeln bis zum Steckerlfisch. Natürlich gibt es hier auch eine Maß im Biergarten, um die Wiesn im Nachgang gebührend zu verabschieden.

Auf der Dult bekommt man fast alles: Geschirr, Haushaltswaren, Antiquitäten, Korbwaren, Spielzeug, Gardinen, Filzpantoffeln, Gewürze, Marmeladen, Trachtenzubehör und Zirbenkissen. Aber die Dult wäre nicht die Dult, wenn man nicht auch Skurrilitäten finden könnte. Heuer, unter anderem: Hundebackwaren. Für die Vierbeiner gibt es laut Wirtschaftsreferat sogar einen eigenen Adventskalender.
260 Marktleute haben in den letzten Tagen ihre Stände für ihre Gäste eingerichtet, inklusive aller Schausteller. Interessant für alle Paare mit Kindern: Am Dienstag, den 18. Oktober, ist Familientag. Das heißt, an diesem Dienstag sind die Preise ermäßigt. Das Wirtschaftsreferat unter der Leitung von Clemens Baumgärtner (CSU) geht heuer von "einer normalen Dult" aus, ohne Corona-Regeln. Auf AZ-Anfrage heißt es: "Die Kirchweihdult wird ohne zusätzliche Coronaschutzmaßnahmen durchgeführt. Vonseiten der Gesundheits- und der Sicherheitsbehörden gibt es keinerlei Auflagen." Allen stehe es natürlich frei, eine medizinische oder eine FFP2-Maske zu tragen. Eine Dult wie vor der Pandemie also.