Haderthauer: Mit einem Dreifach-Mörder per Du

München - Psychisch kranke Straftäter bauen unter der Federführung eines Dreifachmörders edle, auf dem Sammlermarkt begehrte Modellautos, die Privatfirma „Sapor Modelltechnik“ vermarktet sie. An den Geschäften waren Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer und ihr Mann Hubert, Leiter der Landgerichtsärztlichen Dienststelle und am Anfang der betreuende Arzt des Mörders, fast 20 Jahre lang beteiligt (AZ berichtete). Und: Ihre Rolle dabei wird immer fragwürdiger.
Nach Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern des Bezirkskrankenhauses Ansbach, wo das dubiose Geschäftsmodell 1989 seine Anfänge nahm, ehe es im Jahr 2000 nach Straubing verlegt wurde, herrschte zwischen dem Mörder und den Haderthauers ein geradezu bizarres gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis.
Dr. Haderthauer, der 1991 Landgerichtsarzt in Ingolstadt wurde und die Geschäfte der „Sapor Modelltechnik“ von seinem Wohnort aus betrieb, war sich bewusst, dass er von der Genialität des Mörders abhängig war.
„Wir waren untereinander alle per Du“, sagen Mitgesellschafter Ponton und ein weiterer Geschäftspartner aus der Anfangszeit. Galt das auch für Christine Haderthauer und den Mörder? „Ja“, erklären sie übereinstimmend.
Mehrere Pfleger, die im BKH Ansbach beschäftigt waren, sprechen von einer unglaublichen Freizügigkeit, die dem im Hochsicherheitstrakt untergebrachten Dreifachmörder Roland S. zugebilligt wurde. „Als ich in der Werkstatt anfing, zu arbeiten, hielt ich ihn zunächst für den Arbeitstherapeuten“, schildert ein Pfleger seine ersten Eindrücke in der Forensik. „Haderthauer kam oft in das Bezirkskrankenhaus und nahm Herrn S. einfach mit. Ohne Pflegepersonal oder Sicherheitskräfte. Er konnte kommen und gehen, wann er wollte“, schildert der Pfleger seine Erfahrungen.
Noch mehr wunderten sich die BKH-Bediensteten aus der Forensik über das merkwürdige Verhältnis, das der Mörder zu jenem Polizeibeamten unterhielt, der die Ermittlungen im letzten Mordfall geführt hatte. „Der Polizist“, versichern mehrere Pfleger, „holte ihn regelmäßig für Wochenendurlaube ab“. Zur Bewachung war in diesen Fällen nie jemand dabei.
Diese außergewöhnliche Freizügigkeit im Umgang mit dem psychisch kranken Mörder wird auch von der Nürnberger Staatsanwaltschaft bestätigt. Antje Gabriels-Gorsolke, Sprecherin der Behörde: „Solche Ausflüge mit dem Polizeibeamten sind seit 1993 dokumentiert. Sie wurden als therapeutische Maßnahme von der Klinikleitung deklariert. Wir wurden dazu angehört und hatten keine Einwände.“ Ab 1996, so Gabriels-Gorsolke, sei dann vereinbart worden, dass die Staatsanwaltschaft zu den regelmäßigen Ausflügen alle zwei Wochen nicht mehr befragt werden müsse.
Einer dieser Ausflüge mit dem Polizeibeamten und dessen Frau führte sogar bis nach Frankreich, wo Geschäftspartner Ponton, ein Sportwaffenhändler, seine Jagdhütte für den Aufenthalt zur Verfügung gestellt hatte. Ein Umstand, der angesichts eines therapiebedürftigen Mehrfachmörders nicht ganz ohne Brisanz gewesen sein dürfte: In der Jagdhütte bewahrte Ponton nach eigenen Angaben eine Vielzahl von Schusswaffen und Munition auf.
Christine Haderthauer wischt mögliche Interessenskonflikte durch ihrer langjährigen Beteiligung (1989 bis 2003) an „Sapor Modelltechnik“ und ihrer heutigen ministeriellen Führungsaufsicht über die Bezirkskrankenhäuser mit dem Argument vom Tisch, dass ihr Engagement lange vor ihrer Zeit als Ministerin gelegen habe.
Im Fall des Dreifachmörders, der noch immer im Hochsicherheitstrakt des BKH Straubing untergebracht ist, ist der Ausschluss möglicher Interessenskonflikte nicht ganz so einfach zu erklären. Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass der Mörder, wie er einer Vertrauten berichtete, sogar zu Besuch bei den Haderthauers im Privathaus in Ingolstadt war. „Dazu müssen sie ihren Mann fragen“, weicht die Ministeriums-Sprecherin nach Rücksprache mit ihrer Chefin einer direkten Antwort aus. Weitere Auskünfte zu den Vorgängen will die Ministerin nicht erteilen.
Rechtsanwalt Adam Ahmed aus München, der Einblick in die Akten des untergebrachten Handwerks-Genies hat, ist auf einen Vorgang aus dem Jahr 2009 gestoßen, der seiner Meinung nach dringenden Aufklärungsbedarf hat und durchaus auf einen massiven Interessenskonflikt der Ministerin hindeuten könnte. Aufgrund positiver Begutachtung durch einen externen Berater und auch der Einschätzung des Straubinger BKH-Psychologen sollte der Mörder in den normalen Vollzug nach Ansbach zurückverlegt werden. Damit wäre die Produktion der Modellautos, an denen auch das BKH verdient, weggefallen.
Hinter vorgehaltener Hand wird im BKH Straubing davon gesprochen, dass die bereits festgesetzte Verlegung in letzter Minute auf Weisung aus dem Sozialministerium abgeblasen wurde. Ahmed: „Der Vorgang muss lückenlos aufgeklärt werden.“ Haderthauers Sprecherin wies eine Einflussnahme auf die Nichtverlegung zurück. Es habe weder eine Anweisung des Ministeriums noch von Christine Haderthauer persönlich gegeben.
Roger Ponton, Ex-Geschäftspartner des Ehepaars, hat Zweifel an Haderthauers früherer Aussage, dass sie 2003 aus den Geschäften ausgestiegen sei, 2008 dann auch ihr Mann, um mögliche Interessenskonflikte zu vermeiden. Ein von ihm beauftragter Anwalt, der wegen vieler Unklarheiten damit gedroht hatte, eine Klage gegen die Haderthauers einzureichen, ließ sich im November 2011 von ihnen zu einem Vergleich bewegen, um die Geschäftsbeziehung zu beenden. Obwohl Christine Haderthauer die Firma „Sapor Modelltechnik“ offiziell schon 2003 verließ, hielt sie es doch für notwendig, sich an der Vereinbarung im Jahre 2011 zu beteiligen.
Eine von mehreren offenen Fragen, die mit dem Vergleich stillschweigend „beerdigt“ wurden: War die Sozialministerin auch nach der Übertragung ihrer Anteile an Ehemann Hubert 2003 in die Geschäfte involviert? Auf Geschäftspapier der Firma „Sapor Modelltechnik“ wurde nach Angaben eines Kunden bis Ende 2008 ein Konto verwendet, über das finanzielle Transaktionen der Firma abgewickelt wurden. Inhaberin des Kontos bei der Ingolstädter Sparkasse, die vom Bruder des Ministerpräsidenten Horst Seehofer geleitet wird: Christine Haderthauer.