Missbrauchsstudie: Mindestens 497 Opfer im Erzbistum München

München - Ein Gutachten wirft dem früheren Erzbischof von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter, 21 Fälle von Fehlverhalten im Umgang mit sexuellem Missbrauch vor.
Das sagte der Jurist Martin Pusch bei der Vorstellung des Gutachtens in München. Wetter habe die Fälle zwar nicht bestritten, ein Fehlverhalten seinerseits aber schon, sagte Pusch. Die neue Studie zu sexuellem Missbrauch im katholischen Erzbistum München und Freising listet mindestens 497 Opfer auf.
Mindestens 235 Kirchen-Vertreter vergriffen sich an Minderjährigen
Dabei handele es sich überwiegend um männliche Kinder und Jugendliche im Zeitraum zwischen 1945 und 2019, teilte die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) mit. Sie hatte das Gutachten im Auftrag der Erzdiözese erstellt. Mindestens 235 mutmaßliche Täter gab es laut der Studie - darunter 173 Priester und 9 Diakone. Allerdings sei dies nur das sogenannte Hellfeld. Es sei von einer deutlich größeren Dunkelziffer auszugehen.
Weiter kommt die Studie zu dem Schluss, dass viele Priester und Diakone auch nach Bekanntwerden entsprechender Vorwürfe weiter eingesetzt worden seien. 40 Kleriker seien ungeachtet dessen wieder in der Seelsorge tätig gewesen beziehungsweise dies sei geduldet worden, teilte die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) mit. Bei 18 davon erfolgte dies sogar nach "einschlägiger Verurteilung", wie Rechtsanwalt Martin Pusch sagte. Insgesamt seien bei 43 Klerikern "gebotene Maßnahmen mit Sanktionscharakter" unterblieben.
"Wunsch, die Institution Kirche zu schützen"
Das Gutachten stellt der katholischen Diözese ein schlechtes Zeugnis aus. Auch in jüngster Zeit habe kein "Paradigmenwechsel" mit dem Fokus auf die Betroffenen stattgefunden, sagte Martin Pusch von der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW), die das Gutachten im Auftrag des Bistums durchgeführt hat, am Donnerstag in München. "Bis in die jüngste Vergangenheit und teils auch heute noch begegnen Geschädigte Hürden." Ein aktives Zugehen auf die Opfer gebe es nicht. Die "Wahrnehmung der Geschädigtenbelange" sei "auch nach 2010 unzulänglich". Pusch sieht ein "generelles Geheimhaltungsinteresse" und den "Wunsch, die Institution Kirche zu schützen".