Grundsätze sind wichtiger als Regeln
Normalerweise lehren sie publikumswirksam den vermeintlichen Machthabern dieser Republik das Fürchten und die Vernunft – jetzt haben sich die Verfassungsrichter ihre eigene Zunft, die Juristen, vorgeknöpft:
Auf Antrag der türkischen Zeitung „Sabah“ haben die Karlsruher Richter entschieden, dass Medien aus den Ländern, aus denen die NSU-Opfer stammen, eine „angemessene Zahl von Sitzplätzen“ im Münchner Prozess erhalten sollen.
Um es noch mal deutlich zu sagen: Es ist lachhaft und beschämend, dass das Oberlandesgericht erst jetzt durch eine Entscheidung eines der höchsten Bundesorgane dazu gezwungen werden musste, das zu tun, was Anstand, Mitgefühl und Menschenverstand von vorneherein geboten hätten.
Aber diese Grundgedanken hatten die Herren Richter bei der eilfertigen Befolgung der von ihnen selbst aufgestellten Regeln zur Akkreditierung von Journalisten aus den Augen verloren. Erst die Verfassungsrichter mussten sie daran erinnern, dass es wichtiger ist, Grundsätze zu haben, als Regeln zu folgen.
Sollte das immer noch jemandem nicht einleuchten, so möge er sich bitte vorstellen, in der Türkei seien acht Deutsche erschossen worden. Und ein dortiges Gericht würde der deutschen Presse den Zutritt zum Prozess verwehren. Selbst wenn das hier wie dort legal wäre, wir fänden es nicht legitim.
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