Grünen-Kritik an Sicherheitswacht: "Ich hoffe, die Polizei ist offen für Argumente"

München - Ehrenamtliche gehen für die Münchner Polizei in den Stadtvierteln auf Streife: als sogenannte "Sicherheitswacht". Wie berichtet, hat die Polizei letzte Woche überraschend bekanntgegeben, die Wacht um 50 Prozent aufstocken zu wollen. Hier erklärt Grünen-Fraktionschef Dominik Krause, warum seine Fraktion in einem Antrag, der der AZ vorab vorliegt, den OB auffordert, der Polizei erneut darzulegen, dass der Stadtrat die Sicherheitswacht ablehnt.

AZ: Herr Krause, was haben Sie gegen mehr Sicherheit für die Münchner Stadtviertel?
DOMINIK KRAUSE: Wir haben nichts gegen mehr Sicherheit. Wir finden aber, dass das Gewaltmonopol beim Staat liegt, vertreten von gut ausgebildeten Polizeibeamtinnen und -beamten und nicht von Ehrenamtlichen.
"München ist die sicherste Großstadt Europas"
Heißt das, die Grünen wollen die Sicherheitswacht weghaben - fordern dafür aber mehr Polizei auf Münchens Straßen?
Es gibt einen großen Überstundenberg bei der Münchner Polizei. Ein Weg, um diesen abzubauen könnte möglicherweise mehr Personal sein. Dieses Problem des Innenministeriums sollten wir nicht auf Ehrenamtliche auslagern. Aber auf die Frage, ob wir mehr Polizei auf den Straßen brauchen, sage ich: München ist die sicherste Großstadt Europas, wir haben keinen akuten Bedarf für mehr Polizei.
Was ist Ihre Hauptkritik an der Sicherheitswacht?
Das Handeln im Sicherheitsbereich ist immer ein Eingreifen in sehr sensible Rechte, weil man im Zweifelsfall sogar körperliche Gewalt anwenden muss. Hier mit dem richtigen Fingerspitzengefühl und auf gesetzlicher Grundlage vorzugehen ist nicht immer einfach, weswegen unsere Polizistinnen und Polizisten gut dafür ausgebildet werden. Diese jahrelange Ausbildung in lediglich 40 Stunden zu pressen, wie es bei der Sicherheitswacht der Fall ist, ist schlicht unmöglich. Außerdem vermittelt es ein trügerisches Gefühl von Sicherheit, wenn man Leute in Uniform sieht, welche aber im Notfall letztlich auch nur die 110 rufen können.
In Ihrem Antrag ist explizit die Rede davon, dass auch Rechtsextreme in die Sicherheitswacht drängen könnten. Gibt es dafür in München konkrete Anzeichen?
Aktuell ist mir kein konkreter Fall bekannt, aber es gab in der Vergangenheit schon vereinzelte Fälle.
"Ich hätte schon erwartet, dass die Polizei mit dem Stadtrat kommuniziert"
An der Stadtspitze ist man immer sehr stolz auf seinen kurzen Draht zum Polizeipräsidenten. In Ihrem Koalitionsvertrag ist verankert, dass die Stadtratsmehrheit die Sicherheitswacht ablehnt. Trotzdem hat die Polizei verkündet, sie um die Hälfte deutlich aufstocken zu wollen - und das offenbar ohne mit Stadträten zu sprechen. Wie passt das zusammen?
Ich bin sehr irritiert davon, dass zumindest mit unserer Fraktion von der Polizeispitze vorab kein Kontakt aufgenommen worden ist. Ob das mit dem OB anders war, das weiß ich nicht. Uns hat er es jedenfalls nicht berichtet. Auf jeden Fall hat die Mehrheit des Stadtrats hierzu eine klare Position, da hätte ich schon erwartet, dass man auch mit dem Stadtrat spricht. Wenn man dann nicht zusammengekommen wäre in Gesprächen, hätte die Polizei es ja immer noch machen können - und wir hätten es dann eben öffentlich kritisiert. Erst gar nicht miteinander zu sprechen, das ist schon verwunderlich.
Was erwarten Sie sich davon, das Thema jetzt mit einem Antrag wieder in den Stadtrat zu bringen?
Wir erwarten uns, dass ein Austausch mit der Polizei dazu beginnt. Ich hoffe, dass sich die Polizei offen für Argumente zeigt und noch einmal darüber nachdenkt, ob sie den richtigen Weg geht - letztendlich schwächt sie sich damit ja auch selbst. Und ob sie wirklich in so einer sensiblen Frage eine Entscheidung gegen den Mehrheitswillen des Stadtrats, der die Münchner Bürgerinnen und Bürger vertritt, treffen will.
"Wir gehen davon aus, dass sich die SPD an den Koalitionsvertrag hält"
Auf dem neuerlichen Antrag stehen nur die Grünen, nicht wie in solchen Fällen oft üblich auch ihr Koalitionspartner SPD. Gibt es möglicherweise im Stadtrat gar keine Sicherheitswacht-kritische Mehrheit mehr?
Warum die SPD den Antrag nicht mitgestellt hat, müssen Sie die SPD fragen. Aber wir gehen davon aus, dass sich auch die SPD im Stadtrat an den Koalitionsvertrag hält, in dem wir gemeinsam vereinbart haben, dass wir die Sicherheitswacht ablehnen und das staatliche Gewaltmonopol bei der Polizei sehen.