Grüne und SPD wollen den gläsernen Münchner Stadtrat

Was ein Stadtrat arbeitet und in welchen Vereinen er aktiv ist, sollen Bürger in Zukunft leichter erfahren, fordern Grüne und SPD. Nicht zuletzt nach den jüngsten Skandalen.
von  Christina Hertel
Ein Stadtrats-Mandat ist in München ein Ehrenamt. Doch dafür bekommen Politiker eine Aufwandsentschädigung von mindestens 2.899 Euro im Monat.
Ein Stadtrats-Mandat ist in München ein Ehrenamt. Doch dafür bekommen Politiker eine Aufwandsentschädigung von mindestens 2.899 Euro im Monat. © Peter Kneffel/dpa

München - Über Florian Roth, den Chef der Grünen im Münchner Stadtrat, lässt sich einiges herausfinden. Zum Beispiel, dass er als Fraktionsvorsitzender 4.944,50 Euro im Monat verdient, dass er davon keine Sozialversicherungsbeiträge abführen, aber privat für seine Rente vorsorgen muss.

Etwa 300 Euro im Monat bekommt er, weil er in Aufsichtsräten sitzt - unter anderem bei der Gasteig GmbH und dem Münchner Volkstheater. Außerdem ist Roth als interkultureller Bildungsberater bei der Stadt beschäftigt - mit einer halben Stelle für 1.931 Euro netto. An seine Partei zahlt er 483 Euro Spenden im Monat.

Stadtrat lehnte "Ehrenordnung" 2012 mehrheitlich ab

Das alles sind Roths eigene Auskünfte, man kann sie auf seiner Webseite nachlesen. Er müsste all diese Einkünfte nicht offenlegen. Doch "Transparenz ist mir ein großes Anliegen", schreibt er dort auch. Bereits 2012 forderte Roth, dass Stadträte im Rahmen einer "Ehrenordnung" Auskunft über ihren Beruf, ihre Arbeitgeber, ihre Firmen- und Vereinstätigkeit geben sollen. Damals lehnte der Stadtrat den Vorschlag mehrheitlich ab.

ÖDP beantragt Lobbyregister

Doch seit mehrere CDU- und CSU-Politiker unter Verdacht stehen, ihr Mandat dazu missbraucht zu haben, sich finanzielle Vorteile zu erschleichen, ist auch die Stimmung im Münchner Stadtrat eine andere. Bereits vergangene Woche beantragte die ÖDP ein Lobbyregister, das alle Kontakte die Kommunalpolitiker mit Wirtschaftsvertretern haben, erfassen soll. Nun fordern Grüne und SPD gemeinsam eine "Transparenzoffensive" für Stadtrat und Verwaltung.

Münchner Stadträte sind keine Berufspolitiker

Die beiden Fraktionen wollen Stadträte dazu verpflichten, Auskunft über ihre beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten offenzulegen. Auch Regeln zum Umgang mit Einladungen und Geschenken soll es geben. Zwar halten die sich laut Roth ohnehin in Grenzen. Er habe im vergangenen Jahr gerade mal zwei Bier und Würstchen bekommen, als der Nockherberg ausfiel.

Doch dass es für städtische Mitarbeiter schon lange strenge Regeln gibt und für Stadträte nicht, hält Roth für nicht gerecht. Grund dafür, dass es bislang so wenig Regelungen gibt, ist wohl, dass Münchner Stadträte keine Berufspolitiker sind. Sie bekommen anders als Abgeordnete keine Diäten, sondern eine Aufwandsentschädigung. Doch mit einem Ehrenamt in einem Fußballverein lässt sich das politische Engagement ohnehin nicht vergleichen.

30-Stunden-Woche für die Stadträtin

Mindestens 30 Stunden die Woche wende sie für ihre Arbeit als Stadträtin auf, sagt Micky Wenngatz von der SPD, die die Transparenzoffensive mit initiierte. Die Sitzungen finden immer am Vormittag statt. Wie lässt sich das überhaupt mit einem Job in Einklang bringen? Für ihren Verdienstausfall erhalten Stadträte minutengenau errechnete Entschädigungen, antwortet das Rathaus auf AZ-Anfrage. Bei Arbeitnehmern entspricht das dem tatsächlichen Ausfall. Bei Selbstständigen sind es 43,08 Euro in der Stunde.

Das verdienen Münchens Politiker

Zudem bekommen Stadträte eine Aufwandsentschädigung von 2.899 Euro im Monat. Stellvertretende Fraktionsvorsitzende erhalten 4.308 Euro und Fraktionsvorsitzende 5.720 Euro. Am besten verdient der Oberbürgermeister (16.000 Euro brutto im Monat). Die Bürgermeisterinnen bekommen 13.100 beziehungsweise 12.500 Euro monatlich.

Dafür erhalten sie kein Sitzungsgeld. Für die Entschädigungszahlungen überprüft die Stadt zwar die Einkommenssituation der Stadträte. Doch öffentlich einsehbar sind diese Daten nicht. Den genauen Verdienst müssten Stadträte aus seiner Sicht auch gar nicht offenlegen, sagt Roth. Wichtiger findet er, dass die Bürger sehen, wo sich Interessenskonflikte abzeichnen könnten - etwa, weil ein Stadtrat für ein bestimmtes Unternehmen arbeitet.

Grüne und SPD wollen ein Whistleblower-System einführen

Transparenz sei die Grundlage für Vertrauen, sagt Wenngatz. Deshalb sollen Bürger in Zukunft außerdem leichter Auskünfte bekommen. Verträge und Gutachten sollen sie nach Forderung von Grünen und SPD auf einem Transparenzportal einsehen können. Zudem wollen Grüne und SPD ein Whistleblower-System einführen.

Auf einem Onlineportal sollen Menschen anonym Hinweise geben können, wenn sie einen Korruptionsverdacht haben. Damit soll die Stadt die Möglichkeit bekommen, an den Tippgeber Nachfragen zu stellen - ohne dessen Anonymität zu gefährden.

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