Grüne fordern Bau-Pause für Zweite Stammstrecke in München

München - Der Grünen-Landtagsabgeordnete Markus Büchler sprach laut Bayerischem Rundfunk (BR) angesichts einer möglichen Fertigstellung erst 2037 und Kosten von bis zu 7,8 Milliarden Euro von einem Kostenniveau, das "nicht mehr tragbar" sei.
"Dass ein einziges Projekt auf Jahrzehnte sämtliche Nahverkehrsmittel bindet, die für Bayern zur Verfügung stehen, kann nicht die Lösung sein", sagte Büchler. Das Teuerste an der zweiten Stammstrecke sei der Tunnel, dessen Bau sei "zum Glück ja noch nicht begonnen worden". Bevor das Tunnelbauwerk zum "Milliardengrab für ganz Bayern" werde, forderten Büchler und seine Parteikollegen eine Pause beim Bau, auch über einen generellen Baustopp müsse man nachdenken.
"Das kann jetzt nicht 15 oder 20 Jahre so weitergehen"
"Dass wir das S-Bahnsystem massiv ausbauen müssen, ist unstrittig", ergänzte der Sprecher für Mobilität der Grünen-Fraktion im Landtag auf dpa-Anfrage. Es müsse aber geprüft werden, ob der Tunnel der richtige Weg sei oder ob es Alternativen gebe, die schneller zu Verbesserungen führten. Immer wieder gebe es bei der S-Bahn Chaos. "Das kann jetzt nicht 15 oder 20 Jahre so weitergehen."
Um den Fahrgästen rasch Erleichterung zu verschaffen, soll nach Ansicht der Grünen der S-Bahn-Südring ertüchtigt und der Nordring und die S-Bahn-Außenäste ausgebaut werden. Ein Großteil der Störungen und Verzögerungen entstehe an den Außenästen, so Büchler laut BR.
Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) hält laut BR von den Forderungen der Grünen nichts. Für den Bau der zweiten Stammstrecke seien "ausschließlich die fundierten und final geprüften Aussagen und Informationen" der Deutschen Bahn maßgeblich. Danach würde ein Baustopp neben der schon investierten Milliarde Euro weitere rund zwei Milliarden kosten, ohne dass ein Nutzen für den Großraum München gewonnen wäre, teilte Bernreiter auf BR24-Anfrage mit. "Die Bahn hat angekündigt, im Herbst offizielle Zahlen zur zweiten Stammstrecke vorzustellen, erst dann können wir weiter in die Zukunft schauen."
Bericht: Ministerium über Problem bei Stammstrecke informiert
Nicht nur höhere Kosten beim Bau der zweiten Münchner S-Bahn-Stammstrecke, sondern auch eine Bauzeitverlängerung um Jahre hat sich einem Medienbericht zufolge bereits 2020 abgezeichnet. Die Deutsche Bahn habe dem bayerischen Verkehrsministerium bei einem Gespräch am 25. September 2020 auf 32 Seiten präsentiert, wie schlecht es um das Projekt stehe, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" (Samstag). Es drohe eine Verzögerung um sechs Jahre bis 2034; die Bahn habe Gegenmaßnahmen empfohlen.
Vor zwei Jahren hätte somit die Chance bestanden, offenzulegen, wie schlecht es um das größte und wichtigste Verkehrsprojekt in Bayern steht, schreibt die Zeitung. Zudem hätten frühzeitig viele von der Bahn im Detail vorgeschlagene Maßnahmen angegangen werden können, um den Bau der drei Tunnel für die zweite Stammstrecke noch zu beschleunigen. Doch die Präsentation sei in den Schubladen des bayerischen Verkehrsministeriums verschwunden. Weder die Öffentlichkeit noch Landtag oder Stadt München seien informiert worden. Diese Präsentation sei der Landeshauptstadt "nicht bekannt", zitiert die "SZ" Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD).
Das Verkehrsministerium erklärte dazu laut "SZ", bei Gesprächen wie im September 2020 sei es üblich, dass auch Präsentationen gezeigt werden. Die Spitze des Ministeriums habe umgehend den damals zuständigen DB-Vorstand Ronald Pofalla gefragt, was von den Aussagen zu halten sei. Pofalla habe daraufhin in einem Schreiben vom 13. Oktober 2020 die Aussagen zurückgenommen. Es sei nur eine erste Diskussionsbasis gewesen; es bedürfe zusätzlicher, intensiver Anstrengungen, um einen Stand zu erreichen, der verlässliche Aussagen ermögliche. Das Ministerium zog daraus laut "SZ" den Schluss, es habe damals keine Grundlage gegeben, die Öffentlichkeit zu informieren.
Die Staatskanzlei sei auf Arbeitsebene über den Vorgang informiert worden, gab das Ministerium laut "SZ" an. Die Staatskanzlei wiederum berief sich ebenfalls darauf, dass die Bahn-Spitze damals die zuvor präsentierten Aussagen über eine Verzögerung bis 2034 "sofort wieder als obsolet und nicht relevant zurückgewiesen" habe. Man warte bis heute auf eine "abschließende Antwort" der Bahn.